BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
277 ff.). Der Erblasser könnte versucht sein, Nachlassgegenstände schon zu Lebzeiten zu verschenken oder sonst zu veräußern oder gar zu beschädigen oder zu zerstören, um sie so dem vertragsmäßigen Erben oder Vermächtnisnehmer zu entziehen. Der Gesetzgeber hat diesen Konflikt dadurch gelöst, dass er in §§ 2287, 2288 zumindest einen partiellen Missbrauchsschutz statuiert hat. Nach heute ganz h.M. handelt es sich dabei um eine abschließende Regelung des Umgehungsschutzes.[42] Die Rspr. zur sog. Aushöhlungsnichtigkeit[43] wurde vom BGH bereits 1972 ausdrücklich aufgegeben.[44] Ferner ist § 2287 auch lex specialis gegenüber § 826, selbst im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens von Erblasser und Drittem.[45]
(2) Beeinträchtigung des Vertragserben durch Schenkungen (§ 2287 BGB)
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Wenn der Erblasser eine Schenkung in der Absicht macht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, so hat dieser gem. § 2287 Abs. 1 nach dem Erbfall einen Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten.
Anspruch des Vertragserben gegen den Beschenkten gem. § 2287 Abs. 1 1. Schenkung i.S.d. § 516 2. Objektive Beeinträchtigung des Vertragserben 3. Beeinträchtigungsabsicht, d.h. kein lebzeitiges Eigeninteresse 4. Rechtsfolge: – grundsätzlich Herausgabe des geschenkten Gegenstands gem. §§ 818 ff. – bei unentgeltlicher Zuwendung an einen Dritten: § 822 (analog) |
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Der Begriff der Schenkung ist ebenso wie in § 516 zu verstehen.[46] Erfasst sind auch Pflicht- und Anstandsschenkungen, gemischte Schenkungen, verschleierte Schenkungen, Schenkungen unter Auflage sowie Schenkungen auf den Todesfall.[47] Nach zutr. h.M. sind darüber hinaus auch sog. ehebedingte oder unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten oder Lebenspartnern erfasst.[48]
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Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt § 2287 BGB mit Blick auf das Telos der Norm weiterhin voraus, dass durch die Schenkung eine objektive Beeinträchtigung des Vertragserben erfolgt ist.[49] Denn der Schutzbereich der Norm kann nicht weiter reichen, als die vertragliche Bindung, die der Erblasser mit dem Erbvertrag eingegangen ist.[50] Folglich fehlt es an einer objektiven Beeinträchtigung, wenn der Erblasser dem Beschenkten den verschenkten Gegenstand durch Verfügung von Todes wegen hätte zukommen lassen können, ohne die erbvertraglichen Bindungen zu verletzen.[51] Dies ist z.B. der Fall, wenn der Erblasser die lebzeitige Schenkung aufgrund einer Vorbehaltsklausel als Vermächtnis hätte anordnen dürfen[52] oder wenn die Schenkung an einen Pflichtteilsberechtigten erfolgt, soweit sie zur Deckung des Pflichtteils geeignet ist (ein Anspruch aus § 2287 besteht dann ggf. nur noch insoweit, als die Schenkung den Pflichtteil übersteigt)[53]. Ferner fehlt es an einer objektiven Beeinträchtigung, wenn der Erblasser den Erbvertrag anfechten könnte und die Schenkung noch vor Ablauf der Anfechtungsfrist erfolgt (selbst wenn letztlich nicht angefochten wird).[54]
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Ferner muss der Erblasser subjektiv in der Absicht gehandelt habe, den Vertragserben zu beeinträchtigten (Beeinträchtigungsabsicht). An dem hierfür erforderlichen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsbefugnis fehlt es jedoch, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte.[55] Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn die Verfügung nach dem Urteil eines objektiven Beobachters in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint; maßgeblich sind insoweit die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.[56] Ein solches Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und ggf. Pflege geht[57]; wenn er in Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, z.B. wenn er mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, danken will[58]; oder wenn er damit den Bestand und die Fortführung seines Unternehmens sichern will[59]. Im Prozess muss der Vertragserbe darlegen und beweisen, dass kein lebzeitiges Eigeninteresse vorlag.[60]
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Wenn die Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 vorliegen, hat der Vertragserbe gegen den Beschenkten einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Es handelt sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf §§ 818 ff.[61] Der Anspruch geht somit grundsätzlich auf Herausgabe in natura (§ 818 Abs. 1); soweit dies nicht möglich ist, auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2). Maßgeblich ist insoweit der Wert zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds.[62] Der Beschenkte kann sich gem. § 818 Abs. 3 auf den Wegfall der Bereicherung berufen, sofern er nicht gem. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 verschärft haftet. Kenntnis i.S.d. § 819 liegt nach h.M. bereits dann vor, wenn der Beschenkte Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen nach der Lebenserfahrung auf eine Beeinträchtigungsabsicht zu schließen ist.[63]
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Wenn der Beschenkte den Gegenstand unentgeltlich einem Dritten zugewendet hat, so kann der Vertragserbe gem. § 822 von diesem die Herausgabe verlangen[64]; wenngleich die Vorschrift vielfach als eigenständiger Anspruch eingeordnet wird[65], so hat der BGH doch überzeugend dargelegt, dass sie unter Wertungsgesichtspunkten im Rahmen des § 2287 zumindest entsprechend heranzuziehen ist, weil der unentgeltliche Erwerb des Dritten weniger schutzwürdig ist als das Interesse des Vertragserben, die Erbschaft ungeschmälert von beeinträchtigenden Schenkungen zu erhalten[66].
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Der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 stellt einen persönlichen Anspruch des Vertragserben dar und fällt nicht in den Nachlass.[67] Er verjährt in drei Jahren (§ 195) ab dem Erbfall (§ 2287 Abs. 2). Sind mehrere Erben vertraglich berufen, so ist bei Teilbarkeit des Geschenks jeder in Höhe seiner Erbquote berechtigt (§§ 741 ff., 420), bei Unteilbarkeit sind sie Gesamtgläubiger (§ 432).[68] Wenn der Vertragserbe die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs aus § 2287 hinreichend dargetan hat („greifbare Anhaltspunkte“), hat er gem. § 242 einen Anspruch auf Auskunftserteilung gegen den Beschenkten.[69]
(3) Beeinträchtigung des Vermächtnisnehmers (§ 2288 BGB)
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Für den Schutz des vertragsmäßigen Vermächtnisnehmers findet sich eine korrespondierende Regelung in § 2288. Abs. 1 regelt die Fälle der Zerstörung, Beiseiteschaffung oder Beschädigung des Vermächtnisgegenstands durch den Erblasser; hier hat der Vermächtnisnehmer einen Wertersatzanspruch gegen den Erben. Abs. 2 regelt die Fälle der Veräußerung oder Belastung des Vermächtnisgegenstands durch den Erblasser; hier ist der Erbe verpflichtet, den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen (S. 1); wenn die Veräußerung/Belastung schenkweise erfolgte, hat der Vermächtnisnehmer einen Anspruch aus § 2287 gegen den Beschenkten, soweit er vom Erben keinen Ersatz erlangen kann. Voraussetzung ist aber auch hier stets eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers. Der Begriff ist grundsätzlich ebenso wie in § 2287 (→ Rn. 285) zu verstehen.[70] Ein lebzeitiges Eigeninteresse kann im Hinblick auf das erbvertragliche Vermächtnis jedoch nur dann bejaht werden, wenn sich das Interesse des Erblassers gerade auf die Veräußerung des Vermächtnisgegenstandes richtete und der erstrebte Zweck nicht durch andere wirtschaftliche Maßnahmen zu erreichen gewesen wäre.[71]
a) Änderungsvorbehalt
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Als Ausfluss der Vertragsfreiheit kann sich ein Erblasser im Erbvertrag grundsätzlich das Recht vorbehalten, eine vertragsmäßige Verfügung