Zivilprozessrecht. Irmgard Gleußner
Streitbeilegung bildet § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB, der sich mit der Hemmung der Verjährung befasst. Wird ein Antrag bei einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schlichtungsstelle eingereicht, wird die Verjährung durch „Veranlassung“ der Bekanntgabe des Antrags gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 4a BGB). Dazu gehören alle Verbraucherschlichtungsstellen des VSBG. Bei sonstigen Streitbeilegungsstellen tritt die Hemmung der Verjährung nur bei einvernehmlicher Inanspruchnahme ein (§ 204 Abs. 1 Nr. 4b BGB), wobei das Einvernehmen in bestimmten Fällen unwiderleglich vermutet wird (§ 15a Abs. 3 S. 2 EGZPO). Voraussetzung für die Hemmung ist stets, dass der Gegenstand des Streits im Antrag hinreichend individualisiert wird.[13]
Ausgangsfall
Nach Durchsicht der AGB der „VORORT Fliesen GmbH“ muss Mona feststellen, dass diese an einer freiwilligen Streitschlichtung kein Interesse hat. In Ziffer 9 der AGB findet Mona folgenden Text: „Die EU stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr aufrufen können. Wir ziehen es vor, Ihr Anliegen im direkten Austausch zu klären und nehmen daher nicht an einem Verbraucherschlichtungsverfahren teil.“
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Um einen verbesserten Rechtsschutz gegen „Hassbotschaften“ zu erreichen, ist 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft getreten, das Nutzerinnen und Nutzern Sozialer Netzwerke mit mehr als 2 Mio. registrierten Mitgliedern (z.B. Facebook, Twitter, YouTube etc.) beisteht. Die Plattformen müssen den Nutzern ein wirksames und transparentes Beschwerdeverfahren zur Verfügung stellen, damit rechtswidrige Inhalte schnellstens gelöscht werden. Zudem muss ein Zustellungsbevollmächtigter benannt werden, falls es zu einer Klage auf Löschung kommt (§ 5 Abs. 1 NetzDG).
4. Schiedsgerichtliches Verfahren
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Das in §§ 1025 ff. ZPO geregelte Schiedsverfahren erlaubt es den Parteien, einen Rechtsstreit durch eine sog. Schiedsvereinbarung vor einem privaten Schiedsgericht auszutragen und ihn damit der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen. Unter der Internetadresse www.disarb.org findet sich interessantes Zahlenmaterial zur deutschen Schiedsgerichtsbarkeit.
a) Adressatenkreis
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Diese Möglichkeit der autonomen Konfliktlösung durch verbindlichen Schiedsspruch eines Dritten nutzen vor allem Unternehmen in internationalen Handels- und Wirtschaftsstreitigkeiten. Aber auch eine Reihe von nationalen Unternehmen ist in die Schiedsgerichtsbarkeit „abgewandert“, z.B. in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten.[14] Ein wesentlicher Vorteil der „privaten Rechtsfindung“ besteht für die „Global-Player“ vor allem darin, dass Schiedssprüche weltweit anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden (vgl. § 1061 ZPO),[15] während ein nationales Urteil nicht in allen Staaten anerkannt wird. Beispielsweise hat sich China verpflichtet, Schiedssprüche anzuerkennen, nicht aber Urteile „normaler Gerichte“. Die globalisierten Unternehmen nutzen als Schiedsgerichte bevorzugt institutionelle Schiedsgerichtsorganisationen, wie etwa das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Paris, das Chinesisch-Europäische Schiedsgerichtszentrum in Hamburg sowie den London Court of International Arbitration.
b) Vorteile im Überblick
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Als Vorteile für das Schiedsverfahren werden die größere Flexibilität der Verfahrensgestaltung, die kürzere Verfahrensdauer, die Kostengünstigkeit bei hohen Streitwerten, die Nichtöffentlichkeit und damit Vertraulichkeit des Verfahrens, die spezielle Sachkunde der Schiedsrichter in technischen oder rechtlichen Fragen, die freie Wahl des Orts des Schiedsverfahrens sowie der Verhandlungssprache, die freie Rechtswahl sowie die internationale Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs (weltweit) genannt.[16] Die Verjährung des Anspruchs wird mit Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB).
c) Schiedsverfahren
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Voraussetzung für das schiedsrichterliche Verfahren ist eine privatrechtliche Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien. Einseitige Anordnungen (z.B. im Testament) genügen nicht.[17] Die Schiedsvereinbarung muss freiwillig erfolgen. Die Formerfordernisse sind in § 1031 ZPO aufgeführt. Gegenstand einer Schiedsvereinbarung kann jeder vermögensrechtliche Anspruch sein (§ 1030 ZPO). Ausgeschlossen sind Schiedsvereinbarungen beispielsweise in Mietsachen (§ 1030 Abs. 2 ZPO). Liegt eine Schiedsgerichtsvereinbarung vor und wird dennoch Klage bei einem staatlichen Gericht erhoben, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, wenn der Beklagte dies rechtzeitig rügt (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Im Regelfall ist das Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern besetzt. Das Schiedsgericht muss unabhängig und neutral sein.[18] Der Schiedsspruch hat für die Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils (§ 1055 ZPO). Die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch ist erst nach Vollstreckbarkeitserklärung durch ein staatliches Gericht möglich (§§ 1060 ff. ZPO). In bestimmten Fällen kann der Schiedsspruch wieder beseitigt werden (§ 1059 Abs. 2 ZPO), z.B. bei Unparteilichkeit des eingeschalteten Sachverständigen.[19]
Ausgangsfall
Mona hat keinen Schiedsvertrag mit der V-GmbH geschlossen. Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern sind eher unüblich und stets an § 307 BGB zu messen. Nachdem nun sämtliche Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung für den Fall von Mona keine Rolle spielen, wird Mona um die Aufnahme eines Prozesses nicht herum kommen. Eine kleine Chance besteht noch für Mona, einigermaßen rasch und kostengünstig an ihr Recht (bzw. zu einem Vergleich) zu kommen. Dies soll im Folgenden erläutert werden.
2. Teil Erkenntnisverfahren › A. Konzepte gütlicher Streitbeilegung › III. Vorgeschaltete Güteverhandlung; gerichtliche Güteversuche
III. Vorgeschaltete Güteverhandlung; gerichtliche Güteversuche
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Das Instrument der Güteverhandlung ist kein Konzept der „außergerichtlichen“ Streitschlichtung, da sie die Erhebung einer Klage, also einen Prozess, voraussetzt. Da die Güteverhandlung aber auf eine rasche und frühzeitige Streitbeilegung gerichtet ist, soll sie – systematisch ungenau – dennoch an dieser Stelle behandelt werden. Nach § 278 Abs. 2 ZPO muss der mündlichen Verhandlung zwingend eine Güteverhandlung vorausgehen. Diese seit 2002 geltende Vorschrift ist § 54 ArbGG nachgebildet. Die Güteverhandlung ist nicht Teil der mündlichen Verhandlung, sondern vorgeschaltet. Ziel dieses Termins ist, eine frühzeitige, einvernehmliche Lösung des Konflikts zu fördern. Auf die Güteverhandlung kann das Gericht daher nur verzichten, wenn ein Einigungsversuch bereits vor einer außergerichtlichen Gütestelle (siehe hierzu Rn. 21) stattgefunden hat oder wenn die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos erscheint (§ 278 Abs. 2 S. 1 ZPO). Wie die Güteverhandlung ausgeht, hängt u.a. auch von der Verhandlungsführung und dem Verhandlungsgeschick des Richters ab. Manche Länder haben daher Modellversuche mit speziell ausgebildeten Güte- bzw. Mediationsrichtern gestartet.[20] Das Mediationsgesetz (Rn. 12, 24) hat diesen Trend aufgegriffen. Um eine gütliche Einigung der Parteien vor Gericht noch intensiver zu fördern, hat das Gericht nach § 278 Abs. 5 ZPO zur Durchführung der Güteverhandlung nun mehrere Optionen. Nach Wahl des Gerichts kann es die Güteverhandlung selbst durchführen oder die Parteien an einen speziellen (nicht entscheidungsbefugten) Güterichter verweisen, der wiederum alle Modelle einvernehmlicher Konfliktlösung (z.B. Mediation)