Verteidigung in der Hauptverhandlung. Klaus Malek
längere Zeit, so darf nicht zugewartet werden. Das Ablehnungsgesuch muss in diesem Fall auch außerhalb der Hauptverhandlung zwischen zwei Verhandlungstagen angebracht werden, um das Gebot der Unverzüglichkeit zu erfüllen.[94]
e) Ablehnungsverfahren
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Gemäß § 26 Abs. 1 ist das Ablehnungsgesuch bei dem Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, anzubringen. Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz nicht vor. Gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 gilt auch nicht § 257a, so dass das Gericht dem Verteidiger nicht aufgeben kann, den Ablehnungsantrag schriftlich zu stellen. Das Gesuch kann daher nach freier Entscheidung des Antragstellers[95] innerhalb der Hauptverhandlung schriftlich oder mündlich gestellt werden, wobei der mündliche Antrag gemäß § 273 Abs. 1 zu protokollieren ist.
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Das Gesuch muss den abgelehnten Richter und die Ablehnungsgründe, auf die es gestützt wird, eindeutig bezeichnen. Im Fall des § 25 Abs. 2 müssen auch die Tatsachen, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des Antrags ergeben soll, angeführt werden.[96] Die zur Antragsbegründung vorgebrachten Tatsachen sind glaubhaft zu machen, d. h. so weit zu beweisen, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält, ohne dass es allerdings der vollen Überzeugung von ihrer Richtigkeit bedarf.[97] Der Glaubhaftmachung bedarf es aber nicht, wenn sich der Ablehnungsgrund aus den Akten ergibt oder dieser gerichtsbekannt ist.[98] Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters, der sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat (§ 26 Abs. 2 S. 3, Abs. 3), Bezug genommen werden. Wird das Ablehnungsgesuch ohne Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters verworfen, so begründet dies einen relativen Revisionsgrund, weil dem Revisionsgericht eine wesentliche notwendige Entscheidungsgrundlage fehlt.[99]
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Darüber hinaus steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wie es sich Kenntnis vom Bestehen oder Nichtbestehen der Ablehnungsgründe verschafft. Eine förmliche Beweisaufnahme findet nicht statt.[100] Da der Grundsatz in dubio pro reo im Ablehnungsverfahren nicht gilt,[101] nicht behebbare Zweifel daher zu Lasten des Antragstellers ausgehen, und das Gericht auch nicht verpflichtet ist, auf die weitere Glaubhaftmachung der Ablehnungsgründe hinzuwirken, kann nur angeraten werden, den Antrag so sorgfältig und ausführlich wie möglich zu begründen. Neben der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters kommen als Mittel der Glaubhaftmachung eidesstattliche Versicherungen und andere schriftliche Erklärungen von Zeugen, auch in fremder Sprache,[102] sonstige Bescheinigungen und Unterlagen sowie anwaltliche Versicherungen in Betracht. Die Benennung eines Zeugen reicht nur dann, wenn sich der Verteidiger nicht in der Lage sieht, dessen schriftliche Äußerung beizubringen. Liegt ein solcher Fall vor, der ebenfalls glaubhaft zu machen ist, hat das Gericht von Amts wegen Beweis zu erheben.[103] Teilt der Verteidiger die den Antrag begründenden Tatsachen als eigene Wahrnehmung mit, so bedarf es nicht der ausdrücklichen Angabe des Mittels der Glaubhaftmachung.[104]
Hinweis
Der Verteidiger sollte darauf hinweisen, dass er vor einer Entscheidung über den Ablehnungsantrag die – bei einer zulässigen Ablehnung zwingend vorgeschriebene – dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht haben will.[105] Dies erscheint umso wichtiger, als dem abgelehnten Richter die Möglichkeit eingeräumt wird, ein zu beanstandendes Verhalten durch Klarstellung und Entschuldigung zu beseitigen.[106]
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Muster 10 Antrag auf Ablehnung eines Berufsrichters
An das
Landgericht
…
In der Strafsache
gegen …
lehnt der Angeklagte den Herrn Vorsitzenden Richter X wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Begründung:
Der Angeklagte hat in der heutigen Hauptverhandlung nach Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht erklärt, er sei unschuldig, wolle aber zur Sache keine Angaben machen. Trotz dieser eindeutigen Erklärung des Angeklagten bedrängte ihn der abgelehnte Richter mit der Empfehlung, es sei besser, „jetzt zu dem, was geschehen ist, zu stehen“ und durch ein Geständnis „reinen Tisch zu machen“. Das Gericht werde dies sicherlich bei der Strafzumessung zu würdigen wissen.
Aufgrund der genannten Äußerungen muss der Angeklagte davon ausgehen, dass er für den abgelehnten Richter bereits als Täter feststeht. Er kann daher nicht mehr darauf vertrauen, dass dieser die Ergebnisse der Beweisaufnahme unparteiisch und unvoreingenommen würdigen wird.
Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Angeklagte auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters. Es wird gebeten, diese noch vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bekannt zu geben, damit Gelegenheit besteht, hierzu im Rahmen des rechtlichen Gehörs Stellung zu nehmen.
Des Weiteren bitte ich darum, mir die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.
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Gemäß § 26a verwirft das Gericht, in der Hauptverhandlung unter Mitwirkung der Schöffen,[107] und zwar ohne Ausscheiden des abgelehnten Richters, die Ablehnung als unzulässig, wenn der Antrag verspätet gestellt ist (Abs. 1 Nr. 1), ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben wird (Abs. 1 Nr. 2) oder durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen (Abs. 1 Nr. 3). Verschleppungsabsicht liegt nur vor, wenn es dem Antragsteller ausschließlich auf eine Verzögerung der Hauptverhandlung ankommt,[108] was allerdings ohne weitere Nachforschungen feststellbar sein muss.[109] Verfahrensfremde Zwecke können vorliegen, wenn der Befangenheitsantrag aus rein demonstrativen Zwecken oder zur Verunglimpfung eines abgelehnten Richters gestellt wird.[110] Verfahrensfremd ist es auch, über einen Befangenheitsantrag einen Streit über das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme auszutragen.[111] Die Motive des Antragstellers müssen allerdings offensichtlich sein. Fälle des Missbrauchs des Ablehnungsrechts sind daher in der Praxis selten.[112]
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In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird allerdings dem Fehlen der Begründung der Fall gleichgestellt, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgrundes völlig ungeeignet ist.[113] Entscheidend soll hierbei sein, ob das Gesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis als gänzlich ungeeignet angesehen werden kann,[114] z.B. die Ablehnung bei bloßer prozessordnungsgemäßer Mitwirkung an einer Vorentscheidung oder einer bloßen Vorbefassung mit der Sache.[115] Diese Rechtsprechung ist problematisch, da bei genauer Betrachtung eine Begründetheitsprüfung im Mantel einer Zulässigkeitsprüfung durchgeführt wird. Überschreitet das mit dem Ablehnungsgesuch befasste Gericht die engen Grenzen, die die Rechtsprechung gesteckt hat, so kann dies wiederum die Besorgnis der Befangenheit begründen.[116]
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Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet das Gericht ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 27 Abs. 1). Betrifft die Ablehnung ein richterliches Mitglied der Strafkammer, so beschließt diese in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung (§ 27 Abs. 2), also ohne Schöffen (§ 76 S. 2 GVG). Werden mehrere oder alle Richter einer Strafkammer abgelehnt, so ist hierüber in einem einheitlichen Beschluss zu befinden[117] – es sei denn, die Ablehnungsgesuche gehen nacheinander ein und werden unterschiedlich begründet; für diesen Fall gebietet der Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 GG eine sukzessive Entscheidung in der Reihenfolge der Ablehnungsgesuche.[118] Nur wenn der erkennende Richter und außerdem ein Richter abgelehnt wird, der über das Ablehnungsgesuch als Vertreter