Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften. Ulrich Wackerbarth
haben nach § 124 HGB die Fähigkeit, unter ihrer Firma Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Damit sollten sie nach traditioneller Auffassung allerdings nicht rechtsfähig, sondern nur verkehrstauglicher gemacht werden[7]. Diese Begrifflichkeit ist im Laufe der letzten Jahrzehnte stufenweise – nicht zuletzt durch die Einführung der Teilrechtsfähigkeit – verloren gegangen. Das BGB kennt inzwischen in § 14 Abs. 2 BGB die rechtsfähige Personengesellschaft als eine „Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.“ Demnach sind also jedenfalls die OHG und die KG rechtsfähig. Der BGH[8] hat die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit sie Außengesellschaft ist, ebenfalls als rechtsfähig anerkannt. Damit ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als rechtsfähige Personengesellschaft im Sinne des § 14 Abs. 2 BGB einzuordnen.
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Die Grenzen zwischen einer Personengesellschaft und einer juristischen Person sind also fließend geworden. Dennoch existieren nach wie vor gravierende Unterschiede zwischen Personengesellschaften und juristischen Personen, so u. a.:
– | Die Personengesellschafter sind, abgesehen von den Kommanditisten, kraft Mitgliedschaft grundsätzlich geschäftsführungs- und vertretungsbefugt, während die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bei einer juristischen Person nicht den Gesellschaftern, sondern den Organen der Gesellschaft zugewiesen ist. |
– | Bei den Personengesellschaften muss stets mindestens ein Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sein; diese Befugnisse können nicht Dritten übertragen werden (Prinzip der Selbstorganschaft bzw. Verbot der Drittorganschaft, s. Rn. 116). Im Gegensatz dazu können bei juristischen Personen auch Nichtmitglieder die Funktion des geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Organs wahrnehmen (Zulässigkeit der Fremdorganschaft). |
– | Die juristischen Personen sind vom Wechsel der Mitglieder unabhängig; die Mitgliedschaft ist grundsätzlich frei übertragbar. Anders ist es bei den Personengesellschaften. Der Mitgliederwechsel ist nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages zu bewerkstelligen, bedarf also grundsätzlich der Zustimmung aller Gesellschafter. |
– | Für die Verbindlichkeiten der juristischen Person haftet den Gläubigern nur das Vermögen der juristischen Person; die Mitglieder haften nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen, genießen also das sog. Haftungsprivileg. Im Gegensatz dazu haften die Personengesellschafter grundsätzlich für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich mit ihrem Privatvermögen (vgl. Rn. 118 f.). |
4. Juristischer Personen und Personengesellschaften als Grundrechtsträger
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Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte „auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.“ Grundrechtsfähig sind demnach in der Regel nur inländische juristische Personen des Privatrechts. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten die Grundrechte grundsätzlich nicht, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen.[9] Ausnahmsweise gelten sie aber auch für diese, wenn das den Bürgern zur Verwirklichung ihrer Grundrechte dient. Das trifft z. B. im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit auf die Universitäten und deren Fakultäten zu.[10]
Die Einschränkung in Art. 19 Abs. 3 GG „soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind“ legt das Bundesverfassungsgericht[11] dahingehend aus, dass es nur dann gerechtfertigt sei, juristische Personen in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen, wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen sei, insbesondere, wenn der „Durchgriff“ auf die hinter ihr stehenden Personen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen lasse.
Die Grundrechtsfähigkeit hat das Bundesverfassungsgericht u. a. den folgenden juristischen Personen des Privatrechts zuerkannt: Aktiengesellschaft, GmbH, Kommanditgesellschaft auf Aktien, eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung.[12]
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Das Bundesverfassungsgericht hat den Grundrechtsschutz allerdings nicht auf die juristischen Personen des Privatrechts beschränkt, sondern auch auf privatrechtlich Personenvereinigungen ausgedehnt, soweit es sich um privatrechtlich statuierte Organisationseinheiten handelt, denen die Rechtsfähigkeit zuerkannt wird. Der Grundrechtsschutz bezieht sich in solchen Fällen auf diejenigen Tätigkeitsbereiche, die sich aus Gesetz und Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag ergeben.[13] Als grundrechtsfähige Personenvereinigungen in diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht bislang anerkannt: die OHG[14], die KG[15] und die BGB-Gesellschaft.[16]
Zu den Grundrechten, in deren Schutz juristische Personen und andere rechtsfähige Personenvereinigungen einbezogen worden sind, gehören z. B.: die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).[17]
An die Grundrechte gebunden, d. h. grundrechtsverpflichtet, ist grundsätzlich nur die staatliche Gewalt.[18] Eine umfassende Grundrechtsverpflichtung Privater lässt sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings solche Unternehmen, die zwar in Privatrechtsform betrieben, aber qua Beteiligung von der öffentlichen Hand beherrscht werden, zum Teil an die Grundrechte gebunden.[19] Nach dem Fraport-Urteil des Gerichts[20] hat das zur Folge dass das von der öffentlichen Hand beherrschte Frankfurter Flughafenunternehmen Fraport, eine AG, öffentliche Versammlungen in den Terminals wegen der Bindung an Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit) dulden muss.[21]
Teil I Grundlagen und Grundbegriffe des Gesellschaftsrechts › § 2 Organisationsformen im wirtschaftlichen Bereich › III. Der Begriff Kapitalgesellschaft
III. Der Begriff Kapitalgesellschaft
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Häufig wird, wenn die verschiedenen Vereinigungsarten ein- geteilt werden, auch der Begriff Kapitalgesellschaft verwandt. Man kann die verschiedenen Organisationsformen in Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits einteilen.
Personengesellschaften sind: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft und die stille Gesellschaft.
Kapitalgesellschaften sind: die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Letztere sind juristische Personen und damit rechtsfähig. Sie werden auch deshalb Kapitalgesellschaften genannt, weil bei ihnen in der Regel die Höhe der eingezahlten Kapitalbeträge die Grundlage für die Entscheidungsbefugnisse und die Gewinnverteilung in der Gesellschaft bildet.
Teil I Grundlagen und Grundbegriffe des Gesellschaftsrechts › § 2 Organisationsformen im wirtschaftlichen Bereich › IV. Europäische Gesellschaftsformen
IV. Europäische Gesellschaftsformen
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Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) am 1.1.1989 ist in Deutschland