Strafrecht Besonderer Teil III. Sabine Tofahrn
§ 315d Abs. 1
II. Grundtatbestand, § 315d Abs. 1
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§ 315d Abs. 1 enthält 4 mögliche Tathandlungen:
Mit der Nr. 1 werden zum einen diejenigen bestraft, die ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen im Vorfeld ausrichten, zum anderen aber auch jene, die ein solches Rennen vor Ort dann durchführen. Nr. 2 erfasst die Teilnehmer an einem verbotenen Rennen, wobei Täter (= „Teilnehmer“ i.S.d. Norm) nur sein kann, wer das Kraftfahrzeug führt. In der Nr. 3 werden Kraftfahrzeugführer bestraft, die grob verkehrswidrig und rücksichtslos ein „Rennen gegen sich selber“ fahren.
Allen 4 Tathandlungen ist gemein, dass sie sich auf
• | ein Kraftfahrzeugrennen |
• | im öffentlichen Straßenverkehr beziehen, |
• | welches nicht erlaubt ist. |
1. Das nicht erlaubte Kraftfahrzeugrennen im öffentlichen Straßenverkehr
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Ein Kraftfahrzeugrennen ist ein Wettbewerb oder Wettbewerbsteil oder eine Veranstaltung zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten zwischen mindestens 2 Teilnehmern, unabhängig von der Länge der gefahrenen Strecke oder einer vorherigen Absprache.[4]
Bei § 315c geht die Gefährdung des Straßenverkehrs von dem Führen eines Fahrzeugs aus, wozu auch Fahrräder oder Kutschen gehören. Im Gegensatz dazu muss bei § 315d Abs. 1 der Wettbewerb zwischen Kraftfahrzeugen stattfinden, so dass ein Rennen zwischen einem Auto und z.B. einem Fahrrad nicht darunterfällt. Auch ein e-Bike, also ein Fahrrad mit einem elektrischen Hilfsantrieb, der sich bei Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h abschaltet, ist nicht als Kraftfahrzeug anzusehen.[5]
Kraftfahrzeuge sind Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.[6]
Das Rennen kann spontan ausgetragen werden oder aber im Vorfeld verabredet sein. Nicht erforderlich ist, dass die Teilnehmer gleichzeitig starten, auch ein zeitversetztes Starten ist möglich. Von daher kann auch jemand Täter sein, der erst später in einen bereits stattfindenden Wettbewerb einsteigt.[7]
Nach dem Willen des Gesetzgebers[8] und der derzeit h.M.[9] soll es ferner unerheblich sein, ob Straßenverkehrsvorschriften verletzt werden oder nicht.
Beispiel
A und B verabreden, dass der derjenige, der zuerst am Kirchturm von Kleinkleckersdorf angekommen ist, ein Abendessen auf Kosten des jeweils anderen spendiert bekommt. Dabei ist es ihnen wichtig, dass keine Straßenverkehrsvorschriften verletzt werden, insbesondere die erlaubte Geschwindigkeit eingehalten wird.
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Dafür spricht, dass sich die Gefährlichkeit eines Rennens nicht nur aus der (allerdings regelmäßig) überhöhten Geschwindigkeit, sondern auch aus dem dynamischen Prozess und der damit einhergehenden Bereitschaft, größere Risiken einzugehen und sich ablenken zu lassen, ergibt.[10]
Das Rennen muss im öffentlichen Straßenverkehr (zur Definition s. Rn. 30) stattfinden – findet es auf privatem Gelände statt, dann greift § 315d nicht.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass es sich um ein „nicht erlaubtes“ (negatives Tatbestandsmerkmal) Kraftfahrzeugrennen handelt.
Nicht erlaubt ist ein Kraftfahrzeugrennen, wenn keine behördliche Genehmigung nach § 46 Abs. 2 S. 1, 3 StVO (negatives Tatbestandsmerkmal) vorliegt.[11]
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Entscheidend ist dabei aber nicht die materielle Rechtmäßigkeit, sondern die Wirksamkeit der Genehmigung. Auch eine rechtswidrige Genehmigung ist wirksam. Etwas anderes ergibt sich nur bei Nichtigkeit der Genehmigung. Subjektiv muss sich der Vorsatz auf die erforderliche und zugleich fehlende Erlaubnis beziehen.
Beispiel
A beantragt bei der zuständigen Behörde die Genehmigung zur Durchführung eines karitativen Zwecken dienenden Rennens. Die Behörde erteilt die Genehmigung, diese ist aber aufgrund eines Fehlers nichtig, was A allerdings nicht weiß. Zusammen mit anderen richtet er dann das Rennen aus und nimmt auch selber teil, wobei ein Zuschauer zu Tode kommt.
In einem solchen Fall wäre das Rennen objektiv „nicht erlaubt“, der objektive Tatbestand des § 315d Abs. 1 damit verwirklicht. Es fehlt aber am entsprechenden Vorsatz des A. Damit kommt auch eine Strafbarkeit gem. den Abs. 2 und 5 nicht mehr in Betracht.
Wäre die Genehmigung nur rechtswidrig, aber gleichwohl wirksam erteilt worden, dann wäre schon der objektive Tatbestand nicht verwirklicht, das Rennen wäre objektiv erlaubt. Ginge nun A aber irrig davon aus, die Genehmigung sei nichtig und damit unwirksam, dann könnte er sich, jedenfalls was das Ausrichten betrifft, wegen eines untauglichen Versuchs strafbar gemacht haben (Abs. 3), wobei hier der untaugliche Versuch vom Wahndelikt abgegrenzt werden müsste, da die fehlende Erlaubnis nicht nur ein negatives, sondern auch ein normatives Tatbestandsmerkmal ist (ein Problem, welches wir im Skript „Strafrecht AT II“ dargestellt haben).
2. Tathandlungen und Täter
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§ 315d Abs. 1 Nr. 1 stellt das Ausrichten und Durchführen nicht erlaubter Kraftfahrzeugrennen unter Strafe.
In der ersten Alternative des Ausrichtens ist Täter jeder Veranstalter eines illegalen Kraftfahrzeugrennens, der als geistiger und praktischer Urheber, Planer und Veranlasser das Rennen vorbereitet, organisiert oder eigenverantwortlich ins Werk setzt.[12]
Das Ausrichten eines Kraftfahrzeugrennens erfasst demnach alle Tätigkeiten des Veranstalters, die der Vorbereitung, Organisation oder Realisierung eines illegalen Kraftfahrzeugrennens dienen.[13]
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Beispiel
Als Handlungen kommen in Betracht z.B. das Anwerben von Teilnehmern über Facebook, die Planung einer Rennstrecke, das Festlegen von Regeln und das Ausloben eines Preisgeldes.
Anders als der Ausrichter, der im Hintergrund bleibt, ist der Durchführende vor Ort tätig. Selbstverständlich kann der Ausrichter auch zugleich der Durchführende vor Ort sein. Es liegt dann aber nur eine Tat gem. § 315d Abs. 1 Nr. 1 vor.
Das Durchführen eines Kraftfahrzeugrennens ist damit das eigenverantwortliche Umsetzen des Ausrichterplanes vor Ort.[14]
Bei spontanen Kraftfahrzeugrennen gibt es naturgemäß weder einen Ausrichter noch einen Durchführenden.
Hinweis