Handbuch Ius Publicum Europaeum. Adam Tomkins
target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_7ce3ef23-0f0a-5610-aec7-4c22aa4e1b84">Die Frage der unmittelbaren Geltung der europarechtlichen Normen in der nationalen Rechtsordnung28 – 30
bb)Ausnahmefälle, in denen die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit durch das Verfassungsgericht weiterhin zulässig ist31
cc)Der nur indirekte Dialog zwischen dem Verfassungsgericht und dem EuGH32, 33
c)Die so genannte „controlimiti“-Lehre34 – 36
4.Die Verfassungsnovelle des Jahres 2001 und ihre Folgen37 – 43
5.Grundfragen der italienischen Mitgliedschaft in der Europäischen Union44 – 57
a)Der Machtverlust des nationalen Gesetzgebers44 – 56
aa)Der Machtverlust des nationalen Parlaments44 – 48
bb)Die Metamorphose der Garantiefunktionen: Gesetzesvorbehalt und Legalitätsprinzip49
cc)Der Machtverlust der Regionen50 – 56
b)Grundrechte und Grundprinzipien der Verfassung57
III.Verfassungsrecht und EMRK58 – 62
1.Einführung: Die Menschenrechte in der italienischen Verfassung58
2.Der Rang der EMRK in der nationalen Normenhierarchie59, 60
a)Die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag59
b)Die Lage nach der Verfassungsnovelle des Jahres 200160
3.Die Rolle der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR in der Rechtsprechung der Fachgerichte und des Verfassungsgerichts61, 62
a)Die Anerkennung der unmittelbaren Anwendbarkeit der EMRK61
b)Die Rolle der EMRK und der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs vor den Fachgerichten und der Corte costituzionale62
IV.Schlussbemerkungen63 – 67
Erster Teil Offene Staatlichkeit › § 18 Offene Staatlichkeit: Italien › I. Einführung: Die Öffnung der italienischen Rechtsordnung für das Völkerrecht
I. Einführung: Die Öffnung der italienischen Rechtsordnung für das Völkerrecht
Übersetzt von Dr. Karin Oellers-Frahm; redaktionell bearbeitet von Fabian Kahlert und Dr. Ferdinand Wollenschläger. Abkürzung in Ergänzung zu dem Beitrag von Mario Dogliani und Cesare Pinelli, § 5 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Italien: col.colonna (Spalte).
1. Theoretische Grundlagen
1
Italien folgt der traditionellen Auffassung, wonach die Regeln des Völkerrechts nicht ohne Weiteres im nationalen Recht unmittelbar anwendbar sind. Die innerstaatliche Anwendbarkeit von Regeln des Völkerrechts erfordert die Umsetzung in nationales Recht, die im Wege unterschiedlicher Umsetzungsverfahren erfolgt. Die Regeln des Völkerrechts gelten in der italienischen Rechtsordnung nicht als solche. Es gelten vielmehr allein die innerstaatlichen Normen, die diese umsetzen. Das hat zur Folge, dass der Rang der völkerrechtlichen Regeln in der nationalen Normenhierarchie grundsätzlich dem Rang der Rechtsquelle entspricht, mit der die Umsetzung erfolgt ist. [1]
2. Die Öffnung für das allgemeine Völkerrecht
2
Art. 10 Abs. 1 Cost. schreibt die so genannte „automatische“ Anpassung der nationalen Rechtsordnung an die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts vor.[2] Das bedeutet, dass von dem Augenblick an, in dem in der internationalen Rechtsordnung eine allgemeine Regel des Völkerrechts entsteht, der „ständige Transformator“ in Art. 10 Abs. 1 eine nationale Norm mit entsprechendem Inhalt generiert, die im nationalen Recht so lange Geltung hat wie die entsprechende völkerrechtliche Regel in der internationalen Rechtsordnung.
3
Nach der h.L. und der Judikatur des Verfassungsgerichts gehören zur Kategorie der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts sowohl das Völkergewohnheitsrecht als auch die allgemeinen, den staatlichen Rechtsordnungen gemeinsamen Rechtsprinzipien; Völkervertragsrecht ist jedoch nach h.M. vom Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 1 Cost. ausgeschlossen.
4
Die nationalen Ausführungsnormen allgemeiner Regeln des Völkerrechts, die auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 1 Cost., d.h. einer Verfassungsbestimmung, in der nationalen Rechtsordnung in Kraft treten, haben, wie bereits erwähnt, im innerstaatlichen Recht grundsätzlich den gleichen Rang wie die Umsetzungsnorm, also Verfassungsrang. Die Ausführungsnormen der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts können folglich sogar Bestimmungen der Verfassung aufheben, mit Ausnahme der grundlegenden Prinzipien der Verfassung, die in keinem Fall derogiert werden können.[3] Sie haben Vorrang vor einfachen Gesetzen. Infolgedessen ist ein einfaches Gesetz, das im Widerspruch zu einer Ausführungsnorm einer allgemeinen Regel des Völkerrechts steht, wegen einer mittelbaren Verletzung von Art. 10 Abs. 1 Cost. verfassungswidrig.[4]
5
Die soeben dargelegte Rechtsfigur der Verletzung einer Bezugsnorm (parametro interposto) zwischen Verfassung und Gesetz wird in diesem Beitrag mehrfach auftauchen und soll daher an dieser Stelle erläutert werden. Sie beschreibt den Fall, in dem die Verfassung bestimmt, dass Gesetze eine Norm zu beachten haben, die an sich keinen Verfassungsrang hat. In diesen Fällen, die in der italienischen Verfassung relativ häufig sind, führt