Eingriffsrecht Brandenburg. Viktor Nerlich

Eingriffsrecht Brandenburg - Viktor Nerlich


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versteht man unter einem Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Definition findet sich in § 35 VwVfG, der im Bereich des polizeilichen Handelns auch in Brandenburg anzuwenden ist (§ 1 VwVfG Bbg.). Aus der Legaldefinition des § 35 Satz 1 VwVfG ergeben sich auch die Merkmale des Verwaltungsaktes:109

      – Der Verwaltungsakt ist eine Regelung, eine rechtsverbindliche Anordnung, z. B. die Aufforderung der Polizei an den Bürger, einen bestimmten Ort zu verlassen oder den Ausweis auszuhändigen. Demgegenüber sind bspw. Hinweise oder Auskünfte eines Polizisten grundsätzlich keine Regelungen, sondern Realakte.110

      – Verwaltungsakte vollziehen öffentliches Recht, z. B. das Polizeigesetz. Das Tatbestandsmerkmal „hoheitlich“ grenzt daher den Verwaltungsakt von privatrechtlichem Handeln ab.

      – Verwaltungsakte regeln einen Einzelfall.111

      – Verwaltungsakte werden von Behörden erlassen. Das sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 1 Abs. 4 VwVfG). Die zuständige Polizeibehörde in Brandenburg ist das Polizeipräsidium (§ 72 Abs. 1 BbgPolG). Handeln deren Amtswalter, die Polizeivollzugsbeamten, dann handeln sie für das Polizeipräsidium. Behördliches Handeln ist also von Privaten oder von Maßnahmen der Rechtsprechung abzugrenzen.

      – Zum Wesen des Verwaltungsakts gehört, dass er eine unmittelbare Außenwirkung entfaltet, sich also unmittelbar auf den Bürger bezieht. Anders liegt es bspw. bei innerbehördlichen Organisationsmaßnahmen, die sich nur an ihre Mitarbeiter richten.

       2.2 Form- und Verfahrensvorschriften für den Erlass von Verwaltungsakten

      Die nach außen wirkende Tätigkeit der Polizei, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass von Verwaltungsakten gerichtet ist, wird als Verwaltungsverfahren bezeichnet (vgl. § 9 VwVfG). Dabei hat sie grundsätzlich die allgemeinen Form- und Verfahrensvorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu beachten, wenn nicht in speziellen Gesetzen etwas anderes geregelt ist (vgl. § 1 VwVfG Bbg.). Zu prüfen ist das im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit. Im Zusammenhang mit dem Erlass eines Verwaltungsakts sind insbesondere zu beachten:112

      – § 10 VwVfG: Nichtförmlichkeit des Verfahrens (d. h. es gibt grundsätzlich keine bestimmte Form für das Verwaltungsverfahren)

      – §§ 11, 12 VwVfG: Handlungs- und Beteiligungsfähigkeit (d. h. die Fähigkeit, an einem Verwaltungsverfahren beteiligt zu sein, etwa als Adressat eines Verwaltungsakts, bzw. Verfahrenshandlungen vorzunehmen)

      – § 14 VwVfG: Bevollmächtigte (Verfahrensbeteiligte können sich eines Beistands bedienen bzw. sich von einem Bevollmächtigten vertreten lassen; Stichwort: Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei polizeilichen Maßnahmen)

      – § 22 VwVfG: Beginn des Verfahrens (grundsätzlich entscheidet die Behörde selbst nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt)

      – § 23 VwVfG: Die Amtssprache im Verwaltungsverfahren ist deutsch.

      – § 24 VwVfG: Untersuchungsgrundsatz

       Grundsätzlich ermittelt die Polizei den Sachverhalt von Amts wegen und frei von Anträgen oder anderem Vorbringen der Bürger. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Das Erkennen einer polizeirechtlichen Gefahren- oder Störungslage gehört daher zur Sachverhaltsermittlung, wobei die Polizei genau herausfinden muss, von wem wann welche Gefahr für wen oder was ausgeht und welche Maßnahmen sie zu ihrer Abwehr ergreifen kann. Fehler bei der Sachverhaltsermittlung wirken sich regelmäßig auf die Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Maßnahme aus. Welche Eingriffe die Polizei zur Untersuchung des Sachverhalts vornehmen darf, ergibt sich jedoch nicht aus § 24 VwVfG, sondern aus speziellen Befugnisnormen wie z. B. § 11 BbgPolG oder § 12 BbgPolG.113

      – § 26 VwVfG: Beweismittel

       Die Polizei ist in der Wahl der Beweismittel, auf die sie ihre Entscheidung stützen möchte, frei. Sie kann also Auskünfte, Gutachten oder Urkunden heranziehen sowie – von großer Bedeutung – den Augenschein einnehmen. Beteiligte sollen zwar bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken (§ 26 Abs. 2 Satz 1 VwVfG); ob sie hierzu jedoch verpflichtet sind, ergibt sich wie beim Untersuchungsgrundsatz allein aus speziellen Vorschriften.

      – § 28 VwVfG: Anhörung

       Vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts ist der Betroffene grundsätzlich anzuhören (§ 28 Abs. 1 VwVfG). Zweck der Anhörung ist es, die Interessen des Betroffenen zu wahren und der Behörde die Möglichkeit für eine zutreffende Sachverhaltsermittlung zu geben. Sie kann formfrei, also insbesondere mündlich erfolgen, was bei polizeilichen Maßnahmen die Regel sein dürfte. Es genügt, dem Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Die Anhörung bezieht sich prinzipiell nur auf die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen. Rechtsansichten sind demgegenüber nur dann Gegenstand der Anhörung, wenn von ihrer Klärung die zu treffende Entscheidung abhängt.114 Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist (§ 28 Abs. 2 VwVfG). Ob dieser Fall vorliegt, entscheidet die Polizei nach pflichtgemäßem Ermessen.115 § 28 Abs. 2 VwVfG enthält Regelbeispiele, bei deren Vorliegen eine Anhörung nicht geboten ist. Für die polizeiliche Arbeit kommen vor allem Eilfälle in Betracht (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). Entscheidend ist dabei die Sicht des Beamten bei Erlass des Verwaltungsakts („ex ante“). Darüber hinaus spielt für die Polizei der Anhörungsverzicht in der Verwaltungsvollstreckung, d. h. beim Zwang eine Rolle (§ 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG).116 Wird eine gebotene Anhörung nicht durchgeführt, so ist die darauf bezogene Maßnahme rechtswidrig. Der Verfahrensfehler kann jedoch geheilt werden (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG).

      – § 41; § 43 VwVfG: Bekanntgabe und Wirksamkeit des Verwaltungsakts

       Erlassen wird ein Verwaltungsakt durch mündliche oder schriftliche Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen (§ 41 VwVfG). Folge der Bekanntgabe ist die sogen. Tatbestandswirkung gemäß § 43 VwVfG. Sie besagt, dass die im Verwaltungsakt enthaltenen Regelungen von allen Behörden wie Betroffenen als verbindlich zu beachten sind. Das gilt auch für rechtswidrige Verwaltungsakte! Nur nichtige Verwaltungsakte i. S. des § 44 VwVfG sind unwirksam und inexistent.117 Wenn der Betroffene meint, der Verwaltungsakt sei rechtswidrig, kann er den zulässigen Rechtsbehelf einlegen: in der Regel zunächst Widerspruch, nur selten gleich Anfechtungsklage. Dadurch wird grundsätzlich eine aufschiebende Wirkung herbeigeführt (§ 80 Abs. 1 VwGO).118 Ein Verwaltungsakt bleibt jedoch so lange wirksam (also existent), bis er von der Behörde zurückgenommen bzw. widerrufen wird oder sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG).

      – § 37 VwVfG: Bestimmtheitsgrundsatz und Form von Verwaltungsakten

       Verwaltungsakte müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Der betroffene Bürger soll auf Anhieb erkennen können, was ihm aufgegeben wird bzw. was er zu tun hat. Mangelt es einer polizeilichen Anordnung an Bestimmtheit, so hat dies ihre Rechtswidrigkeit zur Folge. Diese kann jedoch durch eine Klarstellung nachträglich geheilt werden.119

      – § 39 VwVfG: Begründung von Verwaltungsakten

       Die Begründung des Verwaltungsakts hat für den Bürger eine Rechtsschutz- und Akzeptanzfunktion; der Behörde ermöglicht sie eine Selbstkontrolle ihrer Entscheidung. Denn dem Betroffenen werden die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Entscheidung mitgeteilt.120 Das gilt gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG prinzipiell für alle schriftlichen oder schriftlich bestätigten Verwaltungsakte. Einer Begründung bedarf es jedoch


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