Strafrecht Besonderer Teil III. Sabine Tofahrn
der Teilnehmer eine abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit, die vor den möglichen Konsequenzen eines Rauschzustandes bewahrt werden soll.
Hinweis
Vergegenwärtigen Sie sich in diesem Zusammenhang, dass Gastwirte auch eine Garantenstellung aus § 13 und unter den gegebenen Voraussetzungen eine Aussetzung gem. § 221 begehen können, wenn sie Gästen bis zur Schuldunfähigkeit Alkohol ausschenken. Sie schaffen mit ihrem Verhalten also nicht nur eine Gefahr für die Allgemeinheit, sondern auch für Individualrechtsguter des Trinkenden.
Der Rauschzustand wird jedoch als besonderes persönliches Merkmal angesehen, welches gem. § 28 Abs. 1 die Strafbarkeit des Täters begründet. Da dieses Merkmal regelmäßig beim Teilnehmer fehlt, wird die Strafe für den Teilnehmer gem. § 49 Abs. 1 gemildert.[13]
Beispiel
Im obigen Fall würde dies für Gastwirt G bedeuten, dass er sich jedenfalls nach h. A. der Beihilfe zu § 323a strafbar gemacht hat. Zugunsten des G wäre jedoch eine doppelte Strafmilderung zu berücksichtigen: zum einen wird schon gem. § 27 Abs. 2 der Strafrahmen herabgesetzt, zum anderen verlangt § 28 Abs. 1 eine weitere Strafmilderung.
Hinweis
Unterscheiden Sie die Beteiligung an der Rauschtat von der Beteiligung an dem Vollrausch. Eine Beteiligung an der Rauschtat selbst ist unproblematisch möglich, da die Rauschtat jedenfalls eine vorsätzliche, rechtswidrige Tat i.S.d. §§ 26, 27 darstellt.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › E. Exkurs: Vollrausch, § 323a › VI. Konkurrenzen
VI. Konkurrenzen
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§ 323a tritt subsidiär zurück, sofern der Täter aus der Rauschtat selbst bestraft werden kann. Dies ist insbesondere möglich, wenn er nur vermindert schuldunfähig gem. § 21 ist, oder aber wenn eine Bestrafung unter Hinzuziehung der actio libera in causa möglich ist.
JURIQ-Klausurtipp
Diese Subsidiarität führt dazu, dass Sie in der Klausur zunächst mit der Rauschtat beginnen. Sofern Sie bei der Prüfung des § 20 feststellen, dass der Täter schuldunfähig ist, müssen Sie alsdann danach fragen, ob eine Bestrafung in Verbindung mit den Grundsätzen der actio libera in causa in Betracht kommt. Erst wenn Sie das verneint haben, gelangen Sie zu einer Prüfung des § 323a.
Begeht der Täter im Rausch mehrere Straftaten, deretwegen er nicht bestraft werden kann, so liegt insgesamt nur eine Rauschtat vor.[14]
Anmerkungen
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1139; Joecks/Jäger § 323a Rn. 29; BGHSt 32, 48.
Küper SR BT Rn. 412; Joecks/Jäger § 323a Rn. 8.
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1142; BGHSt 32, 48.
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1142; OLG Karlsruhe NZV 2004, 592.
Fischer § 323a Rn. 11c ; SK-Wolters § 323a Rn. 18.
BGHSt GrS 9, 390; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT I Rn. 1142; a.A. Joecks/Jäger § 323a Rn. 27.
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1146.
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1149; Joecks/Jäger § 323a Rn. 22.
BGHSt 16, 124; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 1139; Schönke/Schröder-Hecker § 323a Rn. 12.
Otto Jura 1986, 479; Joecks/Jäger § 323a Rn. 25.
Joecks/Jäger § 323a Rn. 15.
Lackner/Kühl-Heger § 323a Rn. 17 m.w.N.
Schönke/Schröder-Hecker § 323a Rn. 24; BGHSt 10, 247; Joecks/Jäger § 323a Rn. 31.
BGHSt 13, 223.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte › F. Verbotene Kraftfahrzeugrennen, § 315d
F. Verbotene Kraftfahrzeugrennen, § 315d
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Wir haben uns anhand des „Berliner Raser Falles“ mit der Abgrenzungsthematik dolus eventualis – bewusste Fahrlässigkeit beim Tötungsdelikt bereits im Skript „Strafrecht BT I“ Rn. 20 beschäftigt. Lesen Sie das noch einmal nach.
Nachdem es in der Vergangenheit immer wieder zu spektakulären, illegalen Kraftfahrzeugrennen mit tödlichem Ausgang kam, deren Teilnehmer mit den bestehenden Strafrechtsnormen nicht immer schuldangemessen betraft werden konnten – man denke nur an den „Berliner Raser“ – hat der Gesetzgeber reagiert und im Jahr 2017 mit § 315d verbotene Kraftfahrzeugrennen unter Strafe gestellt.
Solche Rennen konnten bis dahin, sofern es zu keiner konkreten Gefährdung kam, nur als Ordnungswidrigkeit gem. §§ 29 Abs. 1, 49 Abs. 2 Nr. 5 StVO a.F. geahndet werden. Begingen die Teilnehmer einen der Verstöße des § 315c Abs. 1 Nr. 2 und verursachten dadurch eine konkrete Gefahr, konnten sie (und können sie immer noch) nach dieser Norm mit max. 5 Jahren Freiheitsstrafe belangt werden. Wird ein anderer gar getötet, dann stellt sich für die Gerichte immer wieder die Frage, ob nicht eine Bestrafung aus §§ 212, 211 in Betracht kommen könnte. Das LG Berlin[1] hat das seinerzeit bejaht, der BGH[2] hat diese Entscheidung allerdings aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das LG Berlin zurückverwiesen, welches dann in einem zweiten Urteil wieder eine Strafbarkeit gem. §§ 212, 211 bejaht hat. Problematisch in diesen Fällen ist stets der Nachweis des Tötungsvorsatzes, wobei