Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
Entziehen ist das einseitig bewirkte Reduzieren des Energievorrats des Berechtigten durch Entnahme von Energie, die vom Berechtigten nicht mehr genutzt werden kann.[519] Es genügt nach dem Wortlaut der Vorschrift völlig, dass der Abfluss der Energie in Zueignungsabsicht erfolgt. Es ist daher irrelevant, ob der Strom (in Parallelität zur Gewahrsamsbegründung bei § 242 StGB) auch einem Empfänger zufließt,[520] zumal die Tathandlungen in Abs. 1 und Abs. 4 gerade identisch sind.
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d) Ein Leiter ist jede technische Vorrichtung, die sich zur Aufnahme und Weiterleitung von Elektrizität eignet, vor allem Stromkabel und sonstige Metallteile.[521] Eine feste Verbindung ist nicht erforderlich zwischen Leiter und der elektrischen Anlage oder Einrichtung. Unter Beachtung von Art. 103 Abs. 2 GG genügt das bloße Ausnutzen von Elektrizität ohne körperlich vermittelte Übertragung, etwa durch elektromagnetische Induktion oder Lichtbogen, nicht.[522] Ebenso ist erst recht nicht das bloße Ausnutzen fremder elektrischer Energie, wie es etwa bei dem unbefugten Gebrauchen elektrisch betriebener Geräte vorliegt, erfasst.[523]
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Zur ordnungsgemäßen Entnahme gewidmet wird der Leiter durch den Verfügungsberechtigten, gegebenenfalls durch Vereinbarung mit dem Abnehmer.[524] Den Tatbestand nicht erfüllt die bloße unbefugte Nutzung ordnungsgemäß zugeführter elektrischer Energie.[525] Dies ist z.B. sowohl der Fall bei der unbefugten Benutzung bereits angeschlossener elektrischer Geräte eines anderen,[526] als auch durch das (z.B. vertragswidrige, hausrechtswidrige etc., jedoch) äußerlich ordnungsgemäße Anstecken eines Gerätes an eine fremde Steckdose.[527] Auch die Manipulation eines Stromzählers ist sub specie des § 248c StGB tatbestandslos.[528] Eine Verwirklichung des Tatbestands ist hingegen zu bejahen, wenn der Täter einen Stromzähler mittels eines Leiters überbrückt,[529] eine vom Netzbetreiber gesperrte Stromanlage an ein anderes Netz anschließt,[530] Strom mittels eines nicht zum Leitungsnetz gehörenden Kabels entnimmt[531] oder Geräte betreibt, die ein anderer unzulässigerweise mittels eines Leiters mit dem Stromnetz verbunden hat.[532]
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e) Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes ist zum einen (zumindest bedingter) Vorsatz erforderlich, zum anderen Zueignungsabsicht in Form von dolus directus 1. Grades.[533] Zueignungsobjekt sind die in Anlehnung an § 242 StGB zu beurteilenden Nutzungsbefugnisse des Berechtigten.[534] Der Täter muss dem Berechtigten somit dauerhaft die Möglichkeit, durch Energieeinsatz Licht, Wärme oder Kraft zu erzeugen, zumindest teilweise entziehen (Enteignung), um darüber, wenn auch nur vorübergehend, eigen- oder fremdnützig zu verfügen (Aneignung).[535] Seit dem 6. StrRG erfüllt auch die Zueignung zugunsten eines Dritten den Tatbestand, obwohl die praktische Relevanz dieser Änderung wohl überschaubar sein wird. In Betracht kommen Fälle, in denen sich der Handelnde, etwa als Angestellter, im Lebens- oder Geschäftsbereich des Dritten bewegen kann.[536]
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Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung ist dolus eventualis ausreichend. Diese liegt dann vor, wenn kein schuldrechtlicher Anspruch besteht und die Zueignung auch sonst nicht gerechtfertigt ist. Bei einem Irrtum über das (normative) Merkmal der Rechtswidrigkeit entfällt der Vorsatz.
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Handlungen, die objektiv denen nach Abs. 1 gleichen, subjektiv jedoch statt von einer Zueignungs- von einer Schädigungsabsicht getragen sind, werden von § 248c Abs. 4 StGB erfasst. Der Täter muss also eine Enteignung ohne Aneignung beabsichtigen. Als Beispiel ist insbesondere das Verursachen eines Kurzschlusses eines nicht mit Sicherungen versehenen Leitungsnetzes mittels eines Leiters zu nennen. Nur hierbei kann überhaupt ein nennenswerter Energieverlust bewirkt werden.[537]
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f) Hinsichtlich der Energieentziehung normiert § 248c Abs. 2 StGB eine Versuchsstrafbarkeit, hingegen fehlt für Taten nach Abs. 4 eine entsprechende Regelung. Zur Bejahung eines unmittelbaren Ansetzens ist das Heranführen eines nicht zur ordnungsgemäßen Energieentnahme bestimmten Leiters an die Anlage bzw. Einrichtung zur Herstellung eines körperlichen Kontaktes zwischen diesen, wenn die nachfolgende Entziehung ohne weiteres Zutun des Täters erfolgen soll, ausreichend.[538] Eine Teilnahmestrafbarkeit ist grundsätzlich möglich und es gelten die allgemeinen Regeln entsprechend, jedoch handelt es sich bei der Zueignungs- und der Schädigungsabsicht um tatbezogene Merkmale, so dass § 28 StGB nicht herangezogen werden kann.[539]
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g) Wird zur Sicherung der Vorteile der Stromentziehung ein Betrug begangen, so ist dieser als mitbestrafte Nachtat anzusehen.[540] Im Falle der Wegnahme mit Zueignungsabsicht eines ganzen Energieträgers (z.B. der Batterie) geht § 242 StGB vor. Ebenso gilt dies für die Fälle der §§ 246, 303 StGB.[541] In § 248c StGB sind zwei unterschiedliche Strafrahmen enthalten, hinsichtlich des Abs. 1 beträgt dieser Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, hinsichtlich Abs. 4 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Gemäß § 248c Abs. 3 StGB ergibt sich für eine Tat nach Abs. 1 eine entsprechende Anwendung des Strafantragserfordernisses in den Fällen der §§ 247 und 248a StGB. Für eine Tat nach Abs. 4 normiert Abs. 4 S. 2 ein (im Gegensatz zu § 248a StGB zwingendes) Antragserfordernis. Maßgeblicher Zeitpunkt sowohl für den Beginn der Antragsfrist des § 77b StGB als auch für den der Verjährung nach § 78a StGB ist die Beendigung des Stromentzugs.
VIII. Aktuelle Herausforderungen
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Grundsätzlich kann man hinsichtlich der Diebstahlsdelikte festhalten, dass diese in den 20 Jahren seit dem 6. StrRG – von der Einfügung des § 244 Abs. 4 StGB (oben Rn. 131) abgesehen – keinem nennenswerten Wandel unterworfen waren, und dass auch in der jüngeren Rechtsprechung nur kasuistische Details entschieden, nicht aber große (neue) Richtungsentscheidungen getroffen wurden. Die Ursache hierfür liegt in dem seit jeher bestehenden Verbot derartiger Handlungen, das sich durch alle Zeiten und Rechtsordnungen zieht. Auf neue Herausforderungen hat der Strafgesetzgeber bisher nicht dadurch reagiert, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschriften selbst erweitert wurde, sondern dass neue Regelungen geschaffen wurden: Im 19. Abschnitt selbst durch § 248c StGB (vgl. Rn. 158), in anderen Fällen an anderen Stellen des Gesetzes (z.B. § 202a StGB). Mit bestimmten neuen Phänomenen wie dem sog. „Containern“ (vgl. oben Rn. 25) geht die Rechtsprechung mit dem tradierten Instrumentarium um.
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Ob die Entwicklung im Bereich der virtuellen Welt (virtuelle Währungen; virtuelle Gegenstände in Online-Computerspielen, die mitunter beachtliche wirtschaftliche Werte darstellen, aktuell aber aufgrund der fehlenden Sacheigenschaft i.S.d. § 242 StGB nicht als Diebstahl gewertet werden können)[542] hier zu weiteren Anpassungen führen muss, wird die Zukunft zeigen. Die gegenwärtig mitunter herangezogene Lösung über die bedenklich weit gefasste und vielfach als zu unbestimmt kritisierte Strafnorm des § 303a StGB muss hier noch nicht der Schlusspunkt der Entwicklung sein.
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Den Fällen des Handels mit an sich unverkäuflichen, kostenlosen und lediglich unter Eigentumsvorbehalt abgegebenen Parfumtestern muss aufgrund der vom BGH angenommenen fehlenden Anwendbarkeit des Markengesetzes in der Praxis auf andere Weise beigekommen werden. Hierbei ist ein Rückgriff auf das Strafrecht naheliegend. Man könnte an den Diebstahl als Rettungsanker denken, um diesen Fällen gerecht zu werden und gegen die Beteiligten vorzugehen. Letztlich wird in derartigen Konstellationen aber eher auf die Hehlerei