Verfassungsprozessrecht. Michael Sachs

Verfassungsprozessrecht - Michael Sachs


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ein ordnungsgemäßer Antrag eigenhändig unterschrieben sein?

      3 Welche allgemeinen, d.h. verfahrensübergreifenden, Sachentscheidungsvoraussetzungen können in Verfahren des BVerfG Bedeutung erlangen?

      Die Lösungen finden Sie auf S. 195.

      Literaturhinweise: Alleweldt, Ralf, Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit, 2006; Zuck, Rüdiger, Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit, JZ 2007, 1036; Urbaneck, Patric, Die Zulässigkeitsprüfung im Verfassungsrecht, JuS 2014, 896.

       [Zum Inhalt]

      |33|2. Teil: Einzelne Verfahrensarten des BVerfG

      |34|Zur Systematik der Verfahrensarten

      108Die nachfolgend zu behandelnden einzelnen Verfahrensarten des BVerfG sind weder im Grundgesetz noch im BVerfGG in einer systematisch gegliederten Form geregelt.

      109Das Grundgesetz sieht neben einer Auswahl wichtiger Verfahrensarten in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1–4c GG gemäß Nr. 5 der zitierten Bestimmung weitere Fälle vor, in denen das BVerfG entscheidet. Darunter findet sich mit Art. 100 GG eine weitere Sammelbestimmung hinsichtlich einiger als Vorlageverfahren strukturierter Zuständigkeiten. Die weiteren Verfahren sind durchweg im Zusammenhang mit den betroffenen materiellen Gegenständen der Verfahren geregelt, so in Art. 18 Satz 2, Art. 21 Abs. 2 Satz 2, Art. 41 Abs. 2, Art. 61 Abs. 1 Satz 1, Art. 98 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 3, Art. 126 GG, auch Art. 99 GG. Hinzu kommt ein wohl wegen der Ausführlichkeit der Regelung in Absatz 2 des Art. 93 GG (statt in einer Nummer des Absatzes 1) aufgenommenes Verfahren.

      110Das BVerfGG enthält in § 13 eine umfassende Aufzählung der Verfahrensarten, die allerdings in Nr. 15 den Verweis aus Art. 93 Abs. 3 GG auf weitere Gesetze aufgreift und daher nicht (oder nur formal) abschließend ist. Die Aufzählung in § 13 BVerfGG ist grundsätzlich an der Reihenfolge der Verfassungsbestimmungen orientiert, die den einzelnen Verfahrensarten gewidmet sind. Dies erlaubt es, notfalls die dort angegebene maßgebliche Verfassungsbestimmung schnell zu ermitteln. Nachdem dieser ursprüngliche, formale Aufbau der Bestimmung bei der Aufnahme der zunächst nur in §§ 90ff. BVerfGG geregelten Verfassungsbeschwerde (als Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, b) im Jahre 1969 mit der Ergänzung von § 13 Nr. 8a BVerfGG noch fortgeführt worden war, wurde er in neuerer Zeit mehrfach durchbrochen: Im Jahre 2002 wurde § 13 Nr. 11a BVerfGG eingefügt, der die nicht verfassungsunmittelbar vorgesehene, daher bereits von § 13 Nr. 15 BVerfGG erfasste Verfahrensart nach § 36 Abs. 2 PUAG betrifft (→ Rn. 630); der im Zuge der Föderalismusreform 2006 ergänzte § 13 Nr. 6b BVerfGG (zu Art. 93 Abs. 2 GG) weicht ebenso von der Reihenfolge der Zuständigkeiten im Grundgesetz ab wie der 2012 eingefügte § 13 Nr. 3a BVerfGG mit der Nichtanerkennungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG. Ansätze zu einer sachbezogenen Systematik sind immerhin aus der Reihenfolge erkennbar, in denen die Abschnitte zu den einzelnen Verfahrensarten im besonderen Teil des Gesetzes behandelt werden. Doch ist auch dies nicht konsequent durchgeführt (vgl. nur die Stellung des 3. Abschnitts mit § 48 BVerfGG zur Wahlprüfung und die zuletzt schlicht am Schluss angehängten § 96 und §§ 96a ff.), auch fehlen Gesamt-Bezeichnungen für die dem Gesetz nur unausgesprochen zu Grunde liegenden Vorstellungen über Gruppen zusammengehöriger, strukturell verwandter |35|Verfahren. Eine Sonderstellung nimmt die 2011 als IV. Teil aufgenommene Verzögerungsbeschwerde (§§ 97a–e BVerfGG) ein.

      111Auch ohne ausdrückliche normative Vorgaben lassen sich für jeweils mehrere Verfahrensarten (unter dem Vorbehalt notwendiger Verfeinerungen im Detail, die bei der jeweiligen Einzelverfahrensart erfolgen) der Sache nach folgende, wichtige Kategorien nennen:

       normbezogene Verfahren: Diese für die Integrität der gesamten verfassungsgemäßen Rechtsordnung zentralen Verfahren haben die Beurteilung von Normen hinsichtlich bestimmter Eigenschaften zum Inhalt; im Einzelnen geht es um:die Normenkontrollverfahren, deren Gegenstand die Vereinbarkeit von Normen mit ihren Maßstabsnormen und damit ihre Gültigkeit ist, namentlich die abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 2a GG (→ Rn. 114ff.), und die konkrete Normenkontrolle, Art. 100 Abs. 1 GG (→ Rn. 194ff.);das Kompetenzfreigabe-Ersetzungsverfahren, bei dem es um die Feststellung geht, ob die Voraussetzungen für den Erlass von Bundesgesetzen nach Art. 72 Abs. 4 bzw. Bundesrecht nach Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG gegeben sind, Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GG (→ Rn. 178ff.);das Normenverifikationsverfahren, bei dem die Existenz einer Norm überhaupt überprüft (verifiziert) wird, Art. 100 Abs. 2 GG (→ Rn. 259ff.);das Normenqualifikationsverfahren, bei dem eine fortgeltende Norm als Bundesrecht qualifiziert wird, Art. 126 GG (→ Rn. 273ff.).

       kontradiktorische Streitverfahren: Dies sind die eigentlichen Verfassungsstreitigkeiten, in denen maßgebliche Akteure des Verfassungslebens ihre Meinungsverschiedenheiten austragen und einer nach rechtlichen Maßstäben getroffenen verbindlichen Lösung zuführen können. Im Einzelnen sind dies:das (Bundes-) Organstreitverfahren, das zwischen den Beteiligten des durch das Grundgesetz bestimmten Verfassungslebens auf der Bundesebene stattfindet, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG (→ Rn. 291ff.);das grundgesetzbezogene Bund-Länder-Streitverfahren, in dem Bund und Länder über ihre durch das Grundgesetz bestimmten Rechtsbeziehungen im Bundesstaat streiten können, Art. 93 Abs. 1 Nr. 3, auch Art. 84 Abs. 4 GG (→ Rn. 348ff.);das sonstige Bund-Länder-Streitverfahren, in dem es um alle anderweitigen öffentlich-rechtlichen Rechtsprobleme zwischen Bund und Ländern geht, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 1. Alt. GG (→ Rn. 363ff.);das Zwischenländerstreitverfahren, das zwischen mehreren Ländern über grundgesetzliche und sonstige öffentlich-rechtliche Rechtsstreitigkeiten stattfindet, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 2. Alt. GG (→ Rn. 374ff.);das Landesorganstreitverfahren zwischen Landesverfassungsorganen eines Landes über ihre Rechtsbeziehungen nach Maßgabe der jeweiligen Landesverfassung, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 3. Alt. GG (→ Rn. 385ff.);zugewiesene Landesverfassungsstreitigkeiten, die aufgrund des Art. 99 GG dem BVerfG landesrechtlich zur Entscheidung zugewiesen werden (→ Rn. 395ff.).

       quasi-strafprozessuale Verfahren: Diese sind auch mit Rücksicht auf ihren materiellen Inhalt, der mit der Sanktionierung unerwünschter Verhaltensweisen |36|zu tun hat, dadurch gekennzeichnet, dass sich ihre Regelung an das Vorbild des Strafprozesses anlehnt. Dies betrifft namentlich:das Grundrechtsverwirkungsverfahren, Art. 18 Satz 2 GG (→ Rn. 404ff.);das Parteiverbotsverfahren, Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG (→ Rn. 420ff.);die Bundespräsidentenanklage, Art. 61 GG (→ Rn. 438ff.);die Richteranklage, Art. 98 Abs. 2 und 5 GG (→ Rn. 450ff.).

       Verfassungsbeschwerdeverfahren: Mit diesen Verfahren können sich Träger verfassungsmäßiger Rechte gegen unzulässige Übergriffe der Staatsgewalt zur Wehr setzen. Dazu gehören:die (Grundrechts-) Verfassungsbeschwerde, die Grundrechtsträgern die Möglichkeit gibt, sich gegen Verletzungen ihrer Grundrechte durch die öffentliche Gewalt zu wehren, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (→ Rn. 505ff.);die kommunale Verfassungsbeschwerde, mit denen Kommunen Verletzungen ihres Selbstverwaltungsrechts durch die Gesetzgebung geltend machen können, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG (→ Rn. 613ff.).

      112Die weiteren durch das Grundgesetz selbst vorgesehenen Verfahren sind jeweils so eigentümlich geprägt, dass sie sich nicht sinnvoll zu weiteren Verfahrenskategorien gruppieren lassen. Insoweit verbleiben namentlich:

       die Wahlprüfungsbeschwerde, die gegen die vom Bundestag getroffene Entscheidung im Rahmen der von ihm durchzuführenden Wahlprüfung eröffnet wird, Art. 41 Abs. 2 GG (→ Rn. 458ff.);

       die Nichtanerkennungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG, mit der die Anerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag durchgesetzt werden kann (→ Rn. 482ff.);

       die landesverfassungsgerichtliche Divergenzvorlage nach Art. 100 Abs. 3 GG, mit der erreicht werden soll, dass LVerfG nicht von der Judikatur des BVerfG oder anderer LVerfG zum Grundgesetz abweichen (→ Rn. 491ff.).

      113Die auf der Grundlage des Art. 93 Abs. 3 GG nur gesetzlich begründeten Verfahren (→ Rn. 629f.) sind seit der Aufnahme


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