Der Lizenzvertrag. Michael Groß
sein wird oder nicht. Hier zeigte sich der schon oben erwähnte Charakter eines Lizenzvertrages als Risikogeschäft.
Anders war es nur, wenn sich ergab, dass den Lizenzgeber ein Verschulden traf. Dies konnte der Fall sein, wenn er den Rechtsstreit über die Nichtigkeit nachlässig geführt hatte. Er haftete dann nach § 325 BGB a.F. Es kam jedoch kein Rücktrittsrecht, sondern nur ein Kündigungsrecht in Betracht, weil es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelte. War andererseits dem Lizenznehmer bekannt, dass das Schutzrecht anfechtbar war, so konnte er keine Ersatzansprüche geltend machen, wenn er den Vertrag trotzdem geschlossen hatte.
Es empfahl sich, über die Wirkung der Vernichtung von Schutzrechten auf den Lizenzvertrag Vereinbarungen zu treffen. Hier wurde häufig vereinbart, dass vor der Nichtigerklärung bezahlte oder fällige Lizenzgebühren nicht mehr zurückverlangt werden können.77 Wenn auch davon auszugehen war, dass mit Rechtskraft eines Nichtigkeitsurteils die Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren regelmäßig entfällt, konnte es bei Lizenzverträgen, bei denen der Lizenzgeber neben dem Schutzrecht noch zusätzliche Informationen und dgl. erhalten hatte, gerechtfertigt sein zu vereinbaren, dass die Gebührenpflicht des Lizenznehmers zumindest insofern unverändert bestehen blieb.
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Verschiedentlich stellte sich erst nach Abschluss eines Lizenzvertrages heraus, dass ein Schutz in dem von den Parteien angenommenen Umfang nicht besteht. Dies konnte der Fall sein, wenn die Parteien fälschlich einen zu weiten Schutzumfang angenommen hatten oder wenn der Schutzumfang in einem Verletzungsprozess eingeschränkt wurde. Einen solchen Fall betrafen die Entscheidungen des Reichsgerichts vom 18.11.191178 und vom 10.10.1931.79 Das Reichsgericht vertrat hier die Auffassung, dass der Lizenzvertrag nichtig sei, wenn sich nachträglich herausstelle, dass die Parteien einen zu weiten Schutzumfang zugrunde gelegt haben.
In Abweichung von den oben erwähnten Entscheidungen hatte das Reichsgericht in einer Entscheidung dem Lizenznehmer nur ein Kündigungsrecht für die Zukunft eingeräumt.80 Es handelte sich dabei um eine Lizenz für ein Dacharbeiterschutzgerät. Die Vertragspartner gingen davon aus, dass das Gerät geschützt sei. Der Schutz bezog sich jedoch nur auf das Gerät mit bestimmten Befestigungsmitteln. Das Reichsgericht führte dazu aus, durch die Ausbeutung des hier in Frage stehenden Gebrauchsmusters sei für das ganze Gerät ein tatsächlicher Zustand eingetreten, durch den der Lizenznehmer gewerbliche Vorteile finden konnte. Das Reichsgericht gewährte dem Käufer eines Gebrauchsmusters, das nicht den ihm zugeschriebenen, sondern nur einen geringeren Umfang hatte, ein ex nunc wirkendes Rücktrittsrecht.81
Der BGH vertrat die Auffassung, dass die Fälle nachträglicher Patentbeschränkung entsprechend denjenigen einer teilweisen Vernichtung des Patents zu behandeln sind. Im konkreten Fall hatte dies zu einer Minderung der Lizenzgebühr geführt.82 Der BGH folgte somit der Auffassung, die schon in der ersten Auflage dieses Buches vertreten wurde und die auch in der Literatur herrschend war, wonach nämlich die Nichtigkeit von Patenten und die Beschränkung des Schutzumfangs nach denselben rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen waren.83
Hatten die Vertragspartner einen Lizenzvertrag geschlossen, durch den Meinungsverschiedenheiten über den Schutzumfang im Vergleichswege beseitigt werden sollten, so war es unbeachtlich, wenn sich nachträglich herausstellte, dass das Schutzrecht nur einen geringeren Umfang hatte.84 Überhaupt kam es darauf an, in welchem Maß der Schutzumfang von dem, den die Parteien angenommen haben, abwich.
b) Rechtslage ab dem 1.1.2002
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Auch bei nachträglicher Unmöglichkeit und nachträglichem Unvermögen und allen anderen Arten der Unmöglichkeit gilt § 275 Abs. 1 BGB.85 § 275 Abs. 4 BGB verweist daher wieder auf die Gläubigerrechte gemäß §§ 280, 283–285, 311a, 326 BGB. Schadensersatzansprüche bestimmen sich daher letztlich nur nach § 280 BGB und nach § 311a Abs. 2 BGB. Im Fall der Unmöglichkeit ist die gemäß § 281 BGB notwendige angemessene Frist zur Leistung nicht sinnvoll. Der Gesetzgeber hat daher eine Schadensersatzregelung in § 283 BGB für den Fall des Ausschlusses der Leistungspflicht getroffen. Wenn der Lizenznehmer seiner Leistungspflicht bereits nachgekommen war, obwohl er gemäß § 326 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB nicht mehr hätte leisten müssen, kann er die Rückzahlung seiner gezahlten Lizenzgebühren gemäß §§ 326 Abs. 4,346–348 BGB verlangen.
§ 326 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB sieht bei Teilunmöglichkeit die Minderung nach Kaufrecht gemäß § 441 Abs. 3 BGB vor. Das bisher (vor dem 1.1.2002) bei Teilunmöglichkeit angenommene außerordentliche Kündigungsrecht dürfte über §§ 313 Abs. 3 Satz 2, 314 BGB herleitbar sein.
Da der Lizenzvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist und aufgrund der Einschätzung des Lizenzvertrags als Risikogeschäft (erhebliche technische und finanzielle Risiken für beide Vertragsparteien) und gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB (daher) auch an die Stelle des Rücktrittsrechts für Dauerschuldverhältnisse das Kündigungsrecht tritt,86 wird das Rücktrittsrecht zumindest „verdrängt“.87 Sinnvoller erscheint angesichts der o.g. Besonderheiten der Ausschluss des Rücktrittsrechts zugunsten des Kündigungsrechts aufgrund nachvollziehbarer Kriterien.88 Es wird daher auch das Rücktrittsrecht des Gläubigers gemäß §§ 323, 326 Abs. 5 BGB in den Hintergrund treten. Der Gläubiger kann nicht zurücktreten, wenn er für den Rücktrittsumstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu der der Gläubiger im Annahmeverzug ist, § 323 Abs. 6 BGB.
20 Vgl. dazu Staudinger/Löwisch, Rn. 2 zu § 275, Rn. 1, 9 ff. zu § 306. 21 BGH, 22.5.1959, GRUR 1960, 44; a.A. BGH, 27.6.1991, GRUR 1991, 40 ff. „Keltisches Horoskop“ m.w.N. zu § 306 BGB, wenn der Lizenznehmer trotz der sog. Leerübertragung eine wirtschaftliche Vorzugsstellung erlangt hat. 22 BGH, 1.12.1964, GRUR 1965, 298. 23 MuW 1930, 252. 24 Isay, S. 343 ff. 25 Rasch, S. 26. 26 Vgl. Rn. 290 f., 330. 27 RG, 10.10.1931, Bl. 1932, 40 = MuW 1932, 32. 28 BGH, 12.4.1957, DB 1957, 653 = GRUR Int. 1958, 136; vgl. Rn. 73 f. 29 RG, 11.7.1939, Bl. 1940, 89. 30 Vgl. auch die weitere Rechtsprechung des BGH, 12.4.1957, GRUR 1957, DB 1957, 635 = GRUR Int. 1958, 136, und bei Lindenmaier, GRUR 1955, 507, 511. 31 Vgl. Lindenmaier, GRUR 1955, 509. 32 RG, 15.3.1902, RGZ 51, 92. 33 RG, 8.4.1908, RGZ 68, 292. 34 RG, 18.11.1911, RGZ 78, 10. 35 Rasch, S. 17. 36 RG, 4.3.1922, MuW 1922, 215. 37 Vgl. Rn. 84 ff. 38 Vgl. Rn. 62 ff. 39 § 307 BGB a.F.; siehe auch Körner, GRUR 1982, 341, 344. 40 Vgl. RG, 21.10.1908, RGZ 69, 355. 41 Rn. 91; RG, 26.10.1912, RGZ 80, 247; Benkard, PatG, Rn. 159 ff. zu § 15. 42 BGH, 23.6.1954, BB 1954, 823; BGH, 10.6.1970,