Strafrecht Allgemeiner Teil II. Sabine Tofahrn
unmittelbar ansetzt“.
Der wesentliche Bezugspunkt beim Versuch ist die Vorstellung des Täters von der Tat. Auf dieser Basis müssen Sie ermitteln, ob der objektive Tatbestand des Delikts verwirklicht worden wäre, wenn sich alles entsprechend dieser Vorstellung ereignet hätte. Auch beim unmittelbaren Ansetzen ist danach zu fragen, ob nach der Vorstellung des Täters das Rechtsgut bereits konkret gefährdet war und keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich waren. Schließlich kann der Täter gem. § 24 vom Versuch zurücktreten. Für den Rücktritt ist die Unterscheidung zwischen fehlgeschlagenem, unbeendetem und beendetem Versuch wichtig. Auch dies bemisst sich nach der Vorstellung des Täters zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tat.
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Da es beim Versuch nur auf die Vorstellung des Täters ankommt, ist es auch unerheblich, ob der Angriff objektiv zum Erfolg führen kann oder nicht. Aus diesem Grund sind sowohl der Versuch, bei dem es tatsächlich zu einer objektiven Gefährdung des jeweiligen Rechtsguts kommt (tauglicher Versuch) als auch jener Versuch, bei dem eine Gefährdung gar nicht real werden kann (sog. untauglicher Versuch) strafbar. Dies ergibt sich aus § 23, der die Strafbarkeit des Versuchs bestimmt und der in Abs. 3 deutlich macht, dass auch, wenn der Versuch gar nicht zur Vollendung führen konnte, eine Strafbarkeit des Versuchs vorliegt, der Richter jedoch in Fällen der extremen Untauglichkeit die Strafe mildern oder von Strafe absehen kann (sog. „Trottelprivileg“).
Im obigen Beispiel liegt ein untauglicher Versuch mit einem untauglichen Mittel vor, da die jeweiligen Gifte der Täter den Tod nicht herbeiführen konnten.
Entsprechend der wesentlichen Bedeutung der Vorstellung von der Tat beginnen Sie (nach der Vorprüfung) die Prüfung des Versuchs auch mit dem subjektiven Element, nämlich dem Tatentschluss, der dem subjektiven Tatbestand beim vollendeten Delikt entspricht und setzen sich erst danach mit dem unmittelbaren Ansetzen, also der Handlung, respektive dem Unterlassen des Täters auseinander.
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Wie bereits erwähnt, kann der Täter gem. § 24 strafbefreiend vom Versuch zurücktreten. Hierbei handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, der nach der Schuld zu prüfen ist. Entsprechend sieht der Aufbau des Versuchs wie folgt aus:
Der Versuch
I.Vorprüfung
1.Keine Vollendungshaftung aus dem fraglichen Delikt
2.Strafbarkeit des Versuchs gem. § 23 Abs. 1
II.Tatentschluss
Abgrenzung untauglicher Versuch – WahndeliktRn. 17
1.Vorsatz bezogen auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale der Straftat
2.Eventuell erforderliche Absichten sowie sonstige, im Vorsatz zu prüfende Tatbestandsmerkmale
III.Unmittelbares Ansetzen
Abgrenzung zur straflosen VorbereitungRn. 21
bei der MittäterschaftRn. 120
bei der mittelbaren TäterschaftRn. 154
IV.Rechtswidrigkeit
V.Schuld
VI.Rücktritt gem. § 24
Wir werden uns nachfolgend zunächst mit dem Versuch und danach mit dem Rücktritt auseinandersetzen. Dabei werden wir von der Strafbarkeit des Alleintäters beim Begehungsdelikt ausgehen. Versuch und Rücktritt des mittelbaren Täters gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2, des Mittäters gem. § 25 Abs. 2 sowie des Anstifters gem. § 26 werden wir im Kapitel „Täterschaft und Teilnahme“ erörtern. Versuch und Rücktritt beim Unterlassungsdelikt werden wir beim Kapitel „Das Unterlassungsdelikt“ diskutieren.
Anmerkungen
Jescheck/Weigend Strafrecht AT § 49 II 3.
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › B. Versuch
B. Versuch
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › B. Versuch › I. Vorprüfung
I. Vorprüfung
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In der Vorprüfung müssen Sie zunächst feststellen, dass es nicht zu einer Vollendung des Delikts gekommen ist. Wie bereits ausgeführt kann das verschiedene Gründe haben. Zumeist wird die Vollendung daran scheitern, dass der Täter ein objektives Tatbestandsmerkmal nicht verwirklicht hat. Möglich ist aber auch, dass Sie zur Prüfung des Versuchs gelangen, weil ein Täter objektiv gerechtfertigt ist, dies aber nicht erkennt (Unkenntnis des Rechtfertigungsgrundes). Folgen Sie in diesen Fällen der in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach der Erfolgsunwert durch das objektive Vorliegen der Rechtfertigungslage entfallen soll, dann müssen Sie mit der Prüfung des Versuchs fortfahren.[1]
Sollte Ihnen die Thematik „Unkenntnis des Rechtfertigungsgrundes“ noch nicht oder nicht mehr bekannt sein, dann nutzen Sie die Gelegenheit und schlagen Sie das Skript „Strafrecht AT I“, dort Rn. 224 ff. auf.
JURIQ-Klausurtipp
Fehlt es an der Vollendung, weil ersichtlich und unproblematisch ein Merkmal des objektiven Tatbestands nicht verwirklicht ist (der Schuss verfehlte z.B. das Opfer so dass der Tod als tatbestandlicher Erfolg des § 212 nicht eingetreten ist) können Sie direkt mit der Strafbarkeit wegen Versuchs beginnen und in der Vorprüfung die fehlende Vollendungshaftung feststellen. Gibt es hingegen im objektiven Tatbestand darstellungs- und diskussionswürdige Aspekte, so sollten Sie mit der Prüfung des vollendeten Delikts beginnen, so z.B. dann, wenn Kausalität und objektive Zurechnung problematisch sind. In der Vorprüfung können Sie dann auf die dort gewonnenen Ergebnisse verweisen.
Des Weiteren ist im Rahmen der Vorprüfung zu klären, ob der Versuch des jeweiligen Deliktes überhaupt strafbar ist. Gemäß § 23 Abs. 1 ist der Versuch eines Verbrechen stets strafbar, der eines Vergehens jedoch nur, wenn das Gesetz dieses ausdrücklich bestimmt. Die Begriffe des Verbrechens und des Vergehens sind in § 12 Abs. 1 und Abs. 2 legal definiert. Demnach sind Verbrechen solche Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von 1 Jahr oder darüber bedroht sind, Vergehen hingegen solche Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind. Gem. § 12 Abs. 3 sind bei der Einteilung allerdings Strafschärfungen oder Milderungen nicht zu berücksichtigen.
Beispiel
Mord gem. § 211 und Raub gem. § 249 sind mithin Verbrechen. An der Einteilung des Raubes als Verbrechen ändert auch der Abs. 2 des § 249 nichts,