Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck
Debt Obligations – SCDO u.Ä.)
Eine Möglichkeit für Emittenten, die Vorteile von Tranchierungsverbriefungen mit dem Schutz durch Kreditderivate zu kombinieren, bietet der Einsatz von Synthetic Collateralized Debt Obligations (SCDO). Die Instrumente werden auch als Collateralized Synthetic Obligations (CSO) bezeichnet.333 Zum Teil wird bei Instrumenten auch einfach von CDO gesprochen, wodurch sich allerdings Abgrenzungsprobleme zu Produkten ohne derivative Komponente ergeben. Bei den hier relevanten Instrumenten handelt es sich erneut um hybride Kreditprodukte, nämlich eine Anleihe mit hineinstrukturiertem Kreditderivat (z.B. CLN), die von einer Zweckgesellschaft emittiert wird.334
1. Merkmale und Arten
SCDO werden im Wesentlichen wie CDO ohne derivative Komponente (Cash CDO) strukturiert. Allerdings geht es hier nicht um die Übertragung des Basisportfolios auf die Zweckgesellschaft, sondern um die Übertragung des Kreditrisikos eines Referenzportfolios mittels Kreditderivaten (i.d.R. CDS oder CLN).335 Deshalb sind diese Produkte in ihrer Reinform nicht vorfinanziert (unfunded).336 Die Zweckgesellschaft verbrieft die Risiken in gebündelter Form und verkauft daraus strukturierte Kreditderivate. Eine Tranchierung – mit Emission einzelner Derivate für jede Tranche – kann erfolgen, doch ist das nicht notwendig der Fall. Zur Refinanzierung kann die Zweckgesellschaft die von den Investoren erhaltenen Gelder (Emissionserlös) in den Erwerb hochqualitativer Vermögenswerte (z.B. Staatsanleihen, Pfandbriefe) investieren, die als Sicherheiten (collateral) für eventuelle Ausgleichszahlungen an den Sicherungsnehmer und als Besicherung für die Rückzahlung an die Investoren dienen.337 Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, auch Tranchen künstlich mit Sicherheiten zu unterlegen, indem in Höhe der Tranche ein collateral pool angelegt wird, dem in der Regel Vermögenswerte (assets) höchster Qualität zugeführt werden. Das eröffnet Investoren die Möglichkeit zur Anlage in SCDO, die sonst aufgrund anlagerechtlicher Beschränkungen in solche Produkte nicht investieren dürften.338
Die Kreditgeber (Banken) als Sicherungsnehmer zahlen der Zweckgesellschaft häufig einen Kreditausfallaufschlag für die Übernahme des Ausfallrisikos. Im Gegenzug übernimmt die Zweckgesellschaft eine Verpflichtung, nach der Haftung einer geringen Erstrisikoposition des Kreditgebers Verluste in Höhe eines gewissen Anteils des Referenzportfolios (5–10 %) zu decken. Das Referenzportfolio ist bei den meisten SCDO wesentlich größer als die Schuldtitelemission.339 Die Zweckgesellschaft leitet an die Investoren, wenn es zu keinen Ausfällen kommt, zunächst die Zahlungen weiter, welche die Schuldner an den Inhaber des Referenzportfolios leisten. Hinzu kommt eine von diesem geleistete Swapprämie für den in die synthetische Anleihe hinein strukturierten Risikoschutz. Bei Ausfällen werden die Erträge aus dem Portfolio zur Befriedigung des Portfolioinhabers genutzt. Die Weiterleitung der Schuldnerzahlungen ist allerdings nicht zwingend im Sinne einer Weiterleitung echter Zahlungen zu verstehen, sondern dürfte sich typischerweise auf einen Bestandteil der Swapprämie beschränken, von dem Abzüge bei Eintritt eines im Kontrakt definierten Kreditereignisses erfolgen.340 Die verbleibenden Vermögenswerte werden je nach Ausgestaltung bei Fälligkeit der SCDO auf die Investoren übertragen.
Ebenso wie bei sonstigen CDO-Strukturen gibt es auch bei SCDO verschiedene Weiterentwicklungen. So ist z.B. auch bei diesen Produkten eine Wiederverbriefung möglich (SCDO2). Infolge der Finanzkrise sind sonstige Produkte, die zuvor für investorengetriebene Arbitragetransaktionen verwendet worden waren, allerdings wieder aus dem Markt verschwunden.341 Dies gilt namentlich für CDO-Konstruktionen mit dynamischer Hebelung (Constant Proportion Debt Obligation – CPDO) oder mit einer Superhebelung der Seniortranche (Leveraged Super Senior Securities – LSSS).342
2. Wirtschaftliche Funktionen
SCDO sind vergleichsweise komplexe Produkte und werden in der Regel durch die Zweckgesellschaften von Banken angeboten. Diese können solche Instrumente zur Verlagerung von Risiken auf den Kapitalmarkt nutzen, um dadurch die sie treffenden Eigenkapitalanforderungen zu verringern. Daneben können sie unsystematische Risiken eingrenzen und mithin besser steuern.343
Ausgehend von diesen allgemeinen Funktionen, die für die Entwicklung von SCDO treibend gewesen ist, ist wie nachfolgend dargestellt zu unterscheiden.344 Dem Assetgeber dienen SCDO dazu, Portfoliorisiken abzusichern. Dagegen haben SCDO in Reinform für ihn keine Finanzierungsfunktion, weil die Übertragung des Kreditrisikos im Vordergrund steht. Insofern sind sie abzugrenzen von SCDO mit lediglich einem synthetischen Teilportfolio (bucket), bei denen das Gesamtportfolio der verbrieften Aktiva sowohl aus realen als auch synthetischen Forderungen besteht. Das mit solchen Produkten verfolgte Ziel ist die bessere Diversifikation des Portfolios.345 Dem Investor ermöglichen SCDO – sofern sie, wie heute üblich, über ein relativ großes Referenzportfolio verfügen – eine eher risikoarme Anlage mit sicherem Zahlungsprofil.346
Aktiv verwaltete SCDO können vom Assetgeber schließlich nicht nur zu Zwecken des Risikomanagements eingesetzt werden, sondern ermöglichen darüber hinaus eine Arbitrage zwischen Anleihen mit und solchen ohne Investmentqualität. Dieser Einsatzzweck ist in Europa allerdings nicht verbreitet und nach der Finanzkrise insgesamt bedeutungslos geworden.347
3. Risiken beim Einsatz
Bei der Einschätzung der aufsichtsrechtlich relevanten Gefahren sind die Überlegungen zu CLN und zu Tranchierungsverbriefungen zu kombinieren. Die Risikosituation ist bei SCDO also in den meisten Fällen besonders schwierig zu überblicken.
a) Risiken im bilateralen Verhältnis und Risikoexternalisierung
Ähnlich wie bei nicht-synthetischen (Cash) CDO erscheint es bei synthetischen CDO grundsätzlich leicht möglich, dass es zu Risikoexternalisierungen kommt. Denn es handelt sich, wie gesagt, um vergleichsweise komplexe Produkte, bei denen die Risikobewertung eine Berücksichtigung der Risiken von Tranchierungsverbriefungen und Kreditderivaten erfordert.
In Bezug auf Cash CDO wurde insbesondere auf das bestehende Informationsgefälle zwischen Emittenten und Investoren hingewiesen.348 Aus diesem Grund ist es auch wesentlich schwieriger für Investoren in SCDO – im Gegensatz zu CLN-Investoren –, die Risiken der erworbenen Finanzinstrumente selbst einzuschätzen und Bewertungsfehler auf der Emittentenseite zu erkennen (Möglichkeit zur Negativselektion). Darüber hinaus können sich für die Banken, welche die zu verbriefenden Kreditrisiken zur Verfügung stellen, die Anreize zur fortgesetzten Risikokontrolle vermindern (moralische Risiken). Die bestehenden Informationsasymmetrien können somit Ursache dafür sein, dass Risiken sowohl bei der Anlage in SCDO als auch noch im Anschluss auf die Investoren übergewälzt werden.
Hinsichtlich der Risiken, zu deren Überwälzung es grundsätzlich kommen kann, sind allerdings gewisse Abweichungen zu Cash CDO zu beobachten. So sind SCDO in Reinform eben nicht mit verbrieften Forderungen (z.B. Anleihen) als Sicherheiten unterlegt, sondern nur mit Kreditderivaten. Außerdem verfügen sie zwar, wie gesagt, über ein großes Referenzportfolio als Sicherheitenpool (collateral pool), doch können sich zusätzliche Risiken bei einer für die Investoren ungünstigen Verwaltung der Sicherheiten ergeben.
In der Vergangenheit sind die Möglichkeiten zur Risikoabwälzung im Rahmen von SCDO-Transaktionen unterschätzt worden (ebenso wie bei Cash CDO).349 Ein frühes Beispiel steht im Zusammenhang mit dem Enron-Skandal, der auf Bankenseite in der Folge zu einer Reihe von Rechtsstreitigkeiten führte. Ein solcher Rechtsstreit betraf eine SCDO-Struktur, innerhalb derer eine Zweckgesellschaft eine erste Klasse von CLN an Investoren und in geringerer Zahl eine zweite Klasse von CLN an die Kreditgeber von Enron (= Banken) ausgab. Die Zweckgesellschaft kaufte aus den Emissionserlösen hochqualitative Vermögenswerte und stellte zugleich Ausfallabsicherungen in Form von CDS zugunsten der Enron-Kreditgeber aus. Die Insolvenz von Enron war als Kreditereignis definiert. Beim Eintritt des Kreditereignisses erhielten die Kreditgeber von der Zweckgesellschaft eine Auszahlung aus den