Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen. Sebastian Louven
für im Internet übertragene Inhalte ist und dem Nutzer die einfache Wahrnehmung von über das Internet bereitgestellten Inhalten mittels einer Browser-Anwendung ermöglicht.49 Die Nutzung erfolgte dabei zunächst hauptsächlich statisch in Form der einfachen Bereitstellung und Verwaltung von Inhalten.50 Es handelte sich also zunächst um ein alternatives Medium, über das sich Nutzer Informationen beschafften. Zunehmend wandelte sich dieses Nutzungsverhalten und Anbieter wie Nutzer gingen zu einem stärkeren Austausch an Informationen untereinander und einer stärkeren Vernetzung miteinander über, wobei sie sich immer mehr der Funktionen von Intermediären wie zum Beispiel Forenbetreibern, Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken bedienten. Für diese Entwicklung wird auch die Bezeichnung Web 2.0 verwendet.51 Zunehmend werden unter dem Schlagwort „Internet der Dinge“ neuere technologische Entwicklungen zusammengefasst, die sich mit der Vernetzung weiterer Akteure, Gegenständen oder Maschinen befassen.52 Außerdem werden in der Internet-Wirtschaft zunehmend Ressourcen oder Kapazitäten vernetzt, um sie in einem größeren Zusammenhang nutzen zu können, wie dies bei Cloud- oder Distributed-Ledger-Technologien der Fall ist. Die Nutzung digitaler Plattformen durch ihre Nutzer wird damit stetig dynamisiert.
1. Internet und Infrastruktur
Das Internet ist die grundlegende Infrastruktur der Digitalisierung und der „digitalen Revolution“.53 Es ermöglicht den Austausch von als binären Codes abgespeicherten Informationen, sogenannter Bits54, zwischen verschiedenen an das Internet angebundenen Computern oder anderen Endgeräten. Dies erfolgt zum einen über ein weltweites dezentrales Netzwerk an miteinander verwobenen physischen Kommunikationsinfrastrukturen und zum anderen durch die Verwendung einheitlicher Transportprotokolle aus der sogenannten Internetprotokollfamilie. Typische physische Infrastrukturen sind zum Beispiel Kabel oder Funkmasten zur Realisierung von Festnetz- und Mobilfunk-Telekommunikation.55 Mit dem Internet verbundenen Geräten wird eine IP-Adresse zugewiesen, mittels derer sie über das Internet Informationen austauschen können.56 Hierbei wird das sogenannte Internet Protokoll (IP) verwendet, das eine verbindungsunabhängige Adressierung der Daten ermöglicht.57 Verbindungsunabhängige Adressierung bedeutet, dass diese Weiterleitung nicht über eine spezifische für diese konkrete Informationsübermittlung vorgesehene Leitung erfolgt. Stattdessen werden die Datenpakete über alle zum Übermittlungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Infrastrukturen als ein einheitlicher Bitstrom transportiert.58 Hierfür werden die über das Internet zu transportierenden Informationen in bestimmten Formaten abgespeichert, den Paketen. Die einzelnen Pakete werden dabei mit den nötigen Informationen versehen, die den mit dem Internet verbundenen Infrastrukturen eine Weiterleitung an das vorgesehene Ziel ermöglicht. Moderne internetgestützte Angebote wie unter anderem Streaming-Plattformen oder Internet-of-Things-Dienste benötigen dabei zunehmend höhere Übertragungsraten. Verbindungsunabhängig bedeutet für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung, dass darauf aufbauende Geschäftsmodelle nicht mehr aus technischen Gründen den Betrieb einer eigenen Verbindungsinfrastruktur voraussetzen, sondern auf den öffentlich bereitgestellten physischen Infrastrukturen anderer Anbieter aufbauen können.59
Die Telekommunikationsinfrastruktur hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten ebenso stark verändert. Die meisten Netze wurden mittlerweile auf einen IP-basierten Datenaustausch umgestellt, sodass der Datentransport nunmehr flächendeckend paketorientiert erfolgt. Auch die physischen Möglichkeiten der Infrastruktur haben sich entwickelt. Herkömmliche Kupferkabel können mittels neuerer DSL-Technologien für höhere Bitraten verwendet werden, also mehr Informationen schneller transportieren. Die bereits für das Angebot von Kabel-Fernsehen bestehende Infrastruktur, also ursprünglich für Pay-TV verwendete monodirektionale Koaxialkabel60, konnte durch die Einführung eines Rückkanals auch für das Internet aufgerüstet werden. Besonders hohe Bitraten lassen sich mit Glasfaserkabeln, sogenannten Lichtwellenleitern, erzielen. Ebenso steigen die Übertragungsraten im Mobilfunkbereich zunehmend und ermöglichen für mobile Endgeräte den schnellen Austausch hoher Datenmengen unter Teilnahme einer großen Nutzeranzahl.61 Damit einher gehen sinkende Kosten für den Betrieb dieser Infrastrukturen bei gleichzeitig steigender Flexibilität hinsichtlich der übertragbaren Daten.62
2. Informationstechnik
Als Informationstechnik können für den Zweck dieser Untersuchung diejenigen physikalischen Ressourcen und Kapazitäten zusammengefasst werden, die der Verarbeitung von Informationen oder allgemein der Bewältigung von Rechenaufgaben dienen. Hierzu gehören zunächst Computer sowie weitere Geräte, die mittels Chip-Technologie nach einer Eingabe vorgegebene Aufgaben selbstständig lösen können. Werden Daten über das Internet, also durch IP-Routing, ausgetauscht, müssen die aufgrund des Transportprotokolls vorgegebenen Informationen durch selbstständig im Netzwerk angeschlossene Computer, zum Beispiel Router, Server oder Switche, umgesetzt werden.
Etwa seit Beginn des 21. Jahrhunderts werden zunehmend Technologien zur mobilen Internetanbindung und -nutzung eingesetzt. Dies hat zu einer Entwicklung von leistungsstärkeren Computer-Chips für mobile Endgeräte geführt.63 Zum Beispiel werden Rechner nicht mehr bloß stationär an einem Schreibtisch verwendet, sondern können von dem jeweiligen Nutzer transportiert werden. Smartphones kombinieren bisherige Mobilfunk-Telefone mit Computer-Technologie und Breitband-Internetanbindung. Dies führte zu einer noch stärkeren persönlichen Vernetzung der Smartphone-Nutzer mit der weiteren Folge, dass eine Vielzahl an Internetdiensten ihr Angebot auf diese Endgeräte erweiterte und Apps für Smartphones anbot. Die zunehmend mobile Anbindung der Informationstechnik ist Ausdruck der Dynamisierung der Nutzung digitaler Plattformen.
3. Protokolle und Schnittstellen
Damit Telekommunikationswege und Informationstechnik flexibel und einfach Daten transportieren oder verarbeiten können, benötigen sie Protokolle wie zum Beispiel das bereits erwähnte Internet Protokoll. Bei diesen handelt es sich um Anwendungsregeln für spezifische vorgegebene technische Standardsituationen, die entweder einseitig durch ein Unternehmen als Anwender gesetzt werden oder aber kooperativ durch mehrere Anwender entwickelt und akzeptiert werden. Protokolle stellen technische Regelwerke für die Kommunikation dar und legen Formate sowie Austauschinformationen fest.64 So schreibt das Internet Protokoll die Zerlegung der einzelnen Informationen in Pakete und ihren anschließenden leitungsunabhängigen Transport vor. Daneben werden über die Ausgestaltung der Protokolle logische Schnittstellen bereitgestellt, über die andere Aufgaben erfüllt werden können.65 Das bedeutet, dass Protokolle Spielräume eröffnen, um neue Funktionen anbieten zu können. Dies ist insbesondere in komplexen Wirkungszusammenhängen zwischen unterschiedlichen technischen Kapazitäten der Fall, die mit unterschiedlichen Protokollen arbeiten. Um den Austausch von Daten oder Informationen zwischen unterschiedlichen Akteuren zu ermöglichen, werden Schnittstellen eingesetzt, die ebenso häufig standardisiert sind.
4. Nutzeranwendungen
Anwendungen stellen den Oberbegriff für internet- oder softwaregestützte Hilfsmittel dar, die durch Benutzer zur Lösung von Aufgaben nach individuellen Vorgaben verwendet werden. Zahlreiche digitale Plattformen bieten eigene Anwendungen zur Inanspruchnahme ihrer Angebote an.
Die für den grundlegenden Betrieb des Internets bedeutendste Anwendung ist das World Wide Web (WWW), ein über das Internet durch Protokolle vernetztes System an Inhalten und Hyperlinks, das dem Nutzer den Zugriff zu im Internet bereitgestellten Inhalten ermöglicht.66 Die für seinen Betrieb maßgeblichen Anwendungsprotokolle sind Hypertext Transfer Protocol (HTTP) und Hypertext Markup Language (HTML). Das WWW wird häufig mit dem Internet gleichgesetzt, setzt dieses aber voraus und stellt lediglich eine über das Internet vermittelte Anwendung dar.67 Für den Internetnutzer stellt sich das World Wide Web als „Oberfläche“ des Internet dar, das durch „browsen“ erkundet werden kann.
5. Technische Standardisierung
Einen wesentlichen Anteil an den vorausgehend beschriebenen wirtschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit der „digitalen Revolution“