Wege zur Rechtsgeschichte: Römisches Erbrecht. Ulrike Babusiaux

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den ursprünglichen Kontext der juristischen Aussage.2

      Die jeweilige Textstelle aus den Schriften der römischen Juristen wird im Folgenden nach der Fundstelle in Kaiser Justinians Digesten („D.“) angegeben. Bei der Angabe der Fundstelle bezeichnet die erste Ziffer das Buch der justinianischen Digesten, die zweite den Abschnitt innerhalb eines Buches und die dritte steht für das einzelne Fragment, das heißt das eigentliche Juristenzitat, auch lex genannt. Im Mittelalter treten noch weitere Unterteilungen, sogenannte Paragraphen hinzu, die auch in den heute verwendeten Ausgaben am Rande vermerkt werden. Zu beachten ist die Zählung der Paragraphen. Sie beginnt mit der Einleitung (principium), die mit pr. bezeichnet wird; erst danach folgt die Zählung mit 1, 2, 3 etc. Gleichsinnig wird auf die Institutionen Justinians mit „Inst.“ und entsprechender Zahlenfolge sowie auf den Codex Iustinianus mit „C.“ verwiesen. Beim Codex Iustinianus nennt die Inskription den oder die Kaiser, welche die Entscheidung getroffen haben; soweit bekannt, wird auch das Datum und der Adressat des Erlasses mitgeteilt.

      Als Beispiel für die Zitierung eines Digestenfragments soll ein Auszug aus dem fünften Titel des 28. Buches der justinianischen Digesten dienen, der sich mit den Voraussetzungen der Erbeinsetzung (institutio heredis) befasst:

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      Mit D. 28.5.1pr. wird auf die Fundstelle des Fragments in Kaiser Justinians Sammlung verwiesen, die von Justinians Kompilatoren eingefügte Inskription „Ulpianus libro primo ad Sabinum“ gibt dagegen Aufschluss über den ursprünglichen Sinnzusammenhang des zitierten Satzes: Es handelt sich um Ausführungen aus dem ersten Buch von Ulpians Sabinus-Kommentar. Thema des Fragments ist die Reihenfolge der Anordnungen im Testament; dabei wird festgehalten, dass die Erbeinsetzung an erster Stelle zu stehen hat. Nur im Ausnahmefall kann eine ausdrückliche Enterbung noch vor der Erbeinsetzung erfolgen. Alle anderen Anordnungen, die vor der Erbeinsetzung geschrieben stehen, sind dagegen unwirksam. Es fällt sofort ins Auge, dass Antonius Silvanus (Kap. 1.1) diese Regel befolgt hat, da sein Testament mit der Erbeinsetzung seines Sohnes beginnt.

      Wie verlässlich sind aber die aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. stammenden justinianischen Quellen, um den Rechtszustand der Zeit vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. zu beschreiben? Die Frage nach der Authentizität der in der Kompilation überlieferten Schriften der römischen Juristen zielt weniger auf Überlieferungsmängel wie Abschreibfehler oder Verluste von Buchseiten als vielmehr auf zielgerichtete Eingriffe der Mitarbeiter Kaiser Justinians. Ausmaß und Tragweite derartiger Veränderungen werden unter dem Stichwort „Interpolationenkritik“ behandelt.

      Als Interpolationen (von interpolare = „fälschen, verfälschen“) werden Textveränderungen bezeichnet, mit denen die Kompilatoren den klassischen Text an das justinianische Recht angepasst haben, ohne die Veränderung als solche kenntlich zu machen. Mehrfach wird in den kaiserlichen Anordnungen, die die Kompilation begleiten, betont, Kaiser Justinian habe seinen Kompilatoren den Auftrag erteilt, derartige Veränderungen vorzunehmen. Es besteht daher kaum ein Zweifel, dass die Kommission zur Zusammenstellung der Digesten von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hat.

      Schwierigkeiten bereitet aber die konkrete Feststellung einer Interpolation, da kaum Vergleichsmaterial vorhanden ist, das geeignet wäre, hinreichend Auskunft über den Rechts- oder Textzustand vor Justinian zu geben. Aus diesem Grund ist die Interpolationenkritik in hohem Maße spekulativ: Die meisten Interpolationsbehauptungen beruhen auf Vorurteilen und Unterstellungen, die in der Regel davon abhängen, wie viel Grundvertrauen der Interpret der Authentizität des Textes entgegenbringt. In der Literatur vom Ende des 19. und vom Beginn des 20. Jahrhunderts war dieses Vertrauen besonders gering: Als Interpolationskriterien galten typische Wendungen und besonders interpolationsverdächtige Wörter, aber auch das Postulat, eine (scheinbar) unzureichende Argumentation oder terminologische Schwäche könne nicht von einem römischen Juristen stammen. Eine eigene Dynamik gewannen diese Argumente, indem sie kombiniert wurden: So wurde aus einem ‚nachweislich‘ interpolierten Fragment auf die Interpolation eines bisher unverdächtigten Textes geschlossen, auch wenn gar kein gleichartiges Interpolationsindiz vorlag. Ein solches Vorgehen ist etwa dann zu beobachten, wenn ein aufgrund argumentativer Schwächen verdächtigtes Fragment zum Beweis der Interpolation eines anderen Fragments verwendet wird, obwohl die Übereinstimmungen zwischen beiden Texten nicht argumentativer, sondern nur stilistischer Natur sind. Diese methodischen Schwächen waren der Ansatzpunkt für die Gegenbewegung, die ‚Kritik der Interpolationenkritik‘, wie sie bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzte. Diese kritischen Stimmen hoben hervor, dass der justinianische Auftrag vorrangig auf die Beseitigung von Überflüssigem, vor allem auf die Streichung von Wiederholungen und rechtlich Überholtem sowie auf die Ausmerzung von Widersprüchen zwischen einzelnen Juristen abgezielt habe.

      Das eigentliche Ende erlebt die Interpolationenkritik jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg: Vor allem Max Kaser hat die Notwendigkeit betont, die Textkritik an die Sachforschung anzulehnen. Es muss daher in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die behauptete Interpolation einem sachlichen Motiv Kaiser Justinians entsprechen könnte. Alle lediglich auf stilistische Eindrücke gestützten Verdächtigungen sind in der Regel zurückzuweisen. Diese Zurückhaltung wird durch den Vergleich mit dem außerhalb der Kompilation Justinians überlieferten Material bestärkt: Soweit erkennbar, beschränken sich die Eingriffe der Kompilatoren auf stilistische Anpassungen und vor allem auf Kürzungen. Freilich sind die meisten Vergleichstexte nur bruchstückhaft oder auszugsweise in Sammelwerken aus dem 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. erhalten. Somit sind die Vergleichsmöglichkeiten gering und das Vergleichsmaterial ist seinerseits nicht frei von überlieferungsbedingten Veränderungen.

      Nur ein einziges Werk ist außerhalb des justinianischen Corpus vollständig überliefert: die 1816 wiederentdeckten Institutionen des Gaius (2. Jahrhundert n. Chr.).

      Das Werk stammt aus der Zeit um 160 n. Chr. Sein Autor, Gaius, war wahrscheinlich als Rechtslehrer tätig und dürfte aus der griechischsprachigen Provinz stammen. In vier Bücher gegliedert, führt sein Werk den juristischen Studienanfänger in das Personenrecht (personae = „Personen“), das Vermögensrecht (res = „Sachen“) und die Rechtsdurchsetzung (actiones = „Klagen“) ein. Die Institutionen des Gaius sind im Folgenden mit dem abgekürzten Verfassernamen „Gai.“ unter Angabe des Buches und des Kapitels zitiert. Das Werk ist für die Kenntnis des antiken römischen Rechts von besonderem Wert, weil es nicht nur einen Einblick in die Organisation des Rechtsunterrichts im Prinzipat gibt, sondern auch von Rechtsinstituten oder Gesetzgebungsakten handelt, die in der justinianischen Kompilation gestrichen wurden oder bereits außer Gebrauch waren. Dies gilt auch für das Erbrecht, dem Gaius einen eigenen Abschnitt widmet.

      Gaius unterteilt das Kapitel über den Erwerb von Eigentum in zwei Abschnitte:

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      Der erste Abschnitt ist dem Singularerwerb von Sachen gewidmet, wie er vor allem durch Rechtsgeschäft unter Lebenden verwirklicht wird. Im zweiten Abschnitt behandelt Gaius dagegen den Universalerwerb, wie er vorrangig beim Erbfall stattfindet (in der Übersicht 3 hervorgehoben). Dabei kommt nicht nur die auf dem Willen des Erblassers beruhende Erbfolge nach dem Testament, sondern auch die von Gesetzes


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