Strafrecht Besonderer Teil III. Sabine Tofahrn
die wir dort kennen gelernt haben, können in einer Klausur auch hier – sowie teilweise auch in § 315d Abs. 5 – auftreten. Da wir uns damit bereits beschäftigt haben, dienen die nachfolgenden Ausführungen nur der Wiederholung:
Zunächst müssen Sie prüfen, ob die verursachte Gefahr eine „konkrete“ Gefahr ist, also ein Zustand, bei dem es nur noch vom rettenden Zufall abhängt, ob die Gefahr in einen Schaden umschlägt.
Diese Gefahr muss für einen „anderen“ bestanden haben. Hier stellt sich – wie bei § 315c Abs. 1 und i.ü. auch bei den Brandstiftungsdelikten – die Frage, ob anstiftende oder beihelfende Beifahrer, die durch einen Beinahe-Unfall gefährdet wurden, andere sein können. Dies ist streitig, lesen Sie hierzu bitte noch einmal unter den Rn. 32, 62, 200.
Das Auto als Tatmittel ist, auch wenn es nicht im Eigentum des Täters steht, nicht geschützt.
Die Gefahr muss „durch“ die Tathandlung des Grunddelikts entstanden sein. Zu prüfen sind also Kausalität und der gefahrspezifische Zusammenhang. Letzterer kann problematisch sein, wenn der Beifahrer sich in Kenntnis des Risikos eines Rennens in das Auto setzt. Ebenso wie bei § 315c Abs. 1 müssen Sie dann eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung ansprechen, die aber meist abzulehnen sein wird, da der Beifahrer in der Regel keine Tatherrschaft hat.
Sofern Sie die eigenverantwortliche Selbstgefährdung ablehnen, müssen Sie nachfolgend in der Rechtswidrigkeit klären, ob nicht eine rechtfertigende Einwilligung des Beifahrers denkbar wäre (lesen Sie auch hierzu erneut Rn. 65). § 315d Abs. 1, 2 schützt zum einen die Sicherheit des Straßenverkehrs und zum anderen die Individualrechtsgüter Leib, Leben, Eigentum. Ebenso wie bei § 315c Abs. 1 kann vertreten werden, dass aufgrund des Universalrechtsguts eine Einwilligung nicht möglich ist. Denkbar wäre aber auch, ebenso wie bei § 315c Abs. 1, den Erfolgsunwert der Gefährdung von Leib oder Leben über die Einwilligung entfallen zu lassen und den Erfolgsunwert, der in der Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs liegt, über § 315d Abs. 1 zu bestrafen.[20]
Der Vorsatz des Täters muss sich nicht auf einen Schaden, sondern nur auf die konkrete Gefahr beziehen. Fehlt der Gefährdungsvorsatz, dann greift Abs. 4.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › F. Verbotene Kraftfahrzeugrennen, § 315d › IV. Erfolgsqualifikation, § 315d Abs. 5
IV. Erfolgsqualifikation, § 315d Abs. 5
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§ 315d Abs. 5 ist eine Erfolgsqualifikation zu § 315d Abs. 2, bei welcher der Täter gem. § 18 „wenigstens“ fahrlässig im Hinblick auf die genannte Folge handeln muss. Der Gesetzgeber hat hier gleich drei mögliche Folgen genannt, die auch in anderen Normen auftauchen, so dass wir auf die dortigen Ausführungen verweisen möchten:
• | Den Tod eines anderen Menschen, |
• | eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen (wie bei § 315 Abs. 3, lesen Sie dazu Rn. 44) oder |
• | eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von anderen Menschen (ebenso wie bei § 315 Abs. 3, lesen Sie auch dazu Rn. 44). |
Hinweis
Theoretisch denkbar ist, dass das in § 221 bereits beschriebene Problem der Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs auch hier auftreten kann. Wie die Aussetzung gem. § 221 ist auch § 315d in Abs. 1 ein Vergehen, welches aber in Gestalt der Erfolgsqualifikation durch die erhöhte Strafandrohung in Abs. 5 einen Verbrechenscharakter bekommt. Sofern also der Täter versucht, an einem Rennen teilzunehmen, ist das straflos, da die Versuchsstrafbarkeit nur für Abs. 1 Nr. 1 geregelt wurde. Tritt aber bei diesem Versuch bereits die schwere Folge ein, dann stellt sich die Frage, ob der Versuch nun strafbar ist. Bei § 221 werden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Lesen Sie das bitte im Skript „Strafrecht BT I“ Rn. 131 noch einmal nach.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › F. Verbotene Kraftfahrzeugrennen, § 315d › V. Konkurrenzen
V. Konkurrenzen
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Nimmt ein Veranstalter an dem von ihm ausgerichteten illegalen Kraftfahrzeugrennen zugleich auch als Kraftfahrzeugführer teil, dann hat er 2 Taten verwirklicht, die in Tateinheit gem. § 52 zueinanderstehen. Werden während eines Rennens Gefahren für unterschiedliche Rechtsgüter verursacht, dann liegt nur eine Tat vor (tatbestandliche Handlungseinheit). Tateinheit kann auch zu den §§ 248b, 315c Abs. 1 Nr. 1, 316 und § 21 StVG angenommen werden. Sofern nicht nur eine Gefährdung, sondern sogar eine Verletzung eines Individualrechtsguts eingetreten ist, steht § 315d in Tateinheit mit den §§ 211 ff., 222, 223 ff., 229, 240, 303. Entschließt sich der an einem illegalen Rennen teilnehmende Kraftfahrzeugführer nach einem Unfall zur Flucht, so bewirkt dieses Ereignis eine Zäsur, mit der Folge, dass die anschließend begangenen Taten in Tatmehrheit dazu stehen.[21]
Anmerkungen
LG Berlin NStZ 2017, 471.
BGH JuS 2018, 492.
Kubiciel/Hoven NStZ 2017, 439.
Lindemann/Bauerkamp/Chastenier Ad Legendum 1/2019, 74; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1106.
OLG Hamm Beschluss vom 28.2.2013 – 4 RBs 47/13 – BeckRS 2013, 18137 – anders OLG Hamburg – BeckRS 2016, 111 447 – wonach jedenfalls Segways zu den Kraftfahrzeugen gehören sollen.
Schönke/Schröder-Hecker StGB § 315d Rn. 3.
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1106.
BT-Drucks. 18/12964, 5.
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1106; Joecks/Jäger StGB § 315d Rn. 4; Schönke/Schröder-Hecker StGB § 315d Rn. 3.