Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher
in Schlussbestimmungen häufig über detaillierte intertemporale Regeln. Beim Übergang zu EU-Instrumenten wird es häufig sinnvoll sein, die intertemporale Anwendung vorab zu prüfen, wenn der sachliche Anwendungsbereich naheliegt, aber das neue EU-Instrument zeitlich noch nicht anwendbar ist (zB wird man derzeit nicht – auch nicht hilfsgutachtlich – in einem Erbfall die bereits existente, aber noch nicht anwendbare EU-ErbVO auf ihren potentiellen materiellen Anwendungsbereich hin untersuchen).
c) Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich
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Völker- und europarechtliche Rechtsinstrumente, die nicht loi uniforme sind, haben einen begrenzten räumlich-persönlichen Anwendungsbereich, der ebenfalls vor Anwendung des regelnden Teils des Instruments zu prüfen ist. Hier unterläuft nicht selten der Fehler, dass instinktive Ansichten zum Anwendungsbereich an die Stelle der entsprechenden Bestimmungen des Instruments gesetzt werden. Wenn im Fall ein deutscher und ein polnischer Staatsangehöriger vorkommen, dann bedeutet dies, auch wenn Polen Vertragsstaat ist, selbstverständlich nicht, dass der Fall den zB vom UN-Kaufrecht geforderten Bezug zu einem anderen Vertragsstaat hat.
d) Verhältnis zu anderen Instrumenten
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Die völkervertraglichen, vor allem aber die in den letzten zwei Jahrzehnten in großer Zahl geschaffenen europarechtlichen Instrumente bringen es mit sich, dass in vielen Fällen mit Auslandsbezug mehrere materiell einschlägige Rechtsinstrumente existieren. Ob ein deutsches Gericht seine internationale Zuständigkeit für eine Sorgerechtsregelung nach Art. 1 KSÜ, 1 MSA, 9 ff Brüssel IIa-VO oder § 99 FamFG bestimmt, ist in der Prüfung nicht zuletzt ein Aufbauproblem. Hierbei empfiehlt es sich in der Reihenfolge Europarecht – Völkerrecht – Deutsches Recht vorzugehen. Europarechtliche Instrumente zur Zuständigkeit regeln in ihren Schlussartikeln nämlich ihr Verhältnis zu Völkerverträgen. Völkerverträge verdrängen in ihrem Anwendungsbereich das nationale IZPR. Gelangt man im Beispiel tatsächlich zu deutschem Verfahrensrecht, dann stellt sich für einen in dritter Instanz (Revision bzw Rechtsbeschwerde) noch anhängigen Fall – knapp 10 Jahre nach Inkrafttreten des FamFG nur noch selten – die Abgrenzung zwischen §§ 43, 35b FGG aF und § 99 FamFG als intertemporales Problem, das aus Sicht der jüngeren Norm zu beantworten ist.[2]
Anmerkungen
Einführung in die Rechtsvergleichung (3. Aufl., 1996).
In diesem Fall Art. 111 FGG-RG.
2. Teil Klausuren
Inhaltsverzeichnis
V. Außervertragliches Schuldrecht
2. Teil Klausuren › I. Namens- und Personenrecht
I. Namens- und Personenrecht
2. Teil Klausuren › I. Namens- und Personenrecht › Fall 1 Der vietnamesische Name
Fall 1 Der vietnamesische Name
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Die vietnamesische Staatsangehörige Hu Thi Ying und der vietnamesische Staatsangehörige Thieu Phan John haben sich 1980 in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) kennengelernt. Da John in der ehemaligen Republik Vietnam (Süd-Vietnam) einer pro-amerikanischen Partei angehört hatte und nach dem Sieg der Viet Kong in der Volksrepublik Vietnam deshalb Verfolgungen ausgesetzt war, floh das Paar 1980 auf einem Fischkutter in das Südchinesische Meer. Dort wurden sie mit anderen Flüchtlingen von einem italienischen Handelsschiff aufgegriffen und gelangten nach Italien, wo sie um Asyl nachsuchten.
Auf ihren Antrag wurde Ying am 10.11.1981 aus der vietnamesischen Staatsangehörigkeit entlassen. Am 20.12.1981 schlossen Ying und John vor dem Personenstandsbeamten der Stadt Bologna die Ehe.
Aufgrund von Absprachen zwischen Italien und Deutschland über die Aufnahme von Flüchtlingen wurde den Ehegatten eine Aufnahme in Deutschland angeboten; hier leben sie seit Oktober 1982.
Da der Untergang der kommunistischen Herrschaften in Osteuropa auch einen allmählichen Liberalisierungsprozess in Vietnam zur Folge hatte, bemühte sich John seit 1990 um Kontakte zu in Deutschland lebenden Vietnamesen. Im Jahr 1993 ließ er sich schließlich durch das vietnamesische Generalkonsulat in Bonn wieder einen vietnamesischen Pass ausstellen.
Am 25.2.1996 wurde in Frankfurt/Main der gemeinsame Sohn Frank geboren. Aus diesem Anlass wurde beim Standesamt Frankfurt/Main ein Familienbuch angelegt. Der notariell beglaubigte Antrag der Ehegatten vom 27.2.1996 enthielt die Erklärung: „Wir bestimmen als Ehenamen gemäß § 1355 Abs. 1 S. 1 BGB den Namen des Ehemannes „Thieu“. Die Eintragung im Familienbuch erfolgte entsprechend.
1998 erwarb Ying auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 4.12.2017 wurde die Ehe von John und Ying durch das Amtsgericht – Familiengericht – Frankfurt/Main geschieden. Ying beantragt beim Standesamt Frankfurt/Main am 2.1.2018, die ihrer Ansicht nach falsche Eintragung ihres Familiennamens im Familienbuch zu ändern. Außerdem erklärt sie am selben Tag in notariell beglaubigter Urkunde gegenüber dem Standesamt: „Ich nehme meinen vor der Ehe geführten Namen Hu wieder an und erkläre gemäß Art. 47 EGBGB die Umwandelung meines Vornamens Ying in „Yvonne“ und die Umwandelung meines Nachnamens Hu in „Huber“.
1. | Ist der Antrag der Ying beim Standesbeamten erfolgreich? |
2. | Trifft die im Familienbuch eingetragene Namensführung zu? |
3. | Welchen Familien- und Vornamen führt Ying nunmehr? |
4. |
Nach welchem Recht beurteilt sich der Familienname von Frank? Ist eine Rechtswahl zu deutschem |