Die Antariksa-Saga IV - Blinder Hass. Alexander Merow
»Äh, ich würde Euch nun gerne das Haupthaus zeigen, Mächtiger«, drängte der das Zuchtprogramm leitende Orkdenker, »es hat sich seit Eurem letzten Besuch einiges verändert. Die Arbeiter sind sehr fleißig gewesen.«
»Ja, natürlich!«, gab Grimzhag zurück. Er warf Zugrakk einen grimmigen Blick zu, der ihm klarmachte, dass es besser war, das Maul zu halten.
Die Cramogg strömten derweil wieder in das große Gebäude hinein, um sich auf die anstehende Massenpaarung vorzubereiten.
Nicht nur Grimzhag, sondern auch seine Begleiter, waren begeistert, als sie in die gewaltige, von mächtigen Rundsäulen getragene Eingangshalle des Haupthauses kamen. Wenn der Tempelkomplex eines Tages fertig wäre, so würde er ein spirituelles Zentrum der neuen Orkherrlichkeit sein, sinnierte der König.
Lediglich Zugrakk, als gewöhnliche Durchschnittsgrünhaut, war von all den hochwohlgeborenen, in jeder Hinsicht überlegenen Orks, die ihn hier umgaben, nicht sonderlich begeistert. Der Krieger grantelte für den Rest des Tages vor sich hin und ignorierte seinen überheblichen Freund Grimzhag, der wie ein Menschlingskaiser kluge Reden hielt, herumstolzierte und allerlei komisches Denkerzeug schwafelte.
Als die Paarungszeit kam, gingen schließlich Hunderte von Grauaugenorks im Tempel der Zucht ihrer Zeugungspflicht nach. Ganz, wie es ihr König befohlen hatte. Und die Begattung der ausgewählten Cramogg wurde ein gewaltiger Erfolg, wie die Orkdenker ihrem Herrn in Karokum bald voller Stolz verkündeten. Grimzhag war hochzufrieden mit der großen Anzahl trächtiger Orkweibchen, die in naher Zukunft ganze Scharen starker Grauaugenkrieger oder edelblütiger Cramogg auf die Welt bringen würden. Die gezielte Zucht und Vermehrung der höchsten Orkrasse, die über Jahrhunderte vernachlässigt worden war, zeigte bereits die ersten Früchte im langsamen Erstarken einer neuen Adelskaste.
Außerdem gingen die gewaltigen Bauvorhaben überall im Reich des jungen Brüllers mit immer größerer Geschwindigkeit voran. Sieben kleinere Städte waren neben Karokum bereits in verschiedenen Gebieten der Steppe gegründet worden. Zwar handelte es sich hierbei erst einmal um Ansammlungen halbfertiger Häuser, doch war es im Fall von Karokum am Anfang auch nicht anders gewesen.
Allerdings ging die völlige Umstrukturierung der orkischen Lebensweise in Grimzhags Reich nicht wenigen Grünhäuten viel zu schnell. Orks, die seit vielen Generationen als umherziehende Nomaden gelebt hatten, sollten nun die eroberten Gebiete in Manchin besiedeln und dort Ackerbau betreiben. Andere sollten bald in Häusern aus Stein leben. Nach und nach krempelte König Grimzhag mit seinem Führungsstab aus Grauaugen und Orkdenkern so gut wie alles um.
Aber der Erfolg gab dem Mazaukhäuptling Recht. Immer weniger Grünhäute mussten dank Grimzhags organisatorischen Eingriffen Hunger leiden, während die ewigen Kämpfe der Stämme untereinander fast gänzlich ausblieben. In Zukunft, so versprach es der gefeierte König seinen Untertanen, würden alle von ihnen genug zu Essen haben.
»Die Viehherden werden weiter anwachsen und es wird Fleisch für jeden Ork geben, sogar für jeden Goblin. Zudem wird der Ackerbau in Manchin den Hunger für alle Zeiten aus unserem Reich jagen«, proklamierte Grimzhag in Karokum.
Der Häuptling der Mazauk hatte schon jetzt unglaubliche Leistungen vollbracht. Nicht nur auf dem Schlachtfeld hatte er so manchen unüberwindlich geglaubten Feind vernichtet, sondern auch die Lebensumstände unzähliger Grünhäute verbessert. Damit hatte Grimzhag den Grundstein für eine neue Orkzivilisation gelegt, wobei er sich darüber im Klaren war, dass es wohl erst seine Nachfolger fertig bringen würden, alle seine Pläne zu verwirklichen.
Die Vorstellung eines mächtigen und in sich gut strukturierten Orkimperiums war für die anderen Völker jedoch ein Graus. Dass sich der alte, fast vergessene Feind wieder erholte und sogar zu einer Weltmacht wurde, barg gewaltigen Zündstoff in sich. Noch nahmen die Menschen und Khuz des Westens nicht richtig wahr, was in den Weiten der Steppe und den Dunklen Landen geschah, doch war abzusehen, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie aufschreckten.
Lediglich die wachsamen Elben hatten in den letzten Jahren bereits damit begonnen, sich für den orkischen Eroberer zu interessieren. Mittlerweile wussten sie schon wesentlich mehr über Grimzhag und sein neu entstandenes Reich als die Menschen oder Zwerge. Doch die Kinder Galathols beobachteten im Stillen und warteten ab, wie sich die Dinge entwickelten. Grimzhag hingegen war glücklich, dass endlich Frieden herrschte und sich die Lage auch in Manchin beruhigt hatte. Er wollte in Zukunft auf weitere Kriege verzichten und den anderen Völkern die Klaue zum Frieden reichen. Ob sie sie jedoch ergreifen würden, war mehr als fraglich.
Die heutige Unterredung hatten Zaydan und sein Gehilfe Weng äußerst umsichtig vorbereitet. Die beiden waren bis nach Tschorleß, einer kleinen Stadt im Westen von Slajvka, gereist, um sich mit einer Gruppe zwielichtiger Gestalten zu treffen. Slajvka lag im Osten von Leevland; ein Land voller dunkler Wälder und eigenbrötlerischer Bewohner. Ein paar jener seltsamen Slajvkaner waren in dieser verregneten Nacht in eine schmutzige Taverne am Stadtrand von Tschorleß gekommen, um mit ihrem mysteriösen Auftraggeber einen Pakt zu besiegeln.
Weng betrat das Gasthaus, das bis auf drei bärtige Männer, die in der hintersten Ecke der Schankstube an einem Tisch saßen, vollkommen leer war. Ihm folgte Zaydan, der einen langen, dunkelbraunen Kapuzenmantel trug. Shargut war durch den starken Regen bis auf die Knochen durchnässt, genau wie sein manchinischer Begleiter, der in seiner Muttersprache leise vor sich hin fluchte.
»Das müssen sie sein!«, zischelte Zaydan in Richtung seines schlitzäugigen Gehilfen, der seinerseits nach dem Griff eines unter seinem Mantel verborgenen Dolches tastete.
»Ja, laut der Beschreibung unseres Unterhändlers schon«, brummte Weng.
Zaydan ging zu dem Tisch und lächelte den drei Slajvkanern zu. Diese starrten ihn nur grimmig an, wobei einer von ihnen augenblicklich aufstand und auf eine Tür zu seiner Rechten deutete.
»Wir gehen da! Dort ist noch mehr ruhig!«, sagte er auf Leevländisch.
»Ich verstehe!«, gab Zaydan ebenfalls auf Leevländisch zurück.
Wenig später saßen die drei Slajvkaner zusammen mit ihren zwei Gästen in einem schäbigen Hinterzimmer an einem kleinen Tisch. Sie schwiegen Zaydan und Weng an. Vor allem der Manchine wirkte angesichts der drei breitschultrigen Schlägervisagen, die ihn immer nur wortlos anglotzten, äußerst nervös.
»Ich bin Pejar«, sprach einer der Männer, eine hochgewachsene Gestalt mit auffällig kräftigen Wangenknochen und einem buschigen Vollbart. Er reichte zuerst Zaydan und dann Weng die Hand.
»Mein Name ist Schack«, erwiderte Zaydan, um dann auf seinen Begleiter zu deuten. »Und das ist mein Freund Ko-Ling aus dem fernen Manchin.«
»Diese Männer sind Bulhe und Drogon«, ergänzte Pejar, den Blick den beiden anderen Slajvkanern zugewandt.
Wieder herrschte kurzes Schweigen, das in dem nur von zwei Kerzen in der Ecke beleuchteten Hinterzimmer besonders bedrückend wirkte.
»Was sollen wir tun? Und wie viele Gold gibst du uns dafür?«, fragte Pejar dann.
»Ich gebe Euch 20.000 Goldstücke jetzt. Und noch einmal 20.000 Goldstücke, wenn der Auftrag erledigt ist«, antwortete Zaydan ruhig.
Die Kinnladen der drei Slajvkaner fielen beinahe synchron herunter. Vor allem Pejar starrte die beiden Fremden vollkommen überrascht an. Wer 40.000 Goldstücke besaß, hatte mehr als ausgesorgt.
»Keine Witz?«, hakte Pejars Nebenmann nach.
Zaydan blieb gelassen und verzog keine Miene. »Natürlich nicht!«
»Dann sage uns, was wir sollen tun!«, drängte Pejar.
»Es ist ein sehr schwieriger Auftrag, es dürfen keine Fehler geschehen. Ich habe allerdings gehört, dass ihr schon öfter für Geld getötet habt«, sagte der Bankier.
»Das ist kein Problem. Du musst nur sagen, wen wir sollen töten. Für 40.000 Goldstücke wir töten jeden«, stieß Pejar aus, während seine beiden Begleiter auflachten.
»Die Sache ist sehr ernst«, maßregelte