Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck
den noch schreibenden Mitgliedern unseres Kreises ein gutes Gelingen!
Über dieses Habilitationsprojekt hinaus bin ich meiner Familie und meinen Freunden sehr zu Dank verpflichtet. Herrn Prof. Dr. Eckart Bueren danke ich darüber hinaus für seine Bereitschaft zum fachlichen Austausch zum Kapitalmarktrecht. Dank für die Vermittlung von Kontakten bzw. Informationen gebührt Frau Tanja Van den Wouwer. Daneben danke ich den Herren Dr. Jonas Brückner, Andreas Eberhardt, Torsten Frey, André Klein, Dr. Dietmar Konrad, Dr. Hyungsung (Johannes) Na, Dr. Rodrigo Weihermann, Dr. Christoph Witzel sowie Ivan Zaloguin von Herzen dafür, dass sie dieses Projekt mit aufrichtigem Interesse als meine Freunde begleitet haben. Ebensolcher Dank gilt meinen Verwandten und Frau Margret Kratz. Der Dank gegenüber meinen Eltern und meinem Bruder Martin lässt sich gar nicht in Worte fassen.
Kurzfassung
Finanzinstrumente sind Produkte, die auf den Finanzmärkten gehandelt werden, und zugleich ein aufsichtsrechtlich definierter Regelungsgegenstand. Als Finanzmarktprodukte ermöglichen Finanzinstrumente Transaktionen mit erwarteten Kapitalflüssen. Die Erwartungen speisen sich aus Annahmen der Marktteilnehmer über wirtschaftliche Risiken. Das gilt unabhängig davon, um welche Finanzinstrumente es sich im konkreten Fall handelt (Aktien/Anleihen, Fondsanteile, Derivate usw.). Der Begriff des Risikos ist zudem im wirtschaftlichen Kontext wertungsfrei.
Aufsichtsrechtlich handelt es sich bei Transaktionen mit Finanzinstrumenten um einen nur teilweise greifbaren Regelungsgegenstand. Das deutsche Aufsichtsrecht dient als besonderes Ordnungsrecht dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems und verschiedenen Teil- und Zwischenzielen, die im EU-Recht oder im nationalen Recht festgelegt sind (Schutz des Vertrauens in die Stabilität von Finanzintermediären und in die Marktintegrität, Anlegerschutz usw.). Der Schutz hat durch verhältnismäßige Maßnahmen der Gefahrenvorsorge und -abwehr zu erfolgen. Jedoch ist zweierlei zu bedenken: Erstens beruhen Transaktionen mit Finanzinstrumenten auf Verträgen. Verträge dienen der Risikoteilung zwischen den Transaktionspartnern, können sich aber auch als Risikokanäle zum Nachteil Dritter – bis hin zu Systemgefährdungen – auswirken. Das macht eine gemeinsame Betrachtung der vertraglichen Selbstregulierung der Marktteilnehmer und der staatlichen Regulierung erforderlich. Zweitens handelt es sich bei Transaktionen mit Finanzinstrumenten um ein Marktgeschehen. Die relevanten Märkte können allerdings weiter abzugrenzen sein, als die deutsche Staatsgewalt reicht. In diesem Fall sind Wechselwirkungen verschiedener Rechtssysteme in Betracht zu ziehen.
Die Ausgestaltung der staatlichen und in diesem Kontext relevanten Regulierung erfolgt in der EU sowohl durch diese selbst als auch durch die Mitgliedstaaten. Die Regelungen des Aufsichtsrechts lassen sich in Bezug auf Risiken auf den Finanzmärkten und den rechtlichen Umgang damit kategorisieren. Den größten Umfang haben die Regelungen zur Gefahrenvorsorge. Diese sind im Wesentlichen gesetzlich festgelegt, sehr detailliert und umfassen Zulassungspflichten und andere Tätigkeitsbeschränkungen (= Risikoausschluss), Maßnahmen zur Risikokonzentration bzw. -neutralisierung, Transparenz- und Wohlverhaltenspflichten (Risikominderung). Hinzu kommen gesetzliche Generalklauseln, auf deren Basis die Aufsichtsbehörden Maßnahmen der Gefahrenabwehr ergreifen können. Außerdem kann das Steuerrecht gewisse Lenkungswirkungen entfalten. Auf internationaler Ebene ist das Aufsichtsrecht zunehmend harmonisiert. In Bezug auf die Gefahrenvorsorge weist das EU-Recht bzw. nationale Recht infolgedessen deutliche Parallelen zu Regelungen des U.S.-Rechts auf. Anders ist dies teilweise in Bezug auf die Ausgestaltung der behördlichen Befugnisse zur Gefahrenabwehr.
Der staatliche Regelungsrahmen wird durch die Selbstregulierung der Marktteilnehmer ergänzt. Diese sorgen individuell für ein Risikomanagement und etablieren daneben Marktstandards, vor allem durch den Einsatz von Modellverträgen. Die Selbstregulierung erfolgt aber im Eigeninteresse der jeweiligen Marktteilnehmer, kann also Gefahrenpotenziale senken wie auch erhöhen. Die Entscheidung, sie in den Regelungsrahmen einzubeziehen, kann zu Marktveränderungen beitragen. Dann muss eine Weiterentwicklung der staatlichen Regulierung diesen Veränderungen Rechnung tragen.
Eine besondere Herausforderung für den aus staatlicher Regulierung und Selbstregulierung gebildeten Regelungsrahmen stellen „innovative Finanzinstrumente“ dar. Ausgehend vom Begriff der „Finanzinnovation“ lassen sich so Finanzinstrumente bezeichnen, die eine neuartige Risikostruktur aufweisen. Aus einer solchen Risikostruktur ergeben sich neue Gewinn- und Verlustmöglichkeiten für die Transaktionsbeteiligten, aber auch neue Möglichkeiten für Nachteile Dritter. Aufsichtsrechtlich ist die neuartige Risikostruktur dann relevant, wenn die Marktteilnehmer durch den Einsatz des neuen Finanzinstruments Kosten reduzieren (bzw. verlagern), die für sie bei einer wirksamen Gefahrenvorsorge bzw. -abwehr eigentlich anfallen müssten. Dies kann dadurch geschehen, dass sie aufsichtsrechtliche Regelungen umgehen (Regulierungsarbitrage) oder dass sie die Transaktion von bestimmten Rechtsordnungen entkoppeln, z.B. durch internationale Modellverträge mit Rechtswahlklauseln und eigenständigen Streitschlichtungsmechanismen.
Der Staat behält in den genannten Fällen zwar seine Regulierungsverantwortung und sollte (darf?) auf aufsichtsrechtlichen Rechtsgüterschutz nicht verzichten. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, wie der Staat aufsichtsrechtlich reagieren kann. Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand innovativer Finanzinstrumente ergibt sich dies aus einer Gesamtschau, die teilweise über das nationale Aufsichtsrecht hinausgeht und Marktregulierung in anderen Rechtsordnungen und die Selbstregulierung der Marktteilnehmer einbeziehen muss. Die staatliche Regulierung kann sich zudem nicht darauf beschränken, an bestimmte Institutionen (z.B. Banken, Versicherungen, Fonds) oder Transaktionen anzuknüpfen. Sie muss vielmehr die wirtschaftlichen Funktionen in den Blick nehmen, die mit Transaktionen mit innovativen Finanzinstrumenten verfolgt werden. Das bedeutet, dass die verfügbaren Regulierungsinstrumente nach ihren wirtschaftlichen Auswirkungen ausgewählt und angewendet werden. In Fällen, in denen die Marktteilnehmer innovative Finanzinstrumente in einer Weise einsetzen, durch die sie bestehende Regelungen umgehen, kann es zur Gefahrenvorsorge also geboten sein, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich bestehender Regelungen ausweitet. Wo es sogar zu Gefahren kommt, bleibt daneben die behördliche Anwendung der Generalklauseln wichtig. Soweit die Marktteilnehmer sich hingegen von einzelnen Rechtsordnungen unabhängig machen, erscheinen vor allem behördliche Kooperationen und die Abstimmung mit internationalen Branchenorganisationen der Marktteilnehmer zielführend. Die Einbindung der Marktteilnehmer bedeutet dabei jedoch nicht, dass der Staat seinen Regelungsanspruch aus Rücksicht auf die Interessen Privater zurücknehmen darf. Eine so verstandene öffentlich-private Partnerschaft wäre problematisch.
Auch wenn die Marktteilnehmer sich mit innovativen Finanzinstrumenten dem bestehenden Regelungsrahmen entziehen, ist eine Regulierung mit dem Ziel eines effektiven aufsichtsrechtlichen Rechtsgüterschutzes somit möglich. Der Sachverhalt stellt aber hohe Anforderung an die Implementierung dieser Regulierung. Erfolge lassen sich jedenfalls nicht garantieren.
Kap. 1 Einleitung
Finanzmarktaktivitäten unterliegen einer aufsichtsrechtlichen Regulierung. In den Jahren seit Ausbruch der Finanzkrise ist immer wieder gefordert worden, dieses Aufsichtsrecht müsse auf Basis eines „funktionalen“ Verständnisses weiter entwickelt werden. Die Regulierung müsse z.B. dem Umstand Rechnung tragen, dass liquide Finanzmärkte für Unternehmen ähnliche Funktionen wie Banken in Hinblick auf Anlagemöglichkeiten und Liquiditätsbeschaffung erfüllen. Finanzinstrumente könnten eingesetzt werden, um Kapital zu beschaffen, aber auch, um Risiken zu transferieren oder um einen wirtschaftlichen Einfluss zu erwerben. Es genüge also nicht, wenn die Regulierung an formalen Kategorisierungen festhalte, ohne die Funktionen zu berücksichtigen, die Unternehmen und Transaktionen im jeweiligen Zusammenhang am Markt erfüllen.1
Das bestehende Aufsichtsrecht folgt bisher keiner – wie auch immer ausgestalteten – „funktionalen“ Systematik. Es enthält einerseits Regelungen für Banken, Versicherungsunternehmen und die Anbieter gemeinsamer Anlagen (Investmentfonds) usw. (institutsbezogener Ansatz) und andererseits Vorgaben für den Wertpapierhandel und andere Geld- und Kapitalmarktaktivitäten (marktbezogener Ansatz). Damit kommt es z.B. für das Eingreifen der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen darauf an, ob ein Marktteilnehmer eine Zulassung als Bank benötigt bzw. besitzt. Eine Tätigkeit, die nicht rechtlich, sondern ausschließlich wirtschaftlich