Insolvenzstrafrecht. Gerhard Dannecker
BGHSt 34, 37; 34, 221.
Michalski-Dannecker § 82 GmbHG Rn. 44 ff.
BGH NJW 2002, 1803, 1805.
BGH NJW 2002, 1803, 1805; OLG Brandenburg NJW 2001, 76, 78.
BGHSt 31, 118, 122.
Michalski-Dannecker § 82 GmbHG Rn. 46.
BGH wistra 1999, 459, 462 f.; Bittmann-Meyer § 6 Rn. 141.
Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › D. Grundbegriffe der Insolvenz
D. Grundbegriffe der Insolvenz
Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › D. Grundbegriffe der Insolvenz › I. Strafrechtlich relevante Begriffe und ihre Definition
1. Krise als Oberbegriff
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Die Insolvenzdelikte im engeren Sinn[1] weisen die charakteristische Gemeinsamkeit auf, dass ein strafbares Verhalten stets das Handeln im Kontext einer wirtschaftlichen Krise des Schuldners voraussetzt.[2] Die Rede ist von krisenbezogenen Delikten[3]. So knüpft die Strafbarkeit in diesem Deliktsfeld – mit Ausnahme der Verletzung der Buchführungspflicht in § 283b StGB – stets an ein wirtschaftlich verantwortungsloses oder insolvenzträchtiges und in diesem Sinne pflichtwidriges Verhalten in einer Krisensituation des Unternehmens oder an die pflichtwidrige Herbeiführung einer solchen Schieflage an.[4] Aus der Kombination einer wirtschaftlichen Krise mit dem nicht mehr ordnungsgemäßen Wirtschaften ergibt sich das tatbestandliche Unrecht.[5] Unter dem Begriff der Krise versteht man die (drohende) Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung.[6] Im Bereich der §§ 283 ff. StGB setzt die Strafbarkeit zudem die Zahlungseinstellung, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse nach § 283 Abs. 6 StGB als objektive Bedingung der Strafbarkeit voraus.[7]
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Die Krisenmerkmale der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) sind Insolvenzeröffnungsgründe. Ihre Funktion liegt darin, einen Ausgleich zwischen den Gläubigerinteressen und den Gesellschaftsinteressen zu schaffen: Die Antragspflicht soll nicht zu weit nach vorne verlegt werden, damit Erfolg versprechende Sanierungschancen wahrgenommen werden können. Sie darf aber auch nicht zu weit nach hinten verlagert werden, weil dann Gläubiger auf Kosten der übrigen Gläubiger befriedigt werden können, so dass eine geringere Insolvenzmasse verbleibt.[8] Diese Interessen sind bei der Auslegung der einzelnen Insolvenzantragsgründe zu berücksichtigen.[9]
Die Krisenmerkmale bezeichnen einen Zustand für die geschützten Rechtsgüter, der als besonders bedrohlich einzuschätzen ist.[10] In der Praxis können sich Schwierigkeiten hinsichtlich der Beantwortung der Frage ergeben, ob eine Krise im insolvenzstrafrechtlichen Sinne vorliegt.[11] Zunächst ist oftmals die Aufarbeitung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in tatsächlicher Hinsicht nicht unproblematisch, wobei diese Analyse unumgänglich für die daran anschließende rechtliche Bewertung ist. Zudem ist der Einfluss der insolvenzrechtlichen Legaldefinitionen der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 InsO auf die Auslegung der §§ 283 ff. StGB streitig.[12] Eine vollständige Übertragung der dort geregelten Legaldefinitionen wird oftmals unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung befürwortet.[13] Insgesamt gestaltet sich die Handhabung der Krisenbegriffe schwierig, da zum einen bereits ihre insolvenzrechtliche Auslegung Probleme bereitet und zum anderen darüber hinaus die Möglichkeit einer Übertragbarkeit der insolvenzrechtlichen Krisenbegriffe der §§ 17 ff. InsO auf § 283 StGB nicht unumstritten ist.[14]
a) Der insolvenzrechtliche Überschuldungsbegriff
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Die Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO bezeichnet zunächst einen Zustand, in dem bei einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft das Vermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Der Zustand der Überschuldung ist von der Unterbilanz[15] und der Unterkapitalisierung[16] abzugrenzen. Für die Feststellung einer Überschuldung nach § 19 InsO ist allerdings keine bilanzielle Überschuldung im Sinne einer Handelsbilanz maßgeblich, sondern eine an rechtlichen Erwägungen ausgerichtete Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva, die Erstellung einer/-s so genannten „Überschuldungsbilanz/-status“.[17] Bei der Bewertung offenbaren sich regelmäßig Schwierigkeiten. Zwar können handelsrechtliche Form- und Inhaltsvorschriften uneingeschränkt auf die Erstellung einer Überschuldungsbilanz übertragen werden.[18] Die Frage nach der Überschuldung eines Unternehmens lässt sich aber nur über die lückenlose Erfassung des kompletten Vermögens als inneren Wert ermitteln, was eine Handelsbilanz allein nicht zu leisten vermag. Deshalb müssen die tatsächlichen Werte zum jeweiligen Bilanzstichtag und für alle unternehmerischen Vermögenspositionen die wahren objektiven Werte ermittelt werden.[19]
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Der Überschuldungsstatus dient der Festsetzung des stichtagsbezogenen Vermögensstandes des Unternehmens. Es soll im Interesse des Schutzes der Gläubiger die ihnen als Haftungsgrundlage zur Verfügung stehende Vermögensmasse festgestellt werden. Man unterscheidet zwischen der rein rechnerischen (formellen) Überschuldung und der rechtlichen (materiellen) Überschuldung:[20] Während erstere das Ergebnis der aufgestellten Überschuldungsbilanz ist, liegt eine rechtliche Überschuldung nur dann vor, wenn nach der rechtlichen Wertung des § 19 Abs. 2 InsO unter Einbeziehung des Prognoseelements eine Überschuldung anzunehmen ist.[21]
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Probleme bereitet bereits die Berechnungsgrundlage der Überschuldungsbilanz. So war vor dem Inkrafttreten der InsO streitig, ob in der Überschuldungsbilanz Liquidations- oder Fortführungswerte[22] anzusetzen waren. Die h.M. im Schrifttum,[23] der sich der BGH angeschlossen hat,[24] vertrat hierbei den so genannten modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff, bei dem unter Zugrundelegung von Liquidationswerten zunächst festzustellen war, ob eine rechnerische Überschuldung vorlag. Diese allein war allerdings noch nicht ausreichend für eine rechtliche Überschuldung, vielmehr musste kumulativ zur rechnerischen Überschuldung eine negative Fortführungsprognose treten.[25] Entsprechend genügte eine positive Fortführungsprognose zur Verneinung der rechtlichen Überschuldung.
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Dieser Streit war mit dem Inkrafttreten der InsO am 1.1.1999 und dem § 19 Abs. 2 S. 2 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden Fassung obsolet