Strafrecht Besonderer Teil III. Sabine Tofahrn
schafft. Eben diese Gefahr hat sich jedoch nicht realisiert, sondern vielmehr eine von A selbst geschaffene Gefahr, welche mit dem Auto–Skaten einherging.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › C. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c › III. Subjektiver Tatbestand
III. Subjektiver Tatbestand
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Bei § 315c Abs. 1 muss der Täter vorsätzlich hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale handeln, wobei dolus eventualis ausreicht. Auch hier ist zu beachten, dass sich der Vorsatz des Täters nur auf die Gefährdung, nicht jedoch auf eine eventuelle Verletzung der geschützten Tatobjekte beziehen muss.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › C. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c › IV. Rechtswidrigkeit
IV. Rechtswidrigkeit
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Wie schon bei § 315b erwähnt, ist bei § 315c die rechtfertigende Einwilligung besonders klausurrelevant. Ein von Ihnen zu diskutierendes Problem ergibt sich immer dann, wenn sich ein Beifahrer in Kenntnis der Alkoholisierung des Fahrers in dessen Fahrzeug setzt und es zu einem „Beinahe–Unfall“ kommt, bei welchem lediglich der Beifahrer konkret gefährdet wird.
Beispiel
Nehmen sie an, dass im obigen Beispielsfall die B den A nicht zu der Trunkenheitsfahrt angestiftet hat, sondern A ihr von sich aus großzügig angeboten hat, sie nach Hause zu fahren. Ohne irgendeinen unterstützenden Kommentar abzugeben, setzt sich B in das Fahrzeug des A, wobei es erneut zu der Beinahe-Kollision mit dem Müllcontainer kommt.
Da B den A hier nicht zur Trunkenheitsfahrt angestiftet hat, ist B ein „anderer Mensch“ im Sinne des § 315c, welcher durch das alkoholisierte Fahren in die konkrete Gefahr eines Schleudertraumas gebracht wurde.
Fraglich ist jedoch zunächst im objektiven Tatbestand, ob die objektive Zurechnung zu bejahen ist. Insofern könnte an eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der B gedacht werden. Mit der herrschenden Meinung[14] ist diese eigenverantwortliche Selbstgefährdung jedoch abzulehnen. Zwar kannte B die Gefahren, sie besaß jedoch als Beifahrerin keinerlei Tatherrschaft über das Geschehen. Diese Tatherrschaft lag ausschließlich bei A. Die Gegenauffassung[15], sog. Zurechnungslehre, würde hingegen die eigenverantwortliche Selbstgefährdung bejahen, da es nur darauf ankomme, dass das Opfer Risikowissen habe, einverstanden sei mit der riskanten Handlung und somit die Verantwortung für das Geschehen mit übernehme.
Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit ist dann zu prüfen, ob A nicht wegen einer rechtfertigenden Einwilligung straflos sein könnte.
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Da sich der Streit im Rahmen der rechtfertigenden Einwilligung bewegt, ist es erforderlich deren Voraussetzungen zu kennen. Sollten Ihnen diese entfallen sein, können Sie die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle das Thema rechtfertigende Einwilligung zu wiederholen.
Nach Auffassung des BGH ist eine rechtfertigende Einwilligung bei § 315c nicht möglich, da das geschützte Rechtsgut vor allem die Sicherheit des Straßenverkehrs sei. Damit liege jedoch ein Rechtsgut der Allgemeinheit und insofern kein disponibles Rechtsgut für den Einzelnen vor.[16]
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Eine überwiegend in der Literatur vertretene Auffassung verweist jedoch darauf, dass neben der Sicherheit des Straßenverkehrs auch die Individualrechtsgüter Leib, Leben und Eigentum durch § 315c geschützt werden. Willigt der einzig Gefährdete in die Gefährdung dieser Rechtsgüter ein, so sei dieser Teil des Unrechtsgehaltes der Norm durch eine rechtfertigende Einwilligung kompensiert. Übrig bleibe die Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs. Diese könne jedoch über § 316 erfasst werden.[17]
Beispiel
Im obigen Fall würde der BGH mithin eine rechtfertigende Einwilligung mangels disponiblen Rechtsguts ablehnen. Der überwiegende Teil der Literatur jedoch würde die konkrete Gefährdung für einwilligungsfähig halten, und aus diesem Grund sofern die anderen Voraussetzungen vorliegen (so u.a. Einwilligungsfähigkeit und der Umstand, dass die Einwilligung frei von Täuschung, Drohung oder Zwang zustande gekommen sein muss), eine Strafbarkeit gem. § 315c Abs. 1 verneinen. Sollten Sie sich dieser Auffassung in der Klausur anschließen, so müssten Sie alsdann eine Strafbarkeit gem. § 316 prüfen. Da das geschützte Rechtsgut hier ausschließlich die Sicherheit des Straßenverkehrs ist, kommt eine rechtfertigende Einwilligung nicht in Betracht.
JURIQ-Klausurtipp
Beachten sie, dass diese Problematik nur dann relevant wird, wenn tatsächlich die einzig gefährdete Person der Mitfahrer ist. Liegen hingegen darüber hinaus konkrete Gefahren für Verkehrsteilnehmer vor, die sich außerhalb des Fahrzeuges befinden, so ist eine Erörterung des soeben dargestellten Streits überflüssig.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › C. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c › V. Schuld
V. Schuld
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Da es sich um einen „Klausurklassiker“ bei § 315c handelt, sollten Sie an dieser Stelle unbedingt die Gelegenheit nutzen und sich mit der actio libera in causa auseinandersetzen, welche im Skript „Strafrecht AT I“ dargestellt ist.
Wie bereits erwähnt, werden Ihnen in der Klausur häufig Fallgestaltungen begegnen, bei welchen der Täter nicht nur relativ fahruntüchtig ist sondern darüber hinaus auch einen BAK-Wert aufweist, der ihn gem. § 20 schuldunfähig macht. Diese Schuldunfähigkeit wird angenommen ab 3,0 Promille. Diskutiert werden muss in diesen Fallgestaltungen, ob der Täter sich nun gem. § 315c in Verbindung mit den Grundsätzen der actio libera in causa strafbar gemacht haben kann.
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Nach Auffassung des BGH[18] ist die actio libera in causa jedoch bei § 315c nicht mehr anwendbar. Es handelt sich bei § 315c nicht nur um ein eigenhändiges, sondern auch um ein verhaltensgebundenes Delikt. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass als Tathandlung nur das Führen eines Fahrzeuges strafrechtlich relevant ist. Im Gegensatz zu nicht-verhaltensgebundenen Delikten wie z.B. den §§ 211 ff. sowie den §§ 223 ff., bei welchen die Tötung bzw. Körperverletzung durch jede beliebige Handlung verursacht werden kann, kann bei § 315c nicht an das vorgelagerte Sich-Betrinken als Tathandlung angeknüpft werden. Damit ist die sogenannte Vorverlagerungs- oder Tatbestandslösung bei § 315c nicht anwendbar.[19] Möglich ist in diesen Fällen jedoch eine Strafbarkeit gem. § 323a.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › C. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c › VI. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination und Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination
VI. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination