Sicherheit für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst . Dorothee Dienstbühl
Alltäglichen, der sicheren Routine und der Kontrolle. Das bedeutet aber auch, dass Wachsamkeit das Schreckempfinden reduzieren und somit die Reaktionsfähigkeit steigern kann. Ihre Wachsamkeit und Aufmerksamkeit zur Umgebung können Sie jeden Tag trainieren. Dabei geht es nicht darum, fremde Menschen als potentielle Gefahr zu denunzieren. Es geht darum, gegenüber sich selbst und seinem nahen Umfeld aufmerksam sein. Beispielsweise haben sie einen Gesprächstermin mit einem Studierenden, den Sie nicht kennen. Sie werden ihn ohnehin beobachten, seine Mimik und Gestik. Hinterfragen Sie das, was Sie registrieren. Wie nähert er sich Ihnen? Wie wirkt seine Stimme auf Sie? Hält er den gewünschten Abstand zu Ihnen ein? Wenn Ihnen etwas nicht behagt – was ist es? Und was macht das Nicht-Behagen mit Ihnen?
Der Kriminalpsychologe Uwe Füllgrabe spricht hierbei von einer „gelassenen Wachsamkeit“,10 die das eigene Sicherheitsempfinden steigern kann. Dabei empfiehlt er die gezielte Suche nach Informationen in einer Situation, die Sie hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials einschätzen müssen. Welche Information ist in diesem Moment für Ihre persönliche Einschätzung wichtig? Die Fokussierung auf für Sie wissenswerte Informationen lässt Sie
– aktiver beobachten,
– ruhiger werden,
– baut den empfundenen Stress ab und verändert dadurch Ihr Auftreten.
Bereits diese Fähigkeit des aktiven Beobachtens stärkt Ihr Sicherheitsempfinden nachhaltig. Daneben müssen Sie über geeignete Mittel zur Gefahrenabwehr verfügen. Gemäß der Prämisse, stets das mildeste Mittel zu verwenden, kann schon eine gezielte Rhetorik ausreichen. Deswegen lohnen sich Schulungen in deeskalativer Rhetorik und Verhaltensweisen in Konfliktsituationen.
Aggression und Gewalt und ihr Verhältnis zueinander sind ein ewiges Streitthema in der psychologischen Forschung. Während beispielsweise Sigmund Freud davon ausging, dass Aggressionen zur menschlichen Natur gehören, sehen das Psychologen, wie Joachim Bauer anders.11 Er und weitere Psychologen sehen alles, was als Kränkung empfunden wird (Gefühl der Ausgrenzung, Benachteiligung oder Demütigung), als Auslöser für Aggressionen und damit für Gewalthandlungen. Gewalt ist demnach Aggression, die extremen Schmerz zum Ziel hat.12 Aggressionen als Emotionen müssen jedoch nicht zwangsläufig in Gewalt münden. Nach Hans-Peter Nolting ist Aggression in seiner Bedeutung ein eher ein weiter und Gewalt ein bereits eingeengter Begriff.13
Weitere Definitionen von Gewalt sind beispielsweise jeder „zielgerichtete direkte physische Schädigung von Menschen durch Menschen“14 oder der „Einsatz physischer und psychischer Mittel, um einer anderen Person gegen ihren Willen
a) Schaden zuzufügen,
b) sie dem eigenen Willen zu unterwerfen (sie zu beherrschen) oder
c) der solchermaßen ausgeübten Gewalt durch Gegengewalt zu begegnen“.15
Jede Gewalt ist demnach Aggression, aber nicht jede Aggression ist Gewalt. Dass Menschen aggressiv auffällig sind, kann ganz unterschiedliche Ursachen haben, von mangelnden kommunikativen Fähigkeiten bis hin zu Ursachen, die mit entsprechenden Erlebnissen in der Kindheit zusammenhängen. Menschen, die schnell aggressiv reagieren, haben häufig diese Erlebnisse nicht im Prozess des Erwachsenwerdens aufgearbeitet. Natürlich gibt es Personen, die ihr Gegenüber in allen möglichen Situationen als kränkend wahrnehmen und entsprechend schnell aggressiv reagieren. Andere Menschen definieren ihr Selbst durch gewalttätiges Verhalten, um andere Menschen zu erniedrigen und zu verletzen und sich selbst dadurch zu erhöhen.16
Vor diesem Hintergrund kann die Dimension von Gewalt und Aggression anhand folgender Kriterien differenziert eingeordnet werden:
1. Motivationale Hintergründe,
2. Involvierte Personen und
3. Kontexte, in denen sie stattfinden.17
Als Form der Kommunikation kann sie eigenes Unvermögen, eine Angelegenheit anders zu regeln offenbaren, ein Mittel zur Selbstdarstellung sein und um Aufmerksamkeit zu erlangen, oder um Solidaritätseffekte hervorzurufen. Die Form von Gewalt wird durch die Absicht (bewusst oder unbewusst) des Täters bestimmt:
• Zweckrational: Gewalt als Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen und zur Maximierung eigener Vorteile.
• Wertrational: Gewalt dient der Befolgung vorgegebener Normen oder der Durchsetzung eigener Wertvorstellungen.
• Expressiv: Gewalt ist Selbstzweck (z. B. verabredete oder bewusst herbeigeführte Schlägereien).
• Affektiv: Die Gewalthandlung erfolgt „im Affekt“, d. h. unkontrolliert und ungeplant unter Einfluss starker Emotionen wie z. B. Wut.18
Formen von Gewalt am Arbeitsplatz sind vielfältig. Eine allgemein gültige Definition existiert bisweilen nicht.
Gewalt am Arbeitsplatz unterscheidet zwischen interner und externer Gewalt: „Jede Aktion, jeder Vorfall oder jedes Verhalten, das von einem angemessenen Verhalten abweicht und mit dem eine Person angegriffen, bedroht, beschädigt oder verletzt wird – und zwar während der Arbeit oder in direkter Folge davon. Interne Gewalt am Arbeitsplatz ist die unter Beschäftigten. Externe Gewalt am Arbeitsplatz findet zwischen Beschäftigten und einer anderen Person, die am Arbeitsplatz präsent ist, statt.“19
Nicht jede Gewalt erfolgt physisch und nicht jede ist strafrechtlich zu ahnden. Zudem ist sie zu unterscheiden in physische/tätliche und psychische Gewalt:
Physische Gewalt bzw. tätliche Angriffe sind
• Treten/Schlagen/Stoßen
• Angriffe mit Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen
• Werfen mit einem Gegenstand
• Handgreifliche sexuelle Belästigung (z. B. unsittliche Brührungen bis hin zur Vergewaltigung)
• Kontakt mit Körperflüssigkeiten (z. B. anspucken)
Psychische und damit nicht-tätliche Angriffe sind:
• Anschreien/verbale Provokation
• Bedrängen/Umzingeln (ohne zu berühren)
• Nachstellen
• Beleidigung und Verleumdung (direkt und indirekt)
• Sexuelle Gewalt ohne Körperkontakt (verbal/nonverbal)
• Androhen körperlicher Gewalt
• Androhen von Anzeigen
• Foto- bzw. Videografieren (zur Provokation oder als Drohgebärde)
• Miterleben von Gewalt gegen Kollegen
Gerade nicht-tätliche Aggressionen werden vom Empfänger nicht zwangsläufig als Gewalt betrachtet, insbesondere dann, wenn sie nicht besonders intensiv oder aber ein beispielsweise aggressiver Ton, bzw. Beleidigungen bereits zum Alltag gehören. Zudem kann Gewalt systematisch und nicht nur als einzelner Akt ausgeübt werden. Gewalt kann unter Kollegen, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen oder durch Dritte wie z. B. Klienten, Kunden, Patienten oder Schüler stattfinden. Sie kann von einer oder mehreren Personen ausgehen.
4. Angst und die Reaktionsmuster in Gefährdungssituationen
Nicht nur das Gewaltverhalten kann typisiert werden, auch das Verhalten der Betroffenen von Gewalt. Wie wir uns in einer Gefahrensituation verhalten, hängt, insbesondere