Der Lizenzvertrag. Michael Groß
des rasanten politischen Wandels in den ehemaligen sozialistischen Staaten Osteuropas und in Russland und des damit verbundenen Wechsels bestehender staatlicher Zuständigkeiten erscheint es unbedingt ratsam, sich vor Beginn einer lizenzvertraglichen Zusammenarbeit mit einem Partner aus diesen Ländern über die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen genauestens zu informieren. Staatliche Genehmigungen, die Absicherung finanzieller Risiken (z.B. durch Hermes-Bürgschaften) sowie die Sicherung einer ordnungsgemäßen Produktion und eines Vertriebs sind einige Faktoren, die neben den vertragsrechtlichen Fragen zu beachten sind. Dies gilt insbesondere auch für die Staaten, die Mitgliedstaaten der EU geworden sind. Gibt es beispielsweise kartellrechtlich relevante Fragestellungen in einem Lizenzvertrag zwischen einem polnischen und einem deutschen Lizenzvertragspartner, so ist zu prüfen, welche Marktanteile die Lizenzvertragspartner gemäß GFTT haben. Liefert eine der Parteien nach Japan und/oder USA, so sind auch die dort geltenden kartellrechtlichen Vorschriften (USA: US-Antitrust Guidelines for the Licensing of Intellectual Property, of January 12, 2017, Japan: Guidelines for Patent and Know-how Licensing Agreements under the Antimonopoly Act of July 30, 1999; siehe Anhänge II.3. und II.4.) zu prüfen.
98 Vgl. Rn. 368, 379, 389. 99 RG, 5.5.1911, RGZ 76, 235. 100 Vgl. Lüdecke/Fischer, S. 399. 101 RG, 16.11.1929, GRUR 1930, 174; vgl. zur Betriebslizenz auch Benkard/Ullmann/Deichfuß, PatG., Anm. 70 zu § 15; Henn, Rn. 170 ff., 172; Lüdecke/Fischer, S. 93 und 401, 402; Reimer, PatG, Anm. 11, 92 f. zu § 9. 102 Lüdecke/Fischer, S. 400. 103 Vgl. Henn, Rn. 173 ff.
I. Allgemeines
1. Inlandsverträge
43
Zweifelsfrei ist, dass die allgemeinen Bestimmungen über Rechtsgeschäfte, Verträge und gegenseitige Verträge, wie sie im BGB niedergelegt sind, auf Lizenzverträge zur Anwendung kommen. Für Lizenzverträge gilt dabei der Grundsatz der Vertragsfreiheit, d.h. sowohl die Freiheit zum Abschluss des Vertrages als auch die prinzipielle Freiheit bei der Ausgestaltung inhaltlicher Regelungen. Aus dem Begriff der Vertragsfreiheit ergibt sich aber gleichzeitig, dass auch die grundsätzlichen Grenzen des BGB, die in den Vorschriften der §§ 134, 138, 242 und 826 BGB ihren Niederschlag gefunden haben, für Lizenzverträge gelten. Gleichzeitig unterliegen die Technologielizenzverträge ab 1.7.2005 nur noch dem EG-Kartellrecht, das zwar die Vertragsfreiheit als solche nicht unmittelbar berührt, jedoch für die inhaltliche Ausgestaltung von Lizenzverträgen z.T. einschneidende Konsequenzen hat.1
44
Die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des BGB auf Lizenzverträge hat die Konsequenz, dass für den Inhalt der Lizenzverträge zunächst die vereinbarten Regelungen gelten, soweit die dargelegten Grenzen der Vertragsfreiheit berücksichtigt worden sind. Erst wenn sich aus dem zu ermittelnden Inhalt des Vertrages keine ausdrückliche Regelung ergibt, ist der Wille der vertragschließenden Parteien im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu gewinnen (§§ 133, 157 BGB). Handelt es sich bei ggf. entstehenden Auslegungsschwierigkeiten – wie häufig – um die Frage, welchen Umfang das dem Lizenznehmer eingeräumte Benutzungsrecht haben soll, so lehrt die Erfahrung, dass der Lizenzgeber in der Regel so wenig wie möglich von seinem Recht aufgeben will. Dies hat zur Konsequenz, dass bei der Beurteilung des Umfanges der dem Lizenznehmer eingeräumten Rechte die in Frage stehenden Vertragsbestimmungen eng auszulegen sind, falls sie unklar oder mehrdeutig sind.2
45
Unabhängig davon sollte berücksichtigt werden, dass die Rechtsprechung in den Fragen, die sich aus Lizenzverträgen ergeben, vielfach sehr uneinheitlich ist. Sie hat sich im Laufe der Zeit auch stark gewandelt. Es lässt sich daher oft nicht mit Sicherheit voraussehen, wie Entscheidungen eines Gerichtes ausfallen werden. Aufgrund dieser Umstände ist es dringend erforderlich, bei Lizenzverträgen eingehende und klare Abmachungen zu treffen. Es muss davor gewarnt werden, sich auf die stillschweigende Zustimmung der anderen Partei zu verlassen, wie es bei täglichen Handelsgeschäften häufig festzustellen ist. Schon aufgrund des Risikocharakters dieser Verträge sollten Lizenzverträge grundsätzlich nur schriftlich abgefasst werden.3 Dies ist auch allgemein üblich.
1 Vgl. dazu Benkard, PatG, Rn. 75 f., 221 ff., 252 ff., 264 ff. zu § 15, und zum Kartellrecht unten Rn. 537 ff., 582 ff.; siehe auch zur arglistigen Täuschung LG München I, 13.5.2009, Mitt. 2009, 421 ff. – Schließt ein Erfinder einen Vertrag über die Lizenzierung einer zum Patent angemeldeten Erfindung ab, hat er gegenüber seinem Vertragspartner eine entsprechende Aufklärungspflicht, sofern nicht er, sondern ein Dritter Anmelder des Patents ist. Dies gilt auch für den Fall, dass der Erfinder gegenüber dem Dritten hinsichtlich der Patentanmeldung im Rahmen eines Treuhandverhältnisses verfügungsberechtigt ist. Verschweigt der Erfinder diesen Umstand arglistig und täuscht er daher seinen Vertragspartner darüber, ist dieser zur Anfechtung des Lizenzvertrags gem. § 123 Abs. 1 BGB berechtigt. OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.7.2012, Mitt. 2012, 573 – Anfechtung eines Lizenzvertrags ist möglich, wenn der Lizenzgeber den Lizenznehmer nicht informiert hat, dass er vor Vertragsschluss die lizenzierte Patentanmeldung zurückgenommen hat. Ausübung des Anfechtungsrechts ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn bei Anfechtungserklärung eine andere Patentanmeldung mit deutlich späterer Priorität vorlag. Bei wirksamer Anfechtung des Lizenzvertrags, Wegfall des Vertrags ex tunc. 2 Lüdecke/Fischer, Vorbem. Rn. 2344; vgl. zur Auslegung eines Patentlizenzvertrages bzgl. der Erteilung von Unterlizenzen OLG Hamburg, 3.9.1987, GRUR 1987, 899; siehe auch BGH, 10.5.2011, X ZR 156/10, AS, S. 1 ff., 7 f., zur Auslegung eines Entwicklungsvertrags, der auch lizenzvertragliche Elemente enthielt. 3 Vgl. Rn. 13. Ergänzend wird auf §§ 126a, 126b BGB hingewiesen.
II. Abschluss des Lizenzvertrages
46
Der Vertragsschluss ist nach den §§ 145 ff. BGB zu beurteilen. Dies bedeutet, dass der Lizenzvertrag durch einen Antrag (Offerte) und die unveränderte Annahme dieses Antrages zustande kommt.4
Der Lizenzvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit grundsätzlich keiner bestimmten Form. Die Vertragspartner können ihn auch mündlich schließen; u.U. kann die Einigung sogar durch konkludente Handlung herbeigeführt werden. Dies dürfte jedoch bei Lizenzverträgen kaum in Betracht kommen.
An der fehlenden Formbedürftigkeit der Lizenzverträge hat sich auch durch die Bestimmung des § 34 GWB a.F., der aufgrund der 6. GWB-Novelle seit 1.1.1999 nicht mehr gilt, nichts geändert. Lediglich wenn Vereinbarungen getroffen wurden, die kartellrechtlich relevant waren, musste der Vertrag schriftlich geschlossen werden,5 und zwar der gesamte Vertrag6 und nicht nur die beschränkenden Bestimmungen.7 Unabhängig davon wird und wurde in der Praxis in aller Regel ein schriftlicher Vertrag angefertigt. Dies ist schon wegen des Umfanges der meist komplizierten Regelungen erforderlich. Bei den schwerwiegenden Auswirkungen, die ein Lizenzvertrag mit sich bringen kann, und wegen der besonderen Schwierigkeit der Materie empfiehlt es sich daher generell dringend, den Vertrag nur schriftlich abzuschließen. Haben sich daher die Vertragsparteien bei einer Verhandlung über den Vertragsinhalt geeinigt und sind sie übereingekommen, das Vereinbarte schriftlich zu fixieren, so hat der Lizenznehmer bei der schriftlichen Abfassung des Vertrages auch mitzuwirken.8
47
Darüber hinaus sind besondere Formvorschriften – ggf. auch bei Verträgen mit ausländischen Vertragspartnern – zu beachten. Nach dem Außenwirtschaftsgesetz sind zwar für den deutschen Vertragspartner, abgesehen