Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher

Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht - Thomas Rauscher


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rechtsvergleichende insoweit, als mit auslandsrechtlichen Normen sinnvoll umzugehen ist. Der Umfang der Fälle überschreitet hingegen den üblicher Klausuren, die in Abhängigkeit von den jeweiligen Prüfungsordnungen meist zwischen 2 und 5 Stunden Bearbeitungszeit haben.

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      Wer mit diesem Buch arbeitet, möchte Sicherheit gewinnen, die Prüfung zu bestehen.

      Dazu gehört Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, die das Buch ermöglicht, aber nicht überwachen kann. Alle Hinweise, auch diejenigen auf die behandelten Themen, finden sich nach der Überschrift „Strukturierung des Falles“. Wer sich selbst einer Prüfungssituation aussetzen will, legt nur den Falltext und die anschließenden Materialien zugrunde. Wie in jeder juristischen Falllösung bedeutet die Strukturierung des Falles, also eine gründliche Skizze, welche die Probleme abarbeitet und logisch aufbauend löst, eine unverzichtbare Grundlage. Hierauf sollten 50–60 % der verfügbaren Zeit verwendet werden. Je besser die Skizze ist, um so mehr wird der Rest zur bloßen Ausformulierung bereits gelöster Fragen. Wer keine Probleme hat, fließend zu formulieren, kann getrost die Fälle auch nur als vollständige Lösungsskizze bearbeiten und seine Lösung an der jeweils ausführlichen „Strukturierung des Falles“ messen.

      1. Teil Hinweise zur Bearbeitung von Fällen mit Auslandsbezug › II. Besonderheiten des Falles mit Auslandsbezug

II. Besonderheiten des Falles mit Auslandsbezug

      a) Logik statt Schemata

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      Noch weniger als bei der Klausur zum BGB ist es beim Auslandsfall ratsam, auswendig gelernten Aufbauschemata zu folgen. Die Fallgestaltungen sind vielfältig und die logisch geordnete Darstellung lässt sich nicht universell tauglich schematisieren. Im Übrigen gilt wie in jedem juristischen Gutachten auch hier das Prinzip, Fragen dort zu erörtern, wo sie sich stellen, weil die systematisch nachfolgende Norm in einem Regelungskomplex oder das nächste Tatbestandsmerkmal einer Norm die Frage aufwirft. Gewisse Unterschiede ergeben sich bei der groben Gliederung von Themenkomplexen und der Feingliederung einzelner Probleme.

      b) Grobgliederung

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      Wird man nicht ohnehin durch Fallfragen zu einer bestimmten Grobgliederung aufgefordert, so empfiehlt sich in den recht häufigen Fällen, in denen nach der Entscheidung des angerufenen Gerichts oder der Beurteilung einer inhaltlich bereits bezeichneten Klage gefragt wird, ein Aufbau, der nacheinander Zulässigkeit (überwiegend die internationale, teils auch die örtliche, sachliche und funktionale Zuständigkeit), Kollisionsnormen und materielle Rechtslage behandelt.

      Ist hingegen in einer Beratungssituation nach den rechtlichen Möglichkeiten in einer Fallsituation gefragt, kann es zunächst erforderlich sein, das anwendbare Recht zu bestimmen, und erst danach die internationale Zuständigkeit für ein nach dem materiellen Recht aussichtsreiches Begehren.

      Sind im selben Verfahren mehrere Gegenstände zu behandeln, die verschiedenen Regeln unterliegen (zB der Scheidungsverbund, in dem die Scheidung selbst und jede Folgesache bei Zuständigkeit und IPR eigenen Regeln folgen), so dient es meist der Verständlichkeit der Darstellung, zuerst für alle Gegenstände die Zulässigkeit/Zuständigkeit zu prüfen und dann zum IPR überzugehen.

      Die Sorge, den „Gutachtenstil“ nicht zu verletzen, darf nicht dazu verleiten, einen Aufbau nach der letztlich angewendeten Anspruchsgrundlage des vom IPR berufenen Rechts zu wählen. Fälle mit Auslandsbezug sind in der gerichtlichen Praxis oft Gegenstand von „echten“ Rechtsgutachten und kein Gericht hätte Verständnis, wenn die systematische Verständlichkeit unter einem gezwungen wirkenden Gesamtaufbau leidet. Aufteilung einzelner Problemfelder in der Gesamtgliederung ist hier gefordert.

      c) Feingliederung

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      Die Feingliederung wird nicht von Grundregeln bestimmt, sondern von der Normlogik. In welcher Reihenfolge in einer Zuständigkeitsprüfung die internationale, örtliche und sachliche Zuständigkeit stehen, ob man zuerst das KSÜ oder zuerst die Brüssel IIa-VO prüft, ob man bei einer doppelstaatigen Person mit Art. 7 Abs. 1 EGBGB oder mit Art. 5 Abs. 1 EGBGB beginnt, kann kein noch überschaubar gehaltenes Schema (das dann wenn es darauf ankommt, nicht als zulässiges Hilfsmittel zur Hand ist) entscheiden. Logische Einordnung erklärt die Stellung des Problems im Fallaufbau zwanglos: Die internationale steht vor der örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit – ehe wir nicht wissen, dass deutsche Gerichte zuständig sind, stellt sich die Frage nach dem örtlich zuständigen Gericht nicht. Die Brüssel IIa-VO ist vor dem KSÜ zu prüfen, denn sie regelt ihr Verhältnis zum Anwendungsbereich des KSÜ in Art. 61 Brüssel IIa-VO. Art. 5 Abs. 1 EGBGB interessiert so lange nicht, wie nicht eine Verweisungsnorm die Staatsangehörigkeit ins Spiel bringt, also ist erst Art. 7 Abs. 1 EGBGB zu prüfen, der die Frage impliziert, wie mit einem Doppelstaater als Anknüpfungssubjekt zu verfahren ist.

      d) Checklisten

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      Hilfreich als Wegweiser in der Fülle gelernter Fragestellungen können Checklisten sein, die für die großen Themen in einer Grobgliederung die in Betracht zu ziehenden Aspekte und die sie regelnden Rechtsinstrumente auflisten. Nicht nach Art eines Aufbauschemas, sondern als Gedächtnisstütze, die der Bearbeiter wie ein Pilot vor oder nach einem bestimmten Abschnitt der Reise durch den Fall in Gedanken „abhakt“, um zu prüfen, ob etwas womöglich Relevantes übersehen wurde. Eine Checkliste übt im Gegensatz zu einem Aufbauschema auf Prüfungskandidaten nicht den magischen Zwang aus, jeden Punkt zu erörtern. Sind Aspekte unproblematisch, so bedeutet die Erwähnung auf der Checkliste nicht, dass man darüber im Gutachten Worte verliert. So ist der in Klausuren äußerst beliebte Prüfungspunkt „Qualifikation“ zwar eine schöne Ovation an den Savigny‘schen „Sitz des Rechtsverhältnisses“, wirkt aber ziemlich aufgesetzt, wenn man ihn ohne Anlass in die Breite zieht. Die Qualifikation hat allerdings in jüngerer Zeit eine neue, nicht zu unterschätzende Facette hinzugewonnen, weil EG/EU-Verordnungen manches anders qualifizieren als wir es vom EGBGB gewohnt sind; berühmtes Beispiel ist die – in Verkennung der auch vom EuGH immer vertretenen funktionalen Qualifikation judizierte – erbrechtliche Behandlung des § 1371 Abs. 1 BGB durch den EuGH.

      Auch Checklisten sind als Hilfsmittel nicht zugelassen – was bedauerlich ist, denn kein vernünftiger Praktiker wird der Selbstüberschätzung erliegen, alle in einem Fall in Betracht kommenden Aspekte und Regeln auswendig zu kennen. Nun sollen sich ja deutsche juristische Prüfungskandidaten in einem später nie mehr erreichten Zustand der Allwissenheit befinden, was aber die Verwendung der Checkliste nicht ausschließt; sie ist nämlich im Vergleich zu Schemata eher kurz. Und wenn sie im Laufe des Lernens mit diesem Buch selbst erstellt wird, dann prägt sie sich durchaus ein.

      e) Beispiel: Checkliste Internationale Zuständigkeit

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      Europarecht

Brüssel Ia-VO // Brüssel I-VO
EG-VollstrTitelVO, EG-Mahn-VO, EG-BagatellVO
EG-UntVO– Brüssel II-VO // Brüssel IIa-VO
EU-ErbVO, EU-EheGüterVO, EU-ELPGüterVO
sachlich – zeitlich – räumlich(-persönlich)

      Völkerverträge


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