Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen. Alexander Grieger

Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen - Alexander Grieger


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ist also vielmehr das Machtverhältnis zwischen Verwender und Verwendungsgegner, welches Ausfluss findet im Verhandlungsverlauf und -intensität279. Das Prinzip der Schutzbedürftigkeit einer strukturell unterlegenen Partei ist der Rechtsprechung nicht neu und findet sich auch in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts280.

      Unter Beachtung der Ansicht der Kritiker der AGB-Kontrolle könnte man eine typische Verhandlungssituation auf Basis der später im Detail dargestellten Haftungskriterien für den Bereich der Folgeschäden in einem deskriptiven Modell schematisch wie folgt darstellen:

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       Abbildung 1: Eigenes Vertragsparitätskonzept

      Unterstellt man, dass Vertragsparität eine absolut gleichwertige Verhandlungsmacht zwischen Zulieferanten und Kunden beschreibt, so wird sich in dieser Situation weder der Zulieferant noch der Kunde mit seinen Forderungen nach vertraglichen Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild der unbeschränkten, verschuldensabhängigen Haftung nach BGB durchsetzen können (1). Die Erzielung von darüber hinaus gehenden Garantieerklärungen, welche zu einer verschuldensunabhängigen Haftung des Zulieferanten auch für Folgeschäden führen würden, wären für den Kunden genauso wenig durchsetzbar wie Haftungsbeschränkungswünsche des Zulieferanten.

      Besitzt der Zulieferant eine höhere Verhandlungsmacht, so lassen sich nicht nur Garantieerklärungen abwehren, sondern auch die unbeschränkte Haftung mit unterschiedlichem Umfang ausschließen: Beim Vorliegen einer Individualvereinbarung ließe sich die Haftung für Folgeschäden bei einfacher Fahrlässigkeit und gar die Haftung für grobe Fahrlässigkeit vollumfänglich ausschließen (3). Hat der Zulieferant jedoch eine dermaßen starke Verhandlungsmacht, dass er seine Bedingungen einseitig setzen kann und diese somit der AGB-Kontrolle unterfallen, so kann er bei einer AGB-konformen Ausgestaltung der Klausel das Folgeschädenrisiko auf vorhersehbare (Folge-) Schäden beschränken (4), was jedoch das Haftungsrisiko nur wenig verringert. Bei nicht AGB-konformer Ausgestaltung der Haftungsklausel besteht das Risiko des Rückfalls auf die unbeschränkte Haftung im Verschuldensfall, geltend für alle Schäden (5). Die Grenze der Sittenwidrigkeit hat wie dargestellt nur eine minimale rechtliche und praktische Relevanz in Extremfällen (6) und bringt bei bereits bestehender Unwirksamkeit einer Haftungsklausel im Rahmen der AGB-Kontrolle keinen zusätzlichen Schutz.

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       Abbildung 2: Eigenes Vertragsparitätskonzept unter Berücksichtigung von Branchenstandards und Kritikern der bisherigen AGB-Kontrolle

      Eine modellhafte Lösung für diese dargestellten Ungleichgewichte kann sich erst nach intensiver nationaler und rechtsvergleichender Auseinandersetzung mit dem Status Quo und den dahinterstehenden Denkansätzen ergeben (vgl. § 8).

      189 STAUDINGER-305ff.-Wendland, Vorbem zu §§ 307–309 Rn. 2; ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 11. 190 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 11; eingehend zum Wandel Preis/Rolfs, DB 1994, S. 261ff. (261ff.); Frey, ZIP 1993, S. 572ff. (573). 191 STAUDINGER-305ff.-Wendland, Vorbem zu §§ 307–309 Rn. 2a ff.; ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 11; Frey, ZIP 1993, S. 572ff. (573); Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 14. 192 STAUDINGER-305ff.-Wendland, Vorbem zu §§ 307–309 Rn. 2a ff.; ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 11; Kötz, JuS 2003, S. 209ff. (210); Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 15. 193 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 11. 194 Ausführlich ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 13ff.. BT-Drs. 7/3919, S. 1 Ziffer A, letzter Absatz: „Der vorliegende Gesetzentwurf dient dem Ziel, den Vertragsteil, insbes. den Letztverbraucher, der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterworfen wird, vor unangemessenen, einseitig vorformulierten Vertragsbedingungen zu schützen.“. 195 M. w.V. Müller, IWRZ 2018, S. 153ff. (153). 196 STAUDINGER-305ff.-Wendland, Vorbem zu §§ 307–309 Rn. 4; Berger, ZIP 2006, S. 2149ff. (2151); ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 24; Kaufhold, BB 2012, S. 1235ff. (1236). Zur Entstehungsgeschichte des § 24 im Detail: Rabe, NJW 1987, S. 1978ff. (1981). 197 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack,


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