Wirtschaftsvölkerrecht. Markus Krajewski
die Stellung der WTO außerhalb des UN-Systems eher von symbolischer Bedeutung sein, da sich durch den formalen Charakter einer UN-Sonderorganisation kaum praktische Veränderungen gegenüber der gegenwärtigen Situation ergäben.
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Zurzeit zählt die WTO 164 Mitglieder (Stand Oktober 2020).[2] Mitglieder der WTO können nicht nur Staaten sein, sondern auch selbstständige Zollgebiete, sofern sie volle Autonomie über ihre Außenwirtschaftsbeziehungen besitzen (z.B. Hong Kong), Art. XII:1 WTO-Übereinkommen.
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Die Europäische Union (ursprünglich: die Europäischen Gemeinschaften)[3] ist neben ihren 28 Mitgliedstaaten gem. Art. XI:1 WTO-Übereinkommen ebenfalls eigenständiges Mitglied der WTO. Bei Abstimmungen[4] übt entweder die EU ihr Stimmrecht aus, die dann über so viele Stimmen verfügt, wie sie Mitgliedstaaten hat oder die EU-Mitgliedstaaten stimmen selbst ab, was eine Stimmabgabe durch die EU ausschließt (Art. IX:1 WTO-Übereinkommen).
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Bei Abschluss der Uruguay-Runde war zwischen den Mitgliedstaaten und der damaligen EG, insbesondere der Kommission, umstritten, ob die EG die ausschließliche Kompetenz zum Beitritt zur WTO hatte oder ob eine geteilte Kompetenz von EG und Mitgliedstaaten bestand. Im Wesentlichen drehte sich der Streit um den Umfang des Begriffs „gemeinsame Handelspolitik“ in Art. 207 AEUV (ex-Art. 133 EGV). Der EuGH entschied in Gutachten 1/94 (WTO), dass die EG und ihre Mitgliedstaaten das WTO-Übereinkommen gemeinsam abschließen und unterzeichnen mussten, da die EG zwar ausschließlich für den Warenhandel zuständig sei, im Bereich der Dienstleistungen und den handelsbezogenen Aspekten des geistigen Eigentums die Mitgliedstaaten jedoch in erster Linie zuständig waren.[5] Es handelt sich bei dem WTO-Übereinkommen somit um ein gemischtes Abkommen.[6]
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Die WTO-Amtssprachen sind Englisch, Französisch und Spanisch. Das WTO-Übereinkommen ist auch nur in diesen Sprachen verbindlich. Die im Bundesgesetzblatt und im Amtsblatt der EU verwendete deutsche Fassung ist keine amtliche Übersetzung. Da die deutsche Fassung der WTO-Texte auch teilweise fehlerhaft und missverständlich ist, sollten für eine exakte Lösung von Rechtsfragen stets die authentischen Fassungen herangezogen werden.
Anmerkungen
Siehe dazu Teil 1 Rn. 54 f.
https://www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/tif_e/org6_e.htm.
Sowohl die Europäische Union (EU) als auch die Europäische Atomenergiegemeinschaft sind formal WTO-Mitglieder. Aus Praktikabilitätsgründen wird im Folgenden jedoch nur von der EU gesprochen.
Zu Bedeutung von Abstimmungen siehe unten Rn. 236.
EuGH, Gutachten 1/94, Slg. 1994, I-5267. Mit der früher gültigen Fassung des Art. 133 EGV (Fassung des Vertrags von Nizza) haben die Mitgliedstaaten auf diese Entscheidung reagiert und grundsätzlich eine ausschließliche Zuständigkeit der EG für alle drei Bereiche begründet. Im Dienstleistungshandel besteht allerdings eine gemischte Kompetenz für einige besonders sensible Sektoren (Gesundheit, Bildung, Soziales, Kultur und audiovisuelle Dienstleistungen). Der Vertrag von Lissabon hat diese Ausnahme aufgegeben und überträgt alle Bereiche des Dienstleistungshandels und der handelsbezogenen Aspekte des Schutzes geistiger Eigentumsrechte in die ausschließliche Kompetenz der EU, Art. 207 Abs. 1 AEUV.
Dazu Streinz, Europarecht, 11. Aufl., 2019, Rn. 1279.
b) Organe der WTO
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Die WTO verfügt über eine relativ einfache Organstruktur, die sich aus der Organstruktur des GATT 1947 entwickelt hat.[1] An ihrer Spitze steht die Ministerkonferenz. Der Allgemeine Rat ist das ständig tagende Beschlussorgan. Daneben existieren verschiedene weitere Räte, Ausschüsse und Arbeitsgruppen. Die WTO verfügt auch über ein Sekretariat unter Leitung des Generaldirektors, das sich aus organisationseigenen Bediensteten zusammensetzt. Ein Exekutivausschuss oder Lenkungsgremium existiert in der WTO ebenso wenig wie eine parlamentarische Versammlung.
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Die Ministerkonferenz (= Ministerial Conference) ist das höchste Organ der WTO und tritt mindestens alle zwei Jahre zusammen, um die Entwicklung des Welthandels politisch zu koordinieren, Art. IV:1 WTO-Übereinkommen.[2] Sie setzt sich regelmäßig aus den Wirtschafts- oder Handelsministern der WTO-Mitglieder zusammen. Die Ministerkonferenz ist für alle Fragen, die multilaterale Übereinkommen betreffen, zuständig und kann hierzu Beschlüsse fassen. Die Ministerkonferenz ernennt den Generaldirektor der WTO und legt dessen Amtszeit, Aufgaben und Befugnisse fest. Die Ministerkonferenz entscheidet über die Aufnahme neuer Mitglieder (Art. XII:2 WTO-Übereinkommen). Sie hat schließlich die Kompetenz, das WTO-Übereinkommen und die multilateralen Handelsübereinkommen verbindlich auszulegen (Art. IX:2 WTO-Übereinkommen).
Figur 3:
Organstruktur der WTO[3]
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Der Allgemeine Rat (General Council) nimmt die Aufgaben der Ministerkonferenz zwischen deren Tagungen wahr (Art. IV:2 WTO-Übereinkommen) und kommt regelmäßig einmal monatlich zusammen. Er ist das zentrale Organ der WTO und kann über alle die Organisation betreffenden Fragen (Beitritte, Ausnahmegenehmigungen, Beziehungen zu den zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen) entscheiden. Der Allgemeine Rat genehmigt den Jahreshaushalt der WTO (Artikel VII WTO-Übereinkommen) und kann ebenfalls verbindliche Auslegungsentscheidungen treffen (Art. IX:2 WTO-Übereinkommen). Er tritt außerdem als Streitbeilegungsgremium (Dispute Settlement Body, DSB) bzw. als Organ zur Überprüfung der Handelspolitiken (Trade Policy Review Body, TPRB) zusammen, Artikel IV:3 und 4 des WTO-Übereinkommens.
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Unter Leitung des Allgemeinen Rats sind drei weitere, spezielle Räte tätig, die den drei „Säulen“ des WTO-Übereinkommens zugeordnet sind (Rat für den Handel mit Waren, Rat für den Handel mit Dienstleistungen und Rat für handelsbezogene Aspekte der geistigen Eigentumsrechte). Gemäß Artikel IV:5 des WTO-Übereinkommens überwachen sie die Wirkungsweise der jeweiligen Übereinkommen. Die Aufgaben der Haupträte ergeben sich aus den jeweiligen Abkommen oder werden vom Allgemeinen Rat festgelegt.
229
Dem Allgemeinen Rat, dem Rat für Warenhandel und dem Rat für Dienstleistungshandel sind eine Reihe von Ausschüssen (committees) und Arbeitsgruppen (working groups/working parties) untergeordnet. Einige haben thematisch übergreifende Aufgabenfelder (z.B. Ausschuss für Handel und Umwelt,