Compliance Management im Unternehmen. Martin R. Schulz
damit regelmäßig Ziel und Bestandteil interner Compliance-Management-Systeme.
f) Bestechung im Gesundheitswesen (§ 299b StGB)
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Eine weitere Spezialvorschrift im Bereich der Korruption hat der Gesetzgeber unlängst für die Akteure im als besonders korruptionsanfällig erkannten Gesundheitswesen durch das umstrittene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 14.4.2016129 erlassen. Erforderlich geworden war die Spezialvorschrift, nachdem der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 2012130 niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte bei Wahrnehmung der ihnen in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben weder als Amtsträger (§§ 331ff. StGB) noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen (§ 299 StGB) angesehen hat, mit der Folge dass die Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuches für niedergelassene Vertragsärzte grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen konnten. Insofern konnte etwa die Zahlung einer Prämie von einem Pharmaunternehmen an einen Arzt, um damit dessen Verschreibungsverhalten zugunsten eines bestimmten Präparats zu beeinflussen, nicht strafrechtlich geahndet werden. Die insoweit identifizierte Lücke bei der strafrechtlichen Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen soll durch die Neuregelung der §§ 299a und b StGB geschlossen werden.
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Die relativ neue Korruptionsvorschrift bezieht grundsätzlich alle Heilberufe ein, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, und gilt für Sachverhalte sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung. Die neuen Straftatbestände § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) und § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) sind der Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) nachgebildet.
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Nach § 299b StGB wird wegen Bestechung im Gesundheitswesen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er (1.) bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, (2.) bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder (3.) bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge. Geeignete Vorteilsempfänger im Sinne des § 299a StGB sind alle Angehörigen eines Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert.
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Die zunächst vorgesehene patientenschutzbezogene Handlungsmodalität eines „Verstoßes gegen berufsrechtliche Pflichten“ ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder weggefallen mit der Folge, dass der neue § 299b StGB – anders als § 299 Abs. 2 StGB – nur noch wettbewerbsbezogene Handlungen erfasst. Darüber hinaus ist ebenfalls die zunächst vorgesehene Tathandlung der „Abgabe“ von Arzneimitteln oder von Medizinprodukten nicht (mehr) vom Tatbestand erfasst mit der Folge, dass die Berufsgruppe der Apotheker aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausgefallen ist. Normadressat sind damit sowohl die akademischen Heilberufe, deren Ausübung eine durch Gesetz und Approbationsordnung geregelte Ausbildung voraussetzt (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten), als auch die sogenannten Gesundheitsfachberufe wie z.B. Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten, deren Ausbildung ebenfalls gesetzlich geregelt ist.
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Vorteile im Sinne der Vorschrift können neben schlichten Zahlungen etwa auch Einladungen zu Kongressen, die Übernahme der Kosten von Fortbildungsveranstaltungen131 oder die Einräumung von Vermögens- oder Gewinnbeteiligungen sein. Ein Vorteil kann zudem grundsätzlich auch im Abschluss eines Vertrages liegen, der Leistungen an den Täter zur Folge hat, und zwar selbst dann, wenn diese nur das angemessene Entgelt für die von ihm selbst aufgrund des Vertrags geschuldeten Leistungen sind.132 Demnach kann auch in der Verschaffung von Verdienstmöglichkeiten, die beispielsweise in der Teilnahme an einer unangemessen vergüteten Anwendungsbeobachtung (einer sog. Marketingstudie)133 und im Abschluss eines Behandlungsvertrags zu sehen sind, ein Vorteil liegen.
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Das bloße Anbieten (Versprechen oder Gewähren) ist für die Strafbarkeit allerdings nicht ausreichend, der Täter muss den Vorteil vielmehr als Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb anbieten, versprechen oder gewähren, erforderlich ist damit eine konkrete Unrechtsvereinbarung wie bei der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB. Da im Hinblick auf die neue Vorschrift der Bestechung im Gesundheitswesen gem. § 299b StGB einerseits erhebliche Unsicherheit und damit ein relevantes Compliance-Risiko besteht, andererseits der Anwendungsbereich auf die im Gesundheitswesen tätigen Unternehmen beschränkt ist, muss im Hinblick auf die Details auf vertiefende Literatur verwiesen werden.
g) Auslandskorruption
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Wie bereits in der Einführung aufgezeigt, hat die Internationalisierung der Korruptionsbekämpfung das nationale Strafrecht erheblich beeinflusst. Der sich aus der offiziellen Strafverfolgungsstatistik134 ergebende Eindruck einer nur geringen praktischen Relevanz täuscht. Nicht nur nimmt die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren stetig zu, insbesondere der Umfang der einzelnen Verfahren sowie die Konsequenzen sind erheblich. Ebenso spürbar wächst die Nachfrage im Bereich der Präventivberatung, bspw. nach der rechtlichen Bewertung von Korruptionsrisiken beim Abschluss von Agentur- oder Beraterverträgen im Auslandsgeschäft. Dies betrifft keineswegs nur börsennotierte Unternehmen, die gem. § 91 Abs. 2 AktG ohnehin verpflichtet sind, ein entsprechendes Risikomanagement zu betreiben, sondern insbesondere exportorientierte kleine und mittelständische Unternehmen.135 Seit einigen Jahren beherrschen allerdings in erster Linie die deutschen Konzerne die Schlagzeilen, die über eine US-amerikanische Börsenzulassung verfügen und insoweit aufgrund internationaler Korruptionspraktiken in das Visier der amerikanischen Behörden geraten sind. Im Bereich der internationalen Korruptionsbekämpfung bekleiden die USA bereits seit Jahren eine Vorreiterrolle, die sie nicht nur über ihre Gesetzgebung und den Einfluss auf die OECD, sondern auch und insbesondere mittels der Durchführung von Korruptionsverfahren gegen internationale Konzerne durchsetzen. Bereits im Jahr 1977 wurde mit dem Foreign Corrupt Practices Act (FCPA)136 ein Bundesgesetz geschaffen, das es natürlichen Personen wie auch amerikanischen Unternehmen verbietet, geldwerte Vorteile an ausländische staatliche Amtsträger zu erbringen, die den Zweck haben, den Zuschlag für ein Geschäft zu bekommen oder eine Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus verpflichtet das Gesetz alle in den USA börsennotierten Unternehmen zu einer den Antikorruptionsregeln des FCPA entsprechenden Buchführung. Die Antikorruptionsverfahren des Justizministeriums (DOJ) und der Börsenaufsicht (SEC),137 die bis zum Entzug der Börsenzulassung führen können, werden regelmäßig mit äußerst schmerzhaften Unternehmensgeldbußen (sowie der Verpflichtung zur Verbesserung der Compliance) abgeschlossen. Das sog. forum shopping der USA gerade in Korruptionsverfahren führt mitunter dazu, dass ausländische Unternehmen bereits dann der amerikanischen Strafjustiz unterliegen, wenn sie in den USA börsennotiert sind, selbst wenn sämtliche Korruptionshandlungen außerhalb der USA erfolgt sind. Etwa im Fall Daimler hat dies den USA – im Wege eines Vergleichs mit Justizministerium und SEC – Unternehmensgeldbußen i.H.v. 185 Mio. USD in die Kassen gespült. Im Fall Siemens138 hat ein US-Bundesgericht den börsennotierten Konzern im Jahr 2008 zu einer Unternehmensgeldbuße von 450 Mio. USD an das US-Justizministerium und einer Gewinnabschöpfung von 350 Mio. USD an die SEC, mithin einer Gesamtsumme von 800 Mio. USD, verurteilt.139 In Deutschland hat Siemens wegen seiner (Auslands-)Korruptionspraktiken