Eingriffsrecht Brandenburg. Viktor Nerlich
Identität einer Person zum Schutz privater Rechte feststellen. Der Schutz privater Rechte durch die Polizei darf jedoch nicht weiter reichen als die insoweit bestehende polizeiliche Zuständigkeit gemäß § 1 Abs. 2 BbgPolG.189 Diese ist eröffnet, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde.
2.6 Weitere Fallgruppen der präventiven Identitätsfeststellung
Die Identitätsfeststellung ist außerdem noch in folgenden drei Fallgruppen zulässig: Zum einen in Flugplatzbereichen zur Verhütung oder Unterbindung unerlaubter Überschreitung der Bundesgrenze, soweit dies nicht Aufgabe der Bundespolizei ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 BbgPolG). Zum zweiten zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i. S. des § 10 Abs. 3 BbgPolG mit internationalem Bezug im Gebiet der Bundesgrenze bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern, auf Bundesfernstraßen und Europastraßen sowie in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs, sofern dokumentierte polizeiliche Erkenntnisse vorliegen, dass am Ort der Maßnahme derartige grenzüberschreitende Kriminalität stattfindet (§ 12 Abs. 1 Nr. 6 BbgPolG).190 Das schließt bereits auf der Tatbestandsebene eine Identitätsfeststellung aus, wenn solche Erkenntnisse nicht vorliegen.191 Diese Befugnis zur sogen. Schleierfahndung,192 die keine Wirkung einer Grenzkontrolle i. S. des Europarechts haben darf,193 wird ergänzt durch § 11 Abs. 3 BbgPolG.194 Gemäß § 28b Abs. 2 i. V. mit Abs. 1 BbgPolG kann die Polizei zum dritten im Rahmen ihrer Zuständigkeit, Gefahren des Terrorismus abzuwehren (§ 28a BbgPolG), die Identität von Personen feststellen, die im öffentlichen Verkehrsraum angetroffen werden, wenn polizeiliche Erkenntnisse vorliegen, dass am Ort der Maßnahme Straftaten i. S. des § 28a Abs. 1 BbgPolG begangen werden sollen.195
3. Rechtsfolgen: Maßnahmen zur Identitätsfeststellung
Liegen die Voraussetzungen von § 12 Abs. 1 BbgPolG vor, kann die Polizei die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen ergreifen.196 Sie darf insbesondere die betroffene Person anhalten (Unterbrechung der Fortbewegung),197 sie nach ihren Personalien befragen und verlangen, Angaben zur Feststellung der Identität zu machen sowie mitgeführte Ausweise zur Prüfung auszuhändigen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BbgPolG). Andere als diese Maßnahmen kommen in Betracht, wenn sie mit den in § 12 Abs. 2 genannten vergleichbar sind, z. B. die Befragung eines Dritten.198 Die Herausgabe eines Ausweises kann die Polizei indes nicht verlangen, wenn es um die Personalienfeststellung auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG im Rahmen einer Befragung geht. Der insoweit Betroffene muss die Daten nur angeben.199 Möchte die Polizei seinen Ausweis sehen, kann sie dies nur bei Vorliegen der Voraussetzungen, z. B. von § 12 BbgPolG oder § 163b StPO verlangen.200
Ist die Identitätsfeststellung mit Hilfe dieser Maßnahmen nicht oder nur erschwert möglich, kann die Person festgehalten werden (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG). Dann ist § 18 BbgPolG zu beachten. Im Rahmen des Festhaltens darf der Betroffene auch zur Dienststelle mitgenommen werden, um seine Identität dort festzustellen.201 Außerdem darf die Polizei gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 BbgPolG den Betroffenen selbst sowie die von ihm mitgeführten Sachen durchsuchen – jedoch wiederum nur zwecks Feststellung der Identität, d. h. beschränkt auf Ausweise oder andere Identifikationsmittel.202 Soll also (auch) aus anderen Gründen durchsucht werden, müssen die jeweiligen Voraussetzungen, z. B. der §§ 21 f. BbgPolG vorliegen. Die Durchsuchung der Person kann sich auch auf die Inaugenscheinnahme des Körpers zur Auffindung von Merkmalen wie bspw. Narben oder Tätowierungen erstrecken, soweit darin keine ED-Maßnahme liegt.203 Die erkennungsdienstliche Behandlung zur präventiven Identitätsfeststellung ist jedoch unter den gleichen Voraussetzungen wie Festhalten oder Durchsuchen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 BbgPolG zulässig.204
4. Besondere Form- und Verfahrensvorschriften
4.1 Vorschriften über die Datenerhebung
Die präventive Identitätsfeststellung kann von jedem Polizeivollzugsbeamten angeordnet und durchgeführt werden. Dabei sind zunächst die allgemeinen Grundsätze der Datenerhebung zu beachten:
– Datenerhebung nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung, z. B. gemäß § 12 BbgPolG (§ 29 Abs. 1 BbgPolG);
– Grundsatz der unmittelbaren und offenen Datenerhebung (§ 29 Abs. 2 und Abs. 3 sowie Abs. 7 und Abs. 8 BbgPolG);
– Hinweispflicht bei offener Datenerhebung in Bezug auf die Rechtsgrundlage und den Grund der Datenerhebung sowie auf eine etwaige Auskunftspflicht bzw. Freiwilligkeit (§ 29 Abs. 4 BbgPolG);
– Beschränkung der Datenerhebung auf ihren Zweck und ihren Umfang (§ 29 Abs. 5 und Abs. 6 BbgPolG).
4.2 Diskriminierungsverbot
Gemäß § 12 Abs. 3 BbgPolG sind Art. 3 Abs. 3 GG sowie Art. 12 Abs. 2 BbgVerf besonders zu beachten. Die Norm wurde zum 1. April 2019 eingeführt. Grund hierfür ist das sogen. Racial Profiling.205 Wegen der unmittelbaren Geltung der Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG bzw. Art. 5 Abs. 1 BbgVerf war diese rechtswidrige Befugnisausübung aber auch schon vor der Rechtsänderung verboten. Daher hat die Neuregelung reinen Appellcharakter und wäre aus dogmatischen Gründen nicht nötig gewesen.206
4.3 Besondere Vorschriften beim Festhalten
Soweit eine Person zur Identitätsfeststellung aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG festgehalten werden darf, sind die Regeln über die Behandlung festgehaltener Personen zu beachten. § 18 Abs. 1 BbgPolG erfordert die unverzügliche Anhörung und Entscheidung eines Richters. Davon kann nur abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass die Identitätsfeststellung vorher schon beendet sein wird und kein anderer Festhaltegrund besteht. Die Behandlung festgehaltener Personen richtet sich nach § 19 BbgPolG i.V. mit der Polizeigewahrsamsordnung des Landes Brandenburg.207 Gemäß § 20 BbgPolG ist der Betroffene unverzüglich zu entlassen
– nach Wegfall des Festhaltegrundes, also z. B. bei Feststellung der Identität;
– bei richterlicher Feststellung der Unzulässigkeit des weiteren Festhaltens;
– bei Ablauf der zulässigen Höchstdauer, die im Falle der IDF zwölf Stunden beträgt (§ 20 Abs. 2 BbgPolG).
4.4 Besondere Vorschriften bei der Durchsuchung
Darf die Person nach § 12 Abs. 2 Satz 4 BbgPolG durchsucht werden, so ist § 21 Abs. 3 BbgPolG zu beachten. Danach darf die Durchsuchung nur durch Personen des gleichen Geschlechts oder einen Arzt vorgenommen werden, wenn nicht die sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Bei der Durchsuchung von Sachen hat der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ein Anwesenheitsrecht (§ 22 Abs. 2 BbgPolG).
V. Die von der Identitätsfeststellung betroffenen Grundrechte
Das Befragen nach personenbezogenen Daten sowie das Herausverlangen von Ausweisen oder ähnlichen Identifikationspapieren greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das sich aus Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs.