BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen. Dabei können sie sich entweder gegenseitig bedenken (dann spricht man von einem gegenseitigen bzw. reziproken Erbvertrag) oder sie können einem Dritten etwas zuwenden (→ Rn. 265). Möglich ist aber auch ein sog. mehrseitiger Erbvertrag, bei dem drei oder mehr Personen vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen treffen.[6]
2. Erbverträge zugunsten der Beteiligten und zugunsten Dritter
265
Wie bereits angesprochen, können die Beteiligten eines Erbvertrags sowohl einander als auch einem Dritten etwas zuwenden (vgl. auch § 1941 Abs. 2). Im letzteren Fall spricht man von einem „Erbvertrag zugunsten Dritter“. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Vertrag i.S.d. §§ 328 ff., weil die Beteiligten durch den Erbvertrag keine schuld-, sondern nur erbrechtliche Verpflichtungen begründen und für den Dritten kein eigenes Forderungsrecht begründet wird.[7]
3. Entgeltliche und unentgeltliche Erbverträge
266
Der Erbvertrag an sich ist ein abstraktes und unentgeltliches Rechtsgeschäft von Todes wegen.[8] Er kann jedoch mit einem anderen (schuldrechtlichen) Vertrag verbunden werden, in dem der Vertragspartner sich mit dem Rücksicht auf die im Erbvertrag getroffenen Verfügungen zu einer Leistung an den Erblasser verpflichtet (vgl. auch § 2295); dann spricht man von einem sog. „entgeltlichen Erbvertrag“.[9] Dieser Begriff sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich – trotz Verbindung in einer Urkunde – um zwei separate Verträge handelt, die lediglich in einem besonderen inneren Zusammenhang stehen.[10] Bei dieser Kombination eines Erbvertrags mit einem Leistungsvertrag ergeben sich Probleme, wenn die „Gegenleistung“ nicht oder schlecht erfüllt wird, aufgehoben wird bzw. anderweitig wegfällt oder nicht wirksam entstanden ist.
Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag › III. Abschluss des Erbvertrags
III. Abschluss des Erbvertrags
267
Ebenso wie ein Testament (→ Rn. 146) muss auch ein Erbvertrag vom Erblasser höchstpersönlich errichtet werden; eine Stellvertretung ist ausgeschlossen (§ 2274). Sofern eine Vertragspartei des Erbvertrags keine letztwilligen Verfügungen trifft, kann sie sich hingegen vertreten lassen.[11]
268
Da es sich um einen echten Vertrag handelt (→ Rn. 262), muss der Erblasser gem. § 2275 nicht nur testierfähig, sondern unbeschränkt geschäftsfähig sein. Früher konnten auch beschränkt geschäftsfähige Ehegatten und Verlobte mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und ggf. des Familiengerichts miteinander einen Erbvertrag schließen (§ 2275 Abs. 2 und 3 a.F.); diese Ausnahme wurde jedoch durch das KiEheBekG[12] m.W.v. 22.7.2017 ersatzlos gestrichen. Sofern eine Vertragspartei des Erbvertrags keine letztwilligen Verfügungen trifft, gelten für sie hingegen die allgemeinen Regeln der §§ 104 ff.; somit bedarf ein beschränkt Geschäftsfähiger, der lediglich die vertragsmäßigen Erklärungen des Erblassers annimmt, nicht der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, da es sich für ihn insoweit um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft i.S.d. § 107 handelt.[13]
269
Ein Erbvertrag kann gem. § 2276 Abs. 1 S. 1 nur zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile abgeschlossen werden. Die Errichtung erfolgt gem. § 2276 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 in den Formen eines öffentlichen Testaments, d.h. durch mündliche Erklärung oder Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift; gem. Hs. 2 ist insoweit jeder Vertragsschließende als Erblasser zu behandeln. Dies bedeutet z.B., dass ein Analphabet keine Schrift übergeben, sondern eine Erklärung gegenüber dem Notar abgeben muss (vgl. § 2233 Abs. 2, → Rn. 174), selbst wenn er selbst keine Verfügung von Todes wegen trifft, sondern nur die vertragsmäßigen Erklärungen des Erblassers entgegennimmt. Für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten, der mit einem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden wird, „genügt“ gem. § 2276 Abs. 2 die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form; diese Vorschrift hat heute jedoch keine große praktische Bedeutung mehr, weil die „Formerleichterung“ letztlich nur noch in der Befreiung von der Anwendung §§ 28-34 BeurkG besteht.[14] Die notarielle Beurkundung kann gem. § 127a durch einen gerichtlichen Vergleich ersetzt werden.
270
Gem. § 34 Abs. 1 und 2 BeurkG hat der Notar grundsätzlich zu veranlassen, dass der Erbvertrag in amtliche Verwahrung gebracht wird (vgl. dazu §§ 346, 347 FamFG). Die Vertragsschließenden können die besondere amtliche Verwahrung jedoch ausschließen (§ 34 Abs. 2 Hs. 2 BeurkG); dann bleibt die Urkunde in der Verwahrung des Notars (§ 34 Abs. 3 BeurkG).
Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag › IV. Inhalt: Vertragsmäßige und einseitige Verfügungen
IV. Inhalt: Vertragsmäßige und einseitige Verfügungen
271
Im Hinblick auf den Inhalt des Erbvertrags ist zwischen vertragsmäßigen Verfügungen (→ Rn. 272) und einseitigen Verfügungen (→ Rn. 273) zu differenzieren. Damit überhaupt ein Erbvertrag vorliegt, muss mindestens eine Person als Erblasser eine vertragsmäßige Verfügung treffen.[15] Bedeutung hat die Differenzierung aber vor allem auch deshalb, weil nur vertragsmäßige Verfügungen der speziellen Bindungswirkung des Erbvertrags (→ Rn. 275 ff.) unterliegen. Bei einseitigen Verfügungen liegt hingegen nur eine „formale Vereinigung von Erbeinsetzungsvertrag und letztwilliger Verfügung“[16] vor.
272
Gem. § 1941 Abs. 1 kann ein Erblasser in einem Erbvertrag folgende vertragsmäßige Verfügungen treffen: Erbeinsetzungen (→ Rn. 728 ff.), Vermächtnisse (→ Rn. 900 ff.), Auflagen (→ Rn. 937 ff.) und Rechtswahlerklärungen (→ Rn. 1481 ff., 1493, 1496). § 2278 Abs. 1 stellt klar, dass dabei jeder Vertragsschließende als Erblasser solche vertragsmäßigen Verfügungen treffen kann. Wie bereits dargelegt, ist es jedoch nicht zwingend erforderlich, dass jeder Vertragsschließende eine vertragsmäßige Verfügung trifft, sondern es gibt auch den einseitigen Erbvertrag (→ Rn. 264).
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Neben vertragsmäßigen Verfügungen kann jeder Vertragsschließende in einem Erbvertrag gem. § 2299 Abs. 1 aber als einseitige