Strafrecht Allgemeiner Teil II. Sabine Tofahrn
ihn das schlechte Gewissen und er ruft einen Krankenwagen herbei. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsbemühungen verstirbt B jedoch geraume Zeit später im Krankenhaus.
Hier ist kein Raum für einen Rücktritt, da der Erfolg tatsächlich eingetreten ist. Zwar hat A nach Vornahme der letzten Ausführungshandlung Bemühungen unternommen, um die Vollendung zu verhindern. Allerdings sind diese Rettungsbemühungen gescheitert. Ein erfolgreicher Rücktritt vom Versuch hätte nur dann vorgelegen, wenn die von A eingeleiteten Rettungsbemühungen dazu geführt hätten, dass B infolge der ärztlichen Versorgung den Angriff überlebt hätte.
Beispiel
A sticht wieder auf B ein und alarmiert danach die Rettungskräfte. Da die Stichverletzungen nicht so schwer waren, hätte B im Krankenhaus gerettet werden können. Dorthin kommt B jedoch gar nicht mehr, da der Fahrer während der Fahrt im Fußraum nach seinem herunter gefallenen Handy sucht und einen schweren Verkehrsunfall verursacht, an dessen Folgen B stirbt.
Hier ist der Erfolg zwar eingetreten, kann dem A aber aufgrund des Dazwischentretens eines Dritten nicht zugerechnet werden. Da A sich aber ernsthaft bemüht hat, den Erfolg zu verhindern, ist er gem. § 24 Abs. 1 S. 2 analog strafbefreiend zurückgetreten.
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › D. Rücktritt vom Versuch › VII. Rücktritt vom beendeten untauglichen Versuch
VII. Rücktritt vom beendeten untauglichen Versuch
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Beim untauglichen Versuch kann der Erfolg objektiv nicht eintreten, weil der Täter z.B. ein untaugliches Mittel gewählt hat. Damit kann aber auch keine Kausalkette in Gang gesetzt werden, die dazu führt, dass der Erfolg ausbleibt. Von daher scheidet in solchen Fällen ein Rücktritt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 aus, wenn aus Sicht des Täters alles Erforderliche getan wurde, damit der Erfolg eintreten kann. Diese Fälle regelt § 24 Abs. 1 S. 2, wonach es ausreicht, wenn der Täter sich ernsthaft bemüht, den Erfolg zu verhindern. Voraussetzung ist wiederum, dass der Täter die Untauglichkeit seines Versuchs nicht erkannt hat, da anderenfalls ein fehlgeschlagener Versuch vorläge.
Ein ernsthaftes Bemühen liegt vor, wenn der Täter alle Maßnahmen ergreift, die zur Abwendung des Erfolges aus seiner Sicht notwendig und geeignet sind.[39]
Beispiel
A verabreicht B einen harmlosen Medikamentencocktail, von welchem er jedoch ausgeht, dass er tödlich sein könne. Nachdem B die Medikamente zu sich genommen hat, überlegt A es sich anders und ruft einen Rettungswagen herbei. Den Sanitätern erklärt er, er habe B ein Gift verabreicht, welches tödlich wirke. Aufgrund dessen wird B der Magen ausgepumpt. Hinterher stellt sich heraus, dass B auch ohne diese Maßnahme den Angriff überlebt hätte.
Hier handelt es sich um einen untauglichen beendeten Versuch, bei dem die Rettungsbemühungen des A nicht ursächlich wurden für das Ausbleiben des Erfolges, da diese hinweggedacht werden können, ohne dass der Tod einträte. Gleichwohl soll das Zurückfinden des Täters zur Rechtsordnung honoriert werden, weswegen ein strafbefreiender Rücktritt möglich ist.
Hinweis
Beim unbeendeten untauglichen Versuch reicht das Aufgeben der Tat aus, so dass auf diese Fälle § 24 Abs. 1 S. 2 nicht anwendbar ist. Der Rücktritt erfolgt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt 1.
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › D. Rücktritt vom Versuch › VIII. Freiwilligkeit
VIII. Freiwilligkeit
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Als letzten Prüfungspunkt müssen Sie in einer Klausur nun danach fragen, ob der Täter „freiwillig“ vom Versuch zurückgetreten ist. Die Freiwilligkeit wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich definiert.
In der Literatur wird teilweise zur Voraussetzung gemacht, dass der Täter wieder zur Rechtsordnung, d.h. zur Achtung der rechtlichen Verbote und Gebote zurückgefunden und sich damit als ungefährlich erwiesen hat.[40] Nach diesem normativen Verständnis handelt der Täter z.B. dann freiwillig, wenn er aus Reue oder Mitleid mit dem Opfer von der Tatbegehung ablässt, da er damit gezeigt habe, dass er nicht nur kühl einer abwägenden Verbrechervernunft gefolgt sei, sondern in die Legalität habe zurückkehren wollen.[41]
Die herrschende Meinung in der Literatur sowie die Rechtsprechung legen psychologisierende Kriterien bei der Beurteilung der Freiwilligkeit zugrunde. Danach handelt derjenige freiwillig, wer die weitere Tatbegehung aufgrund autonomer Motive aufgibt. Entscheidend ist, ob der Täter als „Herr seiner Entschlüsse“ in freier Selbstbestimmung die Tat aufgegeben hat. Unerheblich ist, ob das Rücktrittsmotiv sittlich billigenswert ist oder nicht. Als autonome Motive werden Gewissensbisse, Reue, Mitleid mit dem Opfer, Angst vor Strafe sowie Scham angesehen.[42] Heteronome Motive liegen vor, wenn der Täter fremdbestimmt zur Aufgabe der Tat veranlasst wird. Von solchen heteronomen Motiven wird z.B. ausgegangen, wenn nachträglich eine Situation eingetreten ist, die die Durchführung der Tat zwar nicht ausschließen, die der Täter vernünftigerweise aber nicht auf sich nehmen möchte, z.B. eine plötzliche Polizeikontrolle, die die Gefahr der sofortigen Entdeckung in sich birgt. Auch innere Hemmungen, wie z.B. die Unfähigkeit des Täters, Blut zu sehen, schließen als heteronomes Motiv die Freiwilligkeit aus.
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Anmerkungen
BGH StV 1982, 1; Jäger Strafrecht AT Rn. 312.
BGHSt 9, 48, 1475.
Puppe NStZ 1984, 490.
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 887.
S. Übungsfall Nr. 1 „Der Pechvogel“.
BGHSt 35, 90, Wessels/Beulke/Satzger