Der Lizenzvertrag. Michael Groß
Rechtsordnungen können jedoch besondere Formerfordernisse wie Genehmigungsvorbehalte und Meldeverpflichtungen vorsehen, und zwar unabhängig davon, welches Recht auf den Vertrag Anwendung findet.10 Neben den ehemaligen Ostblockländern handelt es sich hier insbesondere um südamerikanische und asiatische Länder.11
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Bedarf der Lizenzvertrag bei derartigen Auslandsverträgen einer behördlichen Genehmigung, die durch den Lizenznehmer zu erwirken ist, so ist dieser verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Verschiedentlich wird eine ausdrückliche Verpflichtung hierzu in den Vertrag aufgenommen. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass sie nur einen beschränkten Wert hat. Der Nachweis, dass die Verweigerung der Genehmigung darauf zurückzuführen ist, dass der Lizenznehmer nicht die erforderlichen Anstrengungen unternommen hat, um die Genehmigung zu erlangen, oder deren Erteilung, was nicht selten ist, hintertrieben hat, ist meist nicht zu führen. Es ist daher vor Vorliegen einer Genehmigung besondere Vorsicht geboten, insbesondere, was die Übergabe von Unterlagen und detaillierte Informationen des Vertragspartners betrifft.
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Eine besonders problematische Situation kann sich auch dann ergeben, wenn die Stelle, die den Auftrag erteilt, und diejenige, die ihn genehmigen muss, identisch oder nahezu identisch sind. Dies ist insbesondere in den Ländern der Fall, in denen sich der Staat als Unternehmer betätigt. Wollen die staatlichen Unternehmen aus irgendwelchen, nicht von vornherein ersichtlichen Gründen von den Abmachungen loskommen, so braucht nur die Genehmigung verweigert zu werden. Es erscheint daher zweckmäßig, dass sich der Lizenzgeber nicht auf die Mitwirkungspflicht des Lizenznehmers und die Fairness der Behörden verlässt, sondern das Inkrafttreten des Vertrages und damit auch die Übergabe der Unterlagen usw. vom Vorliegen der erforderlichen Genehmigung abhängig macht.
4 Dem eigentlichen Vertrag kann auch eine Geheimhaltungsvereinbarung, ein Vorvertrag und/oder eine Absichtserklärung („letter of intent“) vorausgehen; siehe z.B. Blaurock, ZHR 1983, 334; Bartenbach, Rn. 378 ff.; Kurz, Mitt. 1997, 201 ff.; Lutter, passim; OLG München, 18.11.2004, ZUM 2005, 838 ff. 5 Vgl. BGH, 3.6.1958, GRUR 1958, 565, einschl. Urteilsanmerkung von Fischer, GRUR 1959, 124; BGH, 24.2.1975, GRUR 1975, 498, ebenfalls mit Anm. von Fischer, GRUR 1975, 500; BGH, 28.6.1979, GRUR 1979, 768; OLG Düsseldorf, 9.7.1991, WuW/E 1992, 363 ff. „Der Gemüseprofi“; BGH, 23.6.1992, ABl. EPA 1993 Heft 1–2, 88 „Magazinbildwerfer“ zur Form der Übertragung einer europäischen Patentanmeldung = GRUR Int. 1993, 548 ff. = EuZW 1993, 104 = CR 1993, 150 = NJW 1993, 69 ff.; BGH, 7.7.1992, NJW 1992 Heft 51, VI, zur Form des Änderungsvertrags = GRUR 1993, 149 ff. = CR 1993, 205 ff. m. Anm. von Brandi-Dohrn zu Softwareüberlassungsverträgen, und Odersky, GRUR 1994, 764; OLG Frankfurt a.M., 28.1.1993, GRUR 1994, 76 f. „Trucking-Vertrag“; OLG München, 15.7.1993, WuW/E 1994 Heft 1, 45 ff. „Kinowerbung“; OLG Karlsruhe, 8.6.1994 WuW/E Heft 1, 52; OLG Stuttgart, 5.7.1994, WuW/E Heft 1, 53; OLG Frankfurt, 24.6.1996, CR 1995, 81; BPatG, 12.4.1995, GRUR 1996, 480 f.; BGH, 14.1.1997, GRUR 1997, 543 ff. „Kölsch-Vertrag“; BGH, 11.3.1997, 482 ff. „Magic Print“. 6 BGH, 8.6.1967, BB 1967, 902; vgl. auch BGH, 14.1.1997, GRUR 1997, 543 ff.; BGH, 11.3.1997, GRUR 1997, 482 ff. = NJW 1997, 2954 f.; BGH, 6.5.1997, GRUR 1997, 781 ff.; BGH, 17.3.1998, GRUR 1998, 838 ff.; BGH, 2.2.1999, NJW 1999, VIII; BGH, 9.3.1999, GRUR 1999, 602 f.; BGH, 14.3.2000, CR 2000, 816; BGH, 11.12.2001, GRUR 2002, 647 f.; BGH, 16.4.2002, GRUR 2002, 915 ff.; BGH, 24.9.2003, Mitt. 2004, 92; OLG Hamburg, 17.10.2002, Mitt. 2004, 367; Bunte, BB 1998, 1600 ff., zur Aufhebung des Schriftformerfordernisses nach § 34 GWB. 7 Vgl. dazu näher Rn. 541 f.; zum Bereicherungsausgleich bei formunwirksamem Lizenzvertrag BGH, 17.3.1998, WRP 1998, 780 ff.; BGH, 14.3.2000, WRP 2000, 766 ff., und Jestaedt, WRP 2000, 899 ff. Zur zu bejahenden Anfechtbarkeit eines Patentlizenzvertrags, den ein Erfinder als Lizenzgeber abschließt, obwohl er nicht Inhaber der lizenzierten Patentanmeldung ist und auf diesen Umstand nicht hingewiesen hat LG München I, 13.5.2009, GRUR-RR 2010, 138. 8 BGH, 24.2.1975, GRUR 1975, 498; BGH, 28.6.1979, GRUR 1979, 768; siehe zur formwidrigen Vereinbarung einer Mindestlizenz OLG München, 10.1.1985, „Steinmetzbrot“, WuW/E 1985, 917, mit einem guten Überblick bzgl. Literatur und Rechtsprechung zum Schriftformerfordernis gem. § 34 GWB a.F. 9 Vgl. dazu unten Rn. 435 f. 10 Vgl. dazu im Einzelnen Grützmacher/Laier/May, passim ab S. 82 ff. 11 Vgl. für asiatische Staaten nur Heath/Kung-Chung Liu, passim.
III. Nichtigkeit von Lizenzverträgen
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Selbst wenn sich die Vertragspartner einig sind und einen entsprechenden Vertrag geschlossen haben, kann die getroffene Vereinbarung nichtig sein. Nichtigkeit liegt insbesondere vor, wenn der Vertrag gegen die guten Sitten12 oder gegen ein gesetzliches Verbot13 verstößt. Auf die Fälle, in denen das Geschäft nichtig ist, weil ein Vertragspartner geschäftsunfähig ist, braucht hier – als vor allem theoretischer Sonderfall – nicht weiter eingegangen zu werden.
1. Verstoß gegen die guten Sitten
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Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt bei Wuchergeschäften vor.14 Zu denken ist hierbei vor allem daran, dass ein Lizenznehmer die Notlage eines Erfinders ausnutzt und sich ein Lizenzrecht gegen eine unangemessen niedrige Gebühr einräumen lässt, oder daran, dass der Lizenzgeber eine Monopolstellung in unzulässiger Weise ausnutzt, um unangemessen hohe Lizenzgebühren zu erhalten. Dabei erfordert die Anwendung der Vorschrift des § 138 BGB allerdings nicht einen kaufmännisch ungünstigen Vertrag, sondern ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine neue Erfindung große Vorteile mit sich bringt, so dass andere Firmen mit ihren Erzeugnissen nicht mehr konkurrenzfähig sind, wenn sie nicht das Recht zur Benutzung der neuen Erfindung erhalten. In einem Fall, der dem Reichsgericht zur Entscheidung vorlag, hatten die Vertragspartner einen Lizenzvertrag über eine Erfindung, die zum Patent angemeldet war, geschlossen. Sie gingen dabei davon aus, dass das Patent nicht erteilt werde. Entgegen dieser Annahme erfolgte jedoch eine Erteilung des Patents. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass kein Verstoß gegen die guten Sitten vorliege und der Vertrag wirksam sei.15
In einer anderen Entscheidung des RG wurde Nichtigkeit eines Lizenzvertrages wegen Verstoßes gegen die guten Sitten angenommen. Dieser Vertrag bezog sich auf ein erschlichenes Patent, dem Lizenznehmer war diese Tatsache auch bekannt.16 Ausdrücklich ausgenommen wird allerdings der Fall, dass der Lizenznehmer trotz Kenntnis der Patenterschleichung wegen des formellen Bestandes des Schutzrechtes einen Ausnutzungsvertrag für berechtigt gehalten hat.
2. Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
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Als gesetzliche Verbote sind vor allem die kartellrechtlichen Vorschriften zu beachten.17 Hierbei ist bei jedem Lizenzvertrag mit besonderer Aufmerksamkeit zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Vorschriften des nationalen Kartellrechtes oder auch z.B. ein Verstoß gegen das EG-Kartellrecht gegeben ist.
Insbesondere im Bereich des EG-Kartellrechtes ergibt sich dabei das Problem extensiv auslegbarer Regelungen, das zu einer nicht unerheblichen Unsicherheit über die Vereinbarkeit gewisser – z.T. typischer – Regelungen in Lizenzverträgen mit dem EG-Kartellrecht geführt hat, unbeschadet der Versuche der EG-Kommission, durch entsprechende Bekanntmachungen eine gewisse Klarheit zu schaffen.18
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Konsequenz eines Verstoßes gegen das Kartellrecht ist die teilweise oder vollständige Nichtigkeit eines Lizenzvertrages wegen Verstoßes gegen