BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
von T verfügt, weil F zugunsten von S verfügte. Die Verfügungen waren daher nur als Einheit gewollt. Damit sind alle vertragsmäßigen Verfügungen unwirksam. Somit liegt kein Erbvertrag mehr vor, folglich tritt die gesetzliche Erbfolge ein. F hat danach keinen Anspruch auf Erteilung des von ihr begehrten Erbscheins.
Fall 20 (→ Rn. 261):
Die Vermächtnisse könnten gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 unwirksam sein, wenn sie ein Recht der W aus einem wirksamen Erbvertrag beeinträchtigen würden.
Dies setzt zunächst voraus, dass überhaupt ein wirksamer Erbvertrag vorlag. Ein solcher ist nur dann gegeben, wenn zumindest eine vertragsmäßige Verfügung vorliegt (vgl. § 2278 Abs. 1, → Rn. 271). Ob eine Verfügung vertragsmäßig ist, ist eine Frage der Auslegung (→ Rn. 274). Die gegenseitige Einsetzung der Vertragspartner ist regelmäßig vertragsmäßig (→ Rn. 274). Damit liegt ein Erbvertrag vor.
Fraglich ist jedoch, ob auch die Erbeinsetzung von V und W eine vertragsmäßige Verfügung war. Der Vertragspartner (hier: X) muss an der Zuwendung an den Dritten ein eigenes Interesse haben. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Vertragspartner mit dem Dritten verwandt ist oder ihm sonst nahesteht. Die Tatsache, dass der vorgesehene Schlusserbe nur mit Y verwandt war, spricht daher gegen eine vertragsmäßige Verfügung der Y. Mit der Einsetzung der W als Ersatzerbin wollte sich F gegenüber X ebenfalls nicht vertraglich binden. Es handelt sich somit nicht um eine vertragsmäßige Verfügung, sondern nur um eine einseitige Verfügung, sodass § 2289 Abs. 1 S. 2 nicht eingreift.
W ist daher als Schlusserbin der F wirksam durch die ausgesetzten Vermächtnisse belastet (§§ 2299 Abs. 2, 2258 Abs. 1, 2147).
Fall 21[115] (→ Rn. 261):
W und N haben 1990 einen sog. entgeltlichen Erbvertrag und einen korrespondierenden Verpfründungsvertrag abgeschlossen (→ Rn. 310). Die Erbringung der Pflegeleistungen durch N war jedoch nicht als aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1) vereinbart, sodass der Erbvertrag nicht schon deshalb unwirksam war.
W könnte jedoch wirksam vom Erbvertrag zurückgetreten sein. Eine wirksame Rücktrittserklärung i.S.d. § 2296 liegt laut Sachverhalt vor. Ein Rücktrittsrecht des W könnte sich aus § 2295 ergeben. Dies setzt voraus, dass die Erbeinsetzung des N mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des N, W während dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, getroffen wurde und diese Verpflichtung vor dem Tod des W aufgehoben wurde. Zwischen der Erbeinsetzung des N und dessen Verpflichtung zu Pflegeleistungen bestand ein innerer Zusammenhang i.S.d. § 2295; die Verpflichtung des N war der maßgebliche Beweggrund für W, diesen zum Erben einzusetzen und beide waren sich darüber einig. Eine „Aufhebung“ i.S.d. § 2295 liegt auch dann vor, wenn die Verpflichtung nachträglich unmöglich wird (§ 275 Abs. 1) (→ Rn. 312). Dies war hier der Fall, weil die Erbringung von häuslichen Pflegeleistungen durch N nicht mehr möglich war, nachdem W ins Alten- und Pflegeheim gezogen war. W war mithin gem. § 2295 zum Rücktritt berechtigt. Der Erbvertrag war folglich unwirksam, sodass die Feststellungsklage begründet ist.
Anmerkungen
Vgl. Staudinger/Kanzleiter, 2014, Einl. zu §§ 2274 ff. Rn. 3; Lange, ErbR, 2. Aufl. 2017, § 17 Rn. 143.
Vgl. Staudinger/Kanzleiter, 2014, Einl. zu §§ 2274 ff. Rn. 25 f.; Röthel JURA 2014, 781, 784 f.
Vgl. dazu BeckOGK/Röhl § 2274 Rn. 38 ff.
Vgl. Staudinger/Kanzleiter, 2014, Einl. zu §§ 2274 ff. Rn. 25 f.; Röthel JURA 2014, 781, 783 f.
Vgl. Staudinger/Kanzleiter, 2014, Einl. zu §§ 2274 ff. Rn. 28; Röthel JURA 2014, 781, 784.
Vgl. schon RG v. 9.11.1907 – V 73/07, RGZ 67, 65.
Vgl. RG v. 3.2.1916 – IV 295/15, LZ 1916, 1032; BeckOGK/Röhl § 2274 Rn. 26.
Vgl. Staudinger/Kanzleiter, 2014, Einl. zu §§ 2274 ff. Rn. 3.
Vgl. MüKoBGB/Musielak Vorbem. zu §§ 2274 ff. Rn. 27 m.w.N.
Vgl. LG Köln v. 5.7.1987 – 13 S 171/77, DNotZ 1978, 685.
Vgl. Mot. V, 314; MüKoBGB/Musielak Vorbem. zu §§ 2274 ff. Rn. 2.
Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen v. 17.7.2017, BGBl. I, 2249.
Vgl. BeckOGK/Röhl § 2275 Rn. 18; Schlüter/Röthel, ErbR, 17. Aufl. 2015, § 23 Rn. 6.
Historischer Hintergrund des § 2276 Abs. 2 ist, dass § 2233 ursprünglich die Zuziehung von Überwachungspersonen vorschrieb (bis 1953 generell, danach nur noch bei Beteiligung Tauber, Blinder oder Stummer); dies wurde jedoch durch das BeurkG m.W.v. 1.1.1970 abgeschafft. Vgl. zum Ganzen BeckOGK/Röhl § 2276 Rn. 17 ff.; Staudinger/Baumann, 2018, § 2333 Rn. 1 ff.; Staudinger/Kanzleiter, 2014, § 2276 Rn. 7 ff.
Vgl. Staudinger/Kanzleiter, 2014, § 2278 Rn. 3.
Vgl. Mot. V, 347.
Vgl. OLG München v. 3.11.2014 – 31 Wx 280/14, FGPrax 2015, 88.
Vgl. BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, NJW 1958, 498; BGH v. 12.10.1960 – V ZR 65/59, NJW 1961, 120; OLG Hamm v. 28.6.2004 – 15 W 213/04, NJW-RR 2015, 450; OLG Düsseldorf v. 6.12.2011 – 3 Wx 261/11, NJW-RR