Arbeitsrecht. Jean-Martin Jünger
Im Laufe der Jahre und der Rechtsprechung hat sich nach allgemeiner Ansicht folgende Definition bewährt und nun Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden:
Laut § 611a Abs. 1 S. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer sich auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zu weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.[3]
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Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen steht fest, dass der Betroffene nicht im Rahmen eines unentgeltlichen Auftragsverhältnisses, freien Dienstverhältnisses (§ 611 BGB) oder eines Werkvertrages (§ 631 BGB) handelt.
JURIQ-Klausurtipp
Bei der Klausurbearbeitung muss man sich zuerst nach dem Wortlaut des Sachverhalts richten. Nur wenn dort nicht von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, Arbeiter oder Angestelltem gesprochen wird, ist es nötig, mithilfe der Sachverhaltsangaben den Charakter des Vertrags zu ermitteln. Dazu müssen alle äußeren und inneren Merkmale herangezogen werden, die aus dem gegebenen Sachverhalt hervorgehen. Die konkrete Bezeichnung des Vertragsverhältnisses (z.B. Überschrift „Vertrag für freie Mitarbeiter“) kann nur als Indiz gewertet werden. Maßgeblich für die Qualifizierung des Rechtsverhältnisses ist nämlich seine tatsächliche Durchführung. Erscheint dieses nach Würdigung der äußeren Umstände als Arbeitsverhältnis, so sind die Parteien als Arbeitnehmer und Arbeitgeber einzuordnen und zu behandeln.
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Bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft eines Beteiligten können Sie sich an folgenden Fragen orientieren:
Arbeitnehmereigenschaft
I.Ist der Vertrag dem Privatrecht zuzuordnen?
II.Ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger Dienste i.S.d. § 611a BGB zu erbringen?
III.Kann er dabei nicht selbstständig handeln?
WeisungsgebundenheitRn. 48
1. Privatrechtlicher Vertrag
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Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien muss zunächst dem privaten Recht zuzuordnen sein. An dieser Stelle ist eine Abgrenzung zu öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen notwendig. Dem Anwendungsbereich des Arbeitsrechts unterfallen demnach etwa nicht Beamte, Soldaten und Richter. Diese Beziehungen basieren nämlich nicht auf einer „Einstellung“, also dem Abschluss eines Arbeitsvertrags. Rechtsgrundlage für die genannten Berufsbilder ist vielmehr die Ernennung, also die hoheitliche Indienststellung des Betroffenen durch einen Verwaltungsakt. Diese Rechtsbeziehungen ergeben sich also aus dem öffentlichen Recht.
Hinweis
Bitte nicht Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst verwechseln oder gleichstellen. Personen, die als Angestellte des öffentlichen Dienstes gelten, sind mit dem öffentlichen Träger der Staatsgewalt durch einen privatrechtlichen Vertrag verbunden. Diese Personen sind als privatrechtliche Arbeitnehmer zu qualifizieren.
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Nicht auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen weiterhin Tätigkeiten, die eine Person ausschließlich aufgrund familiärer Bindungen erbringt, etwa im Rahmen des § 1360 BGB.
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Strafgefangene, die während der Inhaftierung in der Haftanstalt Arbeit verrichten, sind ebenfalls keine Arbeitnehmer. Ihre Tätigkeit fußt allein auf einem staatlichen Zwangsverhältnis und gehört somit dem öffentlichen Recht an.[4]
An dieser Stelle rufen Sie sich bitte nochmals die im besonderen Schuldrecht gelernten Voraussetzungen der §§ 611, 631, 662, 705 BGB ins Gedächtnis.
2. Vertrag nach §§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB
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In der Prüfung muss zunächst ausgeschlossen werden, dass ein Werkvertrag vorliegt.
Hinweis
Hier hilft die aus dem allgemeinen Zivilrecht bekannte Faustregel „Beim Dienstvertrag wird die Tätigkeit, beim Werkvertrag der Erfolg geschuldet“ weiter.
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Auszuschließen ist als Nächstes das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages gem. § 705 ff. BGB. Mit einem solchen Vertrag regeln die Vertragsparteien, dass sie zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks kooperieren und ihre Einsätze mit Blick auf diesen Zweck leisten wollen (§ 705 BGB). Ein solcher Einsatz kann auch in der Erbringung von Arbeitsleistung bestehen (§ 706 Abs. 3 BGB).
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Die Dienste müssen gegen ein Entgelt erbracht werden. Wenn zwischen den Parteien Klarheit darüber herrscht, dass keine Vergütungsansprüche des Dienstleistenden bestehen, kann ein Auftrag i.S.d. §§ 662 ff. BGB vorliegen. Wenn hingegen die Parteien nicht über eine Vergütung gesprochen haben, aber Dienste wie die vereinbarten normalerweise nur gegen Geld erbracht werden, kann auch § 612 Abs. 1 BGB eingreifen. Diese Norm regelt die Höhe des Vergütungsanspruchs in diesen Fällen.
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Steht danach fest, dass § 611a BGB einschlägig ist, ist nach Maßgabe des folgenden Kapitels „Unselbstständigkeit der Dienstleistung“ zu ermitteln, ob ein so genannter freier Dienstvertrag oder ein Arbeitsvertrag vorliegt.
3. Unselbstständigkeit der Dienstleistung
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JURIQ-Klausurtipp
Auf dem Prüfungspunkt der Unselbstständigkeit der zu erbringenden Dienstleistung liegt in der Regel der bzw. ein Schwerpunkt der Klausur. An dieser Stelle sollte also der Sachverhalt genau ausgewertet und das Ergebnis im Gutachten umfangreich dargestellt werden. Wer hier lediglich eine halbe Seite schreibt, verschenkt in der Regel wertvolle Punkte!
Im Gegensatz zum Arbeitsvertrag wird die Dienstleistung im Rahmen eines freien Dienstvertrags in Selbstbestimmung und persönlicher Unabhängigkeit erbracht. Der Arbeitnehmer hingegen ist persönlich abhängig und fremdbestimmt durch den Arbeitgeber.
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Die Rechtsprechung hat Beurteilungsgrundsätze entwickelt, die bei der Zuordnung eines Dienstleistenden zum abhängigen Arbeitnehmer helfen können. Es ist aber darauf zu achten, dass ein „Abhaken“ vorgegebener Prüfungspunkte nicht immer zur sachgerechten Lösung führt. Vielmehr ist im Einzelfall auf die einzelnen tatsächlichen und rechtlichen Umstände abzustellen. Hierbei hat in der Regel der tatsächlich gelebte Vertragsinhalt ein höheres Gewicht als die vertraglich festgeschriebenen Regelungen. Denn das tatsächliche Verhalten der Parteien bestimmt maßgeblich den Inhalt des Vertragsverhältnisses, nicht ihre eventuell nur auf dem Papier stehenden Vereinbarungen. Insgesamt sind also sämtliche Umstände des Einzelfalls zu beachten und in ihrer Gesamtheit zu würdigen.[5]
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