Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
bloße Mitfahren stellt kein selbstständiges Fahren dar und ist daher straflos.[488] Für eine Ingebrauchnahme bedarf es des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel.[489] Dies ist bereits durch ein Rollenlassen des Fahrzeugs auf abschüssiger Straße der Fall,[490] hingegen genügt nicht das bloße Starten und Laufenlassen des Motors oder die Bedienung bestimmter Einrichtungen des Fahrzeugs. Ein Um- oder Einparken ist bereits tatbestandsmäßig,[491] eine nennenswerte Ortsveränderung ist gerade nicht nötig.[492] Die Vollendung erfolgt durch die Ingebrauchnahme; in deren Einstellung liegt die Beendigung der Tat.[493]
150
c) Die genannte Ingebrauchnahme muss weiterhin gegen den (ausdrücklichen oder mutmaßlichen) Willen des Berechtigten geschehen, weshalb ein Einverständnis des Berechtigten bereits tatbestandsausschließend wirkt. Berechtigt ist dabei, wer aufgrund dinglichen, obligatorischen oder sonstigen Rechts (z.B. als Eigentümer, Halter, Mieter, angestellter Fahrer etc.) befugt ist, über den Besitz am Fahrzeug zum Zwecke des Gebrauchs zu verfügen.[494] Aufgrund des Umstandes, dass das Nutzungsrecht – wie etwa in den oben genannten Fällen des Leasings oder Verkaufs unter Eigentumsvorbehalt – nicht notwendigerweise dem Eigentümer zustehen muss, kann auch dieser sich des unbefugten Gebrauchs des in seinem Eigentum stehenden Fahrzeugs strafbar machen.
151
Ob die Möglichkeit tatbestandsrelevanter Nutzungsbeschränkungen durch den Berechtigten existiert, ist umstritten. Eine Ansicht vertritt mit Blick auf den Begriff „Ingebrauchnahme“ die Meinung, es fehle an der nötigen Befugnis nur dann, wenn der Nutzungsbeginn bereits ohne Befugnis war.[495] Überzeugender ist aber der Ansatz einer (unterschlagungsähnlichen) Gebrauchsanmaßung, bei der auch der grundsätzlich befugte Täter die ihm eingeräumte Sachherrschaft zu unberechtigtem Gebrauch nutzen kann.[496] Was in die Nutzungsbefugnis fällt, wird durch den – nicht unbedingt ausdrücklich erklärten – Willen des Berechtigten bestimmt, weshalb jeder Gebrauch außerhalb der inhaltlichen (Routen- oder Geschwindigkeitsvorgaben, Alkoholverbote usw.) oder zeitlichen Grenzen der Gebrauchsüberlassung unbefugt im Sinne der Vorschrift ist.[497] Im Gegensatz hierzu ist aber die Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs durch einen an sich Unberechtigten allein zum Zwecke der Rückführung an den Berechtigten regelmäßig von dessen mutmaßlichen Willen gedeckt und daher nicht tatbestandsmäßig.[498]
152
Auf Ebene des subjektiven Tatbestands bedarf es (zumindest bedingten) Vorsatzes, der sich auf alle Tatbestandsmerkmale und damit auch auf den entgegenstehenden Willen des Berechtigten erstrecken muss. Ein Irrtum über das Einverständnis stellt einen Tatbestandsirrtum dar.
153
d) Der Versuch ist nach § 248b Abs. 2 StGB strafbar. Im Falle von Kraftfahrzeugen beginnt er u.U. schon mit dem Aufbrechen des Schlosses,[499] jedenfalls aber mit dem Einschalten der Zündung.[500]
154
Die Teilnahme richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Es handelt sich nach h.M. auch nicht um ein eigenhändiges Delikt, so dass für Mitfahrer auch eine Mittäterschaft oder mittelbare Täterschaft in Betracht kommt. Die Ausnutzung einer bereits von einem Dritten geschaffenen Situation begründet keine strafbare Beteiligung, da zur Ingebrauchnahme ein eigenständiger Beitrag zu leisten ist.[501]
155
e) Die in § 248b Abs. 1 a.E. StGB enthaltene Subsidiaritätsklausel greift typischerweise bei Vorschriften ein, die – bei gleich oder ähnlich gelagertem Rechtsgüterschutz[502] – mit einer höheren Strafandrohung aufwarten. Eine Subsidiarität des § 248b StGB ist daher insbesondere gegenüber den täter- oder teilnehmerschaftlich begangenen Eigentumsdelikten der §§ 242, 246 StGB, aber auch gegenüber den Vermögensdelikten der §§ 253, 263, 266 StGB, wenn der Täter den Besitz am Fahrzeug aufgrund Nötigung, Täuschung oder Missbrauchs bzw. Treuebruchs erlangt, anzunehmen. Hingegen bleibt nach h.M. weiterhin eine echte Konkurrenz möglich, wenn die Vorschriften eine andere Schutzrichtung, wie etwa §§ 222, 229 StGB, entfalten.[503] Werden während des Gebrauchs Straßenverkehrsdelikte (z.B. §§ 142, 315c, 316 StGB bzw. § 21 StVG) begangen, so ist i.d.R. Tateinheit anzunehmen.[504]
156
Die Zueignung des verbrauchten Kraftstoffs sowie anderer dem Betrieb dienenden Substanzen, die mit der unbefugten Benutzung verbunden ist, wird nach h.M. als notwendige Begleittat von § 248b StGB konsumiert. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass sonst die Subsidiaritätsklausel des § 248b StGB und die gegenüber § 242 StGB privilegierte Strafdrohung ohne Wirkung wäre.[505] Wollte der Täter sich aber gerade die verbrauchten Stoffe sparen, so kann das Ergebnis ein anderes sein.[506]
157
f) Die Tat wird gemäß § 248b Abs. 3 StGB nur auf Antrag verfolgt. Verletzter i.S.d. § 77 StGB und damit antragsberechtigt ist nach h.M. der Gebrauchsberechtigte. Fristbeginn der Antragsfrist ist nach § 77b StGB die Kenntnis der Beendigung des unbefugten Gebrauchs. Ist der Strafantrag lediglich auf eine Verurteilung wegen Diebstahls gerichtet, so umfasst dieser nicht auch den unbefugten Gebrauch eines Kraftfahrzeugs. Da es sich bei § 248b StGB um ein Vergehen handelt, ist neben einer Erledigung im Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff. StPO) grundsätzlich auch die Einstellung über die §§ 153, 153a StPO möglich. Der unbefugte Gebrauch des Fahrzeugs fällt nicht in den Katalog der Privatklagedelikte gemäß § 374 StPO, weshalb dem Gebrauchsberechtigten das Klageerzwingungsverfahren offen steht.
2. Entziehung elektrischer Energie, § 248c StGB
158
Die Vorschrift geht auf die Bestimmungen der §§ 1 und 2 des Gesetzes betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit vom 9. April 1900[507] zurück und wurde durch das 3. StrÄndG vom 4. August 1953[508] ins StGB aufgenommen. Dies geschah in Konsequenz der Auffassung des RG,[509] dass Energie keine Sache i.S.d. §§ 242, 246, 303 StGB sei. Geschütztes Rechtsgut ist die Verfügungsbefugnis über elektrische Energie.[510]
159
§ 248c StGB enthält in Abs. 1 und Abs. 4 zwei in subjektiver Hinsicht differenzierende Tatbestände. Abs. 1 setzt (seit der 6. StrRG auch Dritt-)Zueignungsabsicht voraus, wohingegen Abs. 4 Schädigungsabsicht des Täters verlangt. Sie entsprechen insofern und auch bzgl. ihrer Strafandrohungen § 242 bzw. § 303 StGB.[511]
160
a) Die Bestimmung des Begriffs der elektrischen Energie erfolgt physikalisch-naturwissenschaftlich.[512] Das Merkmal der Fremdheit richtet sich nicht wie bei § 242 StGB nach dem Eigentum, denn Energie ist nicht-körperlich und daher dem zivilrechtlichen Eigentum nicht zugänglich,[513] sondern danach, ob die Energie der Verfügungsbefugnis eines anderen untersteht, der Täter also kein Recht zur Entnahme besitzt,[514] wobei die zweck- oder vereinbarungswidrige Benutzung mit umfasst ist.[515] Hierbei ist irrelevant, ob der andere ein Versorgungsunternehmen, ein Erzeuger oder ein Verbraucher ist.
161
b) Täter des § 248b StGB ist, wer einer elektrischen Anlage oder Einrichtung fremde elektrische Energie mittels eines Leiters, der nicht zur ordnungsgemäßen Energieentnahme daraus bestimmt ist, entzieht.
162
Elektrisch sind (auf Dauer angelegte) Anlagen oder (vorübergehende) Einrichtungen, wenn sie der Erzeugung, Weiterleitung, Ansammlung oder Aufbewahrung von elektrischer Energie dienen.[516] Dies beinhaltet neben Generatoren, Akkumulatoren, Batterien und Transformatoren auch das gesamte Stromnetz.[517] Erfasst sind aber auch Sachgesamtheiten, die die Energie zum Eigenbetrieb verwenden, wie z.B. Antennen oder