Sicherheit für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst . Dorothee Dienstbühl

Sicherheit für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst  - Dorothee Dienstbühl


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Kontrolle haben.20 Gefährdung verursacht Angst, Angst verursacht wiederum eine Stressreaktion. Evolutionsbiologisch betrachtet ist das Empfinden von Angst ein Warnsignal, um den Menschen auf eine drohende Gefahr vorzubereiten.21 So betrachtet ist sie etwas Gutes. Tatsächlich hätten die Menschen früher nicht ohne Angst überleben können. Und auch heute noch warnt uns die Angst vor Risiken.

      Diese kann sich in Angriff, Flucht22 oder Starre23 äußern. Akuter Stress führt dazu, dass eine Person nicht mehr im Denkprozess Alternativen abwägen kann. Stressreaktionen aus Angst äußern sich unter anderem durch Pulsbeschleunigung, Erweiterung der Pupillen und Händeringen; psychisch wirkt sie als Gefühl des Entsetzens und der Ausweglosigkeit. Angst ist aber nicht nur eine lähmende, sondern auch eine mobilisierende Emotion. So sind Menschen, die sich vor einer drohenden Gefahr ängstigen, manchmal zu Leistungen fähig, die ihnen unter normalen Umständen nicht möglich gewesen wären. Der Körper übernimmt das Kommando. In riskanten oder als riskant empfundenen Situationen schütten die Nebennieren die Hormone Adrenalin und Noradrenalin aus. Das Herz schlägt dann schneller und das Blut bindet mehr Sauerstoff. Der Körper ist damit besser in der Lage, sich zu verteidigen oder zu fliehen. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort, wonach Angst Flügel verleiht. Sie ist aber wegen ihrer Warnfunktion oft lebensrettend. Angst überkommt den Menschen meist unfreiwillig und unkontrolliert.24 Zur Flucht oder zum Angriff benötigt der Körper Energie. Entsprechend wird das Blut in die Körpermitte und die Beine gepumpt (deswegen auch kalte Hände und kalter Schweiß). Alle überflüssigen Systeme werden runtergefahren, wie das Immunsystem und die Verdauung. Starre hat regelmäßig einen schlechten Ruf als Stressreaktion. Doch auch sie kann in einer akuten Gefahrensituation lebensrettend sein. Bei dieser Reaktion wird der Puls heruntergefahren, Denken und Schmerzempfinden werden kurzzeitig ausgeschaltet und auch Erinnerungen danach sind kaum oder gar nicht vorhanden. Übernimmt der Stress die Kontrolle über den Körper, hat man sie selbst verloren. Gerade dieses Gefühl ist häufig auch in späteren Betrachtungen besonders problematisch für einen Menschen, der eine solche Situation durchlebt hat.

      Aus der Angst heraus jedoch Entscheidungen zu treffen, ist gleichzeitig problematisch. Der Volksmund kennt daher den Spruch: „Angst ist ein schlechter Berater“. Dies ist insofern richtig, wenn Angst die Perspektiven einschränkt.25 Deswegen ist es wichtig, dass Menschen ihre Ängste kennen- und verstehen lernen.

      Die Emotionspsychologie unterscheidet zwei Gründe für das Empfinden von Angst: Manche Menschen bekommen aus übergroßer Ängstlichkeit Angst. Andere verspüren Angst in einem Moment tatsächlicher, akuter Bedrohung. Jeder Mensch reagiert auf empfundenen Stress, der durch das Gefühl, bedroht zu werden, hervorgerufen wird, zunächst anders. Einige Hilfestellungen und Tipps können Ihnen helfen, sich umsichtig zu verhalten, bewusster reagieren zu können und sich dadurch sicherer zu fühlen.

      Konflikte, die zu aggressivem Verhalten und Gewalt führen, können aus der Interaktion entstehen. Dies bezeichnet man als Eskalation (aus dem Französischen Escalier = Treppe), also die Steigerung einer, zunächst möglicherweise rein sachlichen, Auseinandersetzung bis hin zu ihrer Zuspitzung, die in Gewalt münden kann. Solche Situationen sind Mitarbeitern im öffentlichen Dienst hinlänglich bekannt: Die Ablehnung eines Antrages, ein Negativ-Bescheid, eine Auskunft, die sich der Fragende anders vorgestellt oder gewünscht hat und schon kommt es zur Auseinandersetzung. Doch nicht nur der sachliche Inhalt einer Nachricht kann eine Eskalationsdynamik in Gang setzen, viele weitere Faktoren, die sowohl durch die Kommunizierenden als auch die Umgebung verursacht werden, können die Zuspitzung verstärken. Häufig wirkt sich auch die mangelnde Transparenz von Verwaltungsabläufen negativ auf das Verhältnis zwischen Behördenmitarbeiter und Bürger aus. Zu häufig können Menschen die Verwaltungsabläufe nicht nachvollziehen, wie auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa in Nordrhein-Westfalen ergab. Demnach gaben nur 26 Prozent der befragten Personen an, dass sie Verwaltungsabläufe als nachvollziehbar empfänden; 68 Prozent gaben an, dass sie die Prozesse für kompliziert und nicht nachvollziehbar halten.26

      Eskalierend wirken sämtliche Faktoren, die das aktuelle Wohlbefinden stören:

      • Stress (z. B. durch Zeitdruck, bisherigen Tagesablauf, aktuelle Lebenssituation usw.)

      • Hitze/Kälte

      • Bedrängnis/räumliche Enge

      • Menschenmengen

      • Schmerzimpulse/Schmerzempfinden

      • Übelkeit

      • Orientierungslosigkeit

      • Stress/Unsicherheit

      • Lärm/Störgeräusche/schrille Stimmen

      • Unhöflichkeit

      • Verweigerung/Abweise

      • Verständigungsprobleme/Sprachbarrieren

      • Ignoranz

      • empfundene Ungerechtigkeit

      • Zwang

      • schlechte Laune/Frustration

      • Antipathie

      • Unsensible Art/schroffer Ton

      • offensive, abweisende Gestik

      • u. v. m.

      Befindet sich eine Person aufgrund o. g. Faktoren, die überhaupt nichts mit Ihnen und der Behörde zu tun haben müssen, in der Sie sich gerade befinden, werden Sie die Person kaum auf sachlicher Ebene erreichen können. Hier ist es wichtig, zunächst auf das Befinden einzugehen und Ihr Gegenüber aus seinem emotionalen Stress herauszuführen. Auch wenn Sie die Person als unhöflich wahrnehmen, im Erwachsenenalter und ohne konkreten erzieherischen Auftrag liegt es nicht an Ihnen, ihm Manieren beizubringen. Bleiben Sie ruhig, bestimmt, bringen Sie ein bestimmtes Maß an Verständnis für die Situation der Person auf und geben Sie ihm damit auch die Möglichkeit, sich nicht nur zu fangen, sondern auch, sich zu entschuldigen.

      Wenn es möglich ist, sollte eine Eskalationsdynamik frühzeitig unterbrochen werden, auch wenn das bedeutet, besonders zuvorkommend auf einen Aggressor eingehen zu müssen.

      Deeskalierend wirken Faktoren, die das Wohlbefinden des Gegenübers steigern:

      • Höflichkeit

      • Sensibilität

      • Befindlichkeit des Anderen erkennen

      • Verständnis zeigen, ohne dem anderen Recht (auch für sein Auftreten) zu geben

      • sicheres Auftreten

      • Aufmerksamkeit

      • Kompetentes Auftreten

      • Offene Körpersprache/ruhige Gestik/Position der Hände

      • angepasste, freundliche Mimik (lächeln, wenn es passt, nicht gezwungen)

      • gepflegtes Äußeres

      • angepasster Ton/moderate Stimmlage

      • Aufrichtigkeit (keine falschen Komplimente machen; das Gegenüber merkt sowas meistens)

      • ruhige Gesprächsatmosphäre

      • Verfügen von Wahlmöglichkeiten

      • u. v. m.

      Meist stehen uns nur diese simpel und allgemein bekannt wirkenden Verhaltensweisen zur Verfügung. Auch bei wütenden Menschen können sie aber helfen, sich wieder zu beruhigen. Sobald es in den Bereich verbaler Drohungen oder


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