Compliance Management im Unternehmen. Martin R. Schulz
von Hinweisgebersystemen, in mittelständischen und kleineren Unternehmen werden Compliance Officer oder Ombudsleute mit dieser Funktion betraut.338 Dies wird sich mit der Umsetzung der am 23.10.2019 verabschiedeten EU-Hinweisgeberrichtlinie339 in deutsches Recht und den damit verbundenen Anforderungen ändern.
9. Konsequente Sanktionierung von regelwidrigem Verhalten
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Für den Erfolg des Compliance Managements ist die konsequente Sanktionierung festgestellter Regelverletzungen nicht zu unterschätzen. Denn der Umgang mit aufgedeckter „Non-Compliance“ wird von den Unternehmensangehörigen unmittelbar registriert und kann erhebliche Auswirkungen auf die Integritäts- und Compliance-Kultur haben.340 Sofern die Geschäftsleitung Regelverstöße toleriert oder nicht mit genügendem Nachdruck verfolgt, kann bei vielen Unternehmensangehörigen der fatale Eindruck entstehen, Compliance sei nur ein „Lippenbekenntnis“. Dieser Eindruck kann die konzeptionellen Bemühungen vollständig konterkarieren, da sich manche die Frage stellen werden, ob sich ein regelkonformes Verhalten überhaupt lohnt. Im Compliance Management bestätigt sich damit der Grundsatz, dass sich die Wirksamkeit von Normen auch an der Wahrnehmung ihrer Durchsetzung bemisst.
10. „Legal Monitoring“ und regelmäßige Aktualisierung
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Da sich die rechtlichen Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns durch die oben exemplarisch beschriebenen vielfältigen Aktivitäten der Gesetzgeber und Normsetzer auf nationaler und internationaler Ebene sowie durch Vorgaben der Gerichte ständig verändern, besteht für das Compliance Management ein kontinuierlicher Überprüfungs- und Anpassungsbedarf.341 Dies erfordert die kontinuierliche Beobachtung und Analyse aktueller Rechtsentwicklungen im Sinne eines „Legal Monitoring“. Im Rahmen sog. „Compliance Audits“ ist regelmäßig ferner zu fragen, inwieweit ein Unternehmen hinreichende, d.h. den unternehmensspezifischen Compliance-Risiken angepasste Compliance-Maßnahmen etabliert und umgesetzt hat: Sofern bereits ein Compliance Management etabliert wurde, kann sich dessen mangelnde Eignung zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben durch das Unternehmen und dessen Mitarbeiter herausstellen und zu einer Neuausrichtung zwingen.342 Insbesondere aus einem aufgeklärten Regelverstoß resultiert die Pflicht, aber zugleich die Chance, das Compliance Management anzupassen bzw. neue Compliance-Maßnahmen zu entwickeln.343
11. Angemessene Dokumentation
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Für den Nachweis eines funktionierenden Compliance Managements ist schließlich die die sorgfältige Dokumentation der implementierten Compliance-Strukturen, Prozesse und Maßnahmen wichtig.344 Die Dokumentation des Compliance Managements kann der Unternehmensleitung in Fällen von „Non-Compliance“ helfen, die Erfüllung ihrer Organisationspflichten nachzuweisen.345
IV. Vorteile eines effektiven Compliance Managements
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Gelingt es, mit der Einführung und regelmäßigen Aktualisierung der oben beschriebenen Strukturen, Prozesse und Maßnahmen ein wirksames Compliance Management zu schaffen, so hat dies für Unternehmen und Verbände zahlreiche Vorteile.
1. Prävention und Reduzierung der Kostenrisiken und Nachteile von „Non-Compliance“
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Wie ausgeführt, honorieren Gerichte und auch der Gesetzgeber inzwischen ausdrücklich die Existenz von Compliance-Maßnahmen, jedenfalls sofern dadurch das ernsthafte Bemühen zur Prävention von Regelverletzungen zum Ausdruck kommt. Zwar können Regelverletzungen auch durch Compliance Management nicht vollständig verhindert werden. Allerdings lässt sich das Risiko der „Non-Compliance“ durch wirksame Compliance-Maßnahmen erheblich reduzieren Dadurch leistet ein wirksames Compliance Management einen wesentlichen Beitrag dazu, das immense Kostenrisiko und die sonstigen Nachteile von „Non-Compliance“ einzudämmen.
2. Schutz von Unternehmen, Leitungsorganen und Unternehmensangehörigen
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Zugleich schützt ein wirksames Compliance Management das Unternehmen, seine Leitungsorganen und die Unternehmensangehörigen. Erfasst wird sowohl der Schutz des Unternehmens vor zivilrechtlicher Haftung und strafrechtlichen Sanktionen als auch der Schutz der Geschäftsleiter und Unternehmensangehörigen vor persönlicher zivil- und strafrechtlicher Haftung.346 Erfasst wird ferner der Schutz vor Nachteilen im Geschäftsverkehr und Wettbewerb347 (etwa durch unwirksame Geschäftsmodelle, Transaktionen oder den Ausschluss von Aufträgen) sowie der Schutz gegenüber Angriffen von außen (z.B. durch „Hacker“-Angriffe).348
3. Sicherung der Reputation und Vertrauenserhalt der Stakeholder
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Darüber hinaus fördert bzw. erhält ein wirksames Compliance Management den guten Ruf des Unternehmens und das Vertrauen der Stakeholder. Wie ausgeführt,349 kann ein positives Image des Unternehmens bei den maßgeblichen Bezugsgruppen (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Investoren etc.) durch Fälle von „Non-Compliance“ schnell beschädigt oder zerstört werden. Umgekehrt sichert ein funktionierendes Compliance Management das Vertrauen der Stakeholder in eine rechtskonforme und integre Geschäftstätigkeit und in einen glaubwürdigen Auftritt des Unternehmens in der Öffentlichkeit.350 Damit kann auch den wachsenden (CSR-)Erwartungen an verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln durch die (stärkere) Berücksichtigung von Reputationsrisiken im Sinne eines „Reputational Risk Management“ bei der Entscheidung über neue Geschäftsmodelle und Transaktionen Rechnung getragen werden.351
4. Eröffnung und Wahrung rechtlicher Chancen und Gestaltungsoptionen
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Richtig verstanden erfüllt Compliance Management primär eine „enabling function“ insofern, als rechtlich gesicherte Handlungsoptionen und Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Das gilt etwa durch die Verdeutlichung von Optionen für eine vorbeugende Vertragsgestaltung oder steuerrechtliche Strukturierung im Interesse des Unternehmens.352 Ein funktionierendes Compliance Management hilft somit, Unternehmenswerte zu schaffen353 und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Denn Unternehmen können auch dadurch gefährdet werden, dass Maßnahmen vorausschauender Rechtsgestaltung nicht oder nur unzureichend genutzt werden.354 Wie gezeigt,355 sollten bei der Nutzung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten stets auch die Reputation des Unternehmens in der Öffentlichkeit sowie die Beziehungen zu maßgeblichen Bezugsgruppen (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Investoren etc.) berücksichtigt werden.356
5. Vorteile beim Marketing und im Wettbewerb
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Durch ein funktionierendes Compliance Management können zudem positive Marketing-Effekte erzielt werden.357 Denn die Unternehmensleitung signalisiert sowohl unternehmensintern als auch im Geschäftsverkehr, dass Normverletzungen systematisch verhindert bzw. geahndet werden. Gelingt es der Unternehmensleitung, Regelkonformität sowie integres Verhalten glaubwürdig an alle Stakeholder zu vermitteln, kann sich das Unternehmen durch ein funktionierendes Compliance Management von Wettbewerbern differenzieren (wirksames Compliance Management als Wettbewerbsvorteil).358 Im Kampf um Bewerber und qualifizierten Nachwuchs trägt ein wirksames Compliance Management dazu bei, gute Mitarbeiter zu gewinnen bzw. längerfristig zu halten.359 Denn viele Nachwuchskräfte erwarten von Unternehmen ein gutes Images bzw. ein ihren Vorstellungen entsprechendes ethisches Verhalten.360 Die oben genannten positiven Marketingeffekte von Compliance-Maßnahmen setzen allerdings voraus, dass das Compliance Management und die damit