Arbeitsrecht. Jean-Martin Jünger
eines Zweck- oder Regionalverbandes stehen, keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Trägers gegenüber Kindern und Eltern oder dem politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in Einrichtungen, auf die dieser Absatz Anwendung findet, zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Kindern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Fachkraft oder eine andere Betreuungs- oder Erziehungsperson gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt.“ Die Stadt berief sich auf diese Vorschrift und forderte die Erzieherin auf, ihr Kopftuch während des Dienstes abzulegen. Dies verweigerte die Angesprochene. Daraufhin erhielt sie eine Abmahnung. Diese hielt einer Überprüfung durch das BAG[3] stand. Das BAG betonte, dass die o.g. Vorschrift nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Die Arbeitnehmerin habe das „Bekundungsverbot“ bewusst und dauerhaft verletzt, was abmahnfähig sei. Das Verhalten der Erzieherin sei geeignet, die Neutralität der Stadt gegenüber Kindern und Eltern und den religiösen „Einrichtungsfrieden“ zu gefährden. Eine Erzieherin nehme als Bezugs- und Autoritätsperson eine Mittelpunktfunktion ein und habe einen hohen Einfluss auf die Kinder. Dies, so urteilten die Richter unterm Strich, erlaube es der Stadt, auf ein Erscheinungsbild ohne „islamisches Kopftuch“ zu bestehen. Zwar stehe der Erzieherin natürlich das Recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu. Andererseits sei es den Kindern und Eltern aber zuzubilligen, „kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben“. Gemeinsam mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umfasse Art. 4 Abs. 1 GG das Recht der Eltern zur Kindererziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht, deswegen sei es deren Sache, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln, die sie für richtig hielten. Dazu gehört nach Ansicht der BAG-Richter auch das Recht, die Kinder von Glaubensüberzeugungen fernzuhalten, die den Eltern falsch oder schädlich erscheinen.[4]
JURIQ-Klausurtipp
In der Prüfung ist also besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob der Arbeitnehmer in einer privaten Organisation beschäftigt wird oder im öffentlich-rechtlichen Bereich. Das eben zweitgenannte Urteil des BAG aus dem Jahr 2010 verweist im Übrigen auch auf ein wichtiges Urteil des EGMR zum Thema „Kopftuch einer Lehrerin“. Sie sollten das Urteil aus Straßburg[5] kennen.
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Auch der Arbeitgeber kann sich auf Grundrechte berufen. So ist dem Arbeitnehmer etwa mit Blick auf die Berufsfreiheit des Arbeitgebers aus Art. 12 GG zuzumuten, dass er eine unternehmerische Grundentscheidung wie etwa die Wegrationalisierung seines Arbeitsplatzes hinnimmt.
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Art. 9 Abs. 3 GG enthält eine besondere Regelung, die auch ohne den eben beschriebenen „Umweg“ direkt auf das Arbeitsverhältnis Einfluss nimmt. Die Sätze 1 und 2 der Norm lauten:
Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.
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Der Verfassungsgeber hat also ausdrücklich klargestellt, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien keine Regelungen getroffen werden dürfen, die etwa die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu einer Gewerkschaft untersagen. Solche Klauseln im Arbeitsvertrag sind ohne Weiteres nichtig, der Arbeitnehmer darf sie ignorieren.
3. Einfaches Recht
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Eine der wichtigsten Quellen im normierten einfachen Recht ist das Bürgerliche Gesetzbuch. In den §§ 611 ff. des BGB sind Regelungen zum generellen Typus des Dienstvertrages und im mittlerweile neu eingeführten § 611a zum Arbeitsvertrag als speziellem Dienstvertrag enthalten. Begriffe wie „Arbeitnehmer“, „Arbeitgeber“ und „Arbeitsverhältnis“ deuten dabei auf Spezialnormen des Arbeitsrechts hin.[6]
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Im BGB finden sich darüber hinaus im allgemeinen Teil Vorschriften, die direkt im Arbeitsrecht gelten (etwa die Regelungen zur Geschäftsfähigkeit, Anfechtung von Willenserklärungen, Sittenwidrigkeit[7]) oder deren Rechtsgedanke von der Rechtsprechung weiterentwickelt und angepasst wurde (zum Beispiel die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB, die eine Abmahnung als milderes Mittel vor der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses vorsieht).
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Auf der Ebene des einfachen Rechts spielt weiterhin eine große Rolle das „Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“ (TzBfG), welches die Teilzeitarbeit in Grundzügen regelt und unter bestimmten Voraussetzungen die Befristung und Bedingung von Arbeitsverhältnissen erlaubt.
Während der Durchführung des Arbeitsverhältnisses sind unter anderem das Arbeitszeitgesetz, das Bundesurlaubsgesetz und das Entgeltfortzahlungsgesetz wichtig, die neben vielen anderen Schutzgesetzen den Inhalt des Arbeitsverhältnisses maßgeblich mitbestimmen. Von enormer Bedeutung ist auch § 106 GewO, der das Weisungsrecht des Arbeitgebers regelt. Wenn es um die Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen geht, ist das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) von großer praktischer Bedeutung.
4. Sonstige Rechtsquellen
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Weitere wichtige Regelungen können sich aus dem Arbeitsvertrag (§ 611a BGB), dem Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Nähere Erläuterungen dazu finden Sie weiter unten.[8]
Anmerkungen
BAG Urteil vom 10.10.2002, Az.: 2 AZR 472/01.
Nach BAGE 103, 111–123.
Nach BAG NZA-RR 2011, 162–166.
Nach BAG NZA-RR 2011, 162–166.
EGMR Urteil vom 10.11.2005, NVW 2006, 1389.
Vgl. §§ 611a, 612a, 613a, 619a, 622, 623 BGB.
Wiederholen Sie hierzu die Ausführungen in den Skripten „BGB AT I und II“.
Arbeitsvertrag: Rn. 26 ff.; Tarifvertrag: Rn. 373 ff.; Betriebsvereinbarung: Rn. 543 ff.
2. Teil Individualarbeitsrecht
Inhaltsverzeichnis