Handbuch des Strafrechts. Jan C. Joerden
Dem Erfolgs- und Handlungsunrecht wird ebenso schematisch das aus Erlaubnissätzen ableitbare „Erfolgs-Recht“ bzw. „Handlungs-Recht“ gegenübergestellt.[64] Seien sowohl die objektiven wie auch die subjektiven Voraussetzungen eines Erlaubnissatzes erfüllt, führe dies zu einer Kompensation der Unrechtselemente, mithin zu einem Ausschluss des Unrechts, während das Fehlen einzelner Komponenten – je nachdem – zu einer Versuchs- oder Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führe. Ein solches Vorgehen liegt nahe und führt auch zu vermittelbaren Ergebnissen, wenn etwa behauptet wird, dass dort, wo subjektiv „nichts Schlimmes intendiert“ sei, aber objektiv „Schlimmes“ passiere (so etwa bei der Putativnotwehr, vgl. sogleich 1.), allenfalls eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht zu ziehen sei, während ein Täter, der „etwas Böses wolle, aber objektiv im Recht handele“ (so im umgekehrten Fall des Fehlens eines Notwehr- oder Nothilfewillens, vgl. im Anschluss 2.), die Tat allenfalls versucht haben könne. Mit Blick darauf, dass selbst objektive Merkmale von Rechtfertigungstatbeständen zumindest nach verbreiteter Auffassung „subjektiv ermittelt“ werden müssen (etwa die Gegenwärtigkeit eines Angriffs i.S.d. § 32 StGB oder der Gefahr i.S.d. § 34 StGB), mag man auf den ersten Blick zweifeln, ob Erlaubnissätze derart unterteilt werden könnten.[65] Tatsächlich dürfte aber jedem Erlaubnissatz zumindest ein „harter, objektiver Kern“ zu entnehmen sein, der die Duldungspflicht des durch den Erlaubnissatz Beeinträchtigten legitimiert, und zumindest regelmäßig werden dem objektiv gerechtfertigten Täter auch die Umstände bewusst sein, die diesen objektiven Kern begründen. Insoweit ist dann nur noch zu überlegen, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen objektives und subjektives Rechtfertigungselement doch auseinanderfallen. Das Wechselspiel zwischen Erfolgs- bzw. Handlungsunrecht und dessen kompensierenden Pendants steht somit in einem größeren Zusammenhang, der über seine (isoliert betrachtet wohlbekannten) Fallgruppen hinausweist.
1. Erlaubnistatbestandsirrtum (Wegfall des Handlungs- bzw. Intentionsunrechts?)
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Eine ausführliche Abhandlung des Meinungsstreits über den Erlaubnistatbestandsirrtum würde hier zwar ihren Platz finden, soweit man ihn auch als Streit über das Unrechtskonzept versteht – sie erfolgt aber traditionellen Gliederungskonzepten folgend an anderer Stelle in diesem Werk.[66] Hier daher nur so viel: Unabhängig davon, ob man einen Verteidigungswillen (im Sinne eines umgekehrten Intentionsunrechts) bei Erlaubnissätzen zwingend verlangt, liegt die Annahme nahe, dass sich jedenfalls sein positives Vorliegen unmittelbar auf das Intentionsunrecht in Gestalt seiner Aufhebung bzw. Kompensation auswirkt.
2. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum (Wegfall des Erfolgsunrechts?)
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Was das Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements angeht, hat sich in jüngerer Zeit Gropp gegen die doch seit Längerem vorherrschende sog. „Versuchslösung“ ausgesprochen,[67] welche das Erfolgsunrecht als kompensiert betrachtet und an das Handlungsunrecht im Übrigen knüpfend (nur) zur Versuchsstrafbarkeit gelangt.[68] Diese vermittelnd anmutende Lösung lehnt Gropp ab, da ein Täter, der objektiv im Recht handle, begriffslogisch nicht mit Handlungsunrecht agiere, sodass auch der Anknüpfungspunkt für den Versuch wegfalle. Auch wenn Gropp vorsichtig formuliert, dass diese Einordnung „keine Abschaffung des subjektiven Rechtfertigungselements als Bestandteil der personalen Unrechtslehre“[69] bedeuten soll, so läuft diese Lösung letztlich zumindest im Rahmen des § 32 StGB auf einen vollständigen Verzicht des Notwehr- bzw. Nothilfewillens hinaus.
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Innerhalb der Unrechtslehre kann man die Streitfrage in das Zusammenspiel von objektivem Handlungsunrecht und Intentionsunwert integrieren und daran ausmachen, ob der Intentionsunwert letztlich den Handlungsvollzug – ähnlich wie beim untauglichen Versuch – „einfärbt“.[70] Die Argumentation, wonach eine unterschiedliche Behandlung zwischen diesen beiden Fällen dadurch legitimiert sei, dass der Täter beim untauglichen Versuch schon nach außen hin nicht „rechtskonform“ agiere (während beim umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum das Verhalten des Täters dem Recht entspreche),[71] vermengt untauglichen und fehlgeschlagenen Versuch: Denn davon abgesehen, dass sich der untaugliche Versuch ohnehin nur schwierig in das geltende Unrechtskonzept integrieren lässt (und daher als Vergleichsmaßstab vielleicht nur bedingt geeignet ist), kann gerade auch dieser sich in objektiv sozialadäquaten Handlungen manifestieren (Überlassung von Nusskuchen an einen nur vermeintlichen Nussallergiker; Beischlaf mit einem nur vermeintlich erst 14-jährigen, tatsächlich aber schon 17-jährigen jungen Mädchen). Hingegen läuft die rigorose Ansicht der frühen Rechtsprechung,[72] die in diesen Fällen den Täter wegen Vollendung bestrafen will, auf eine umgekehrt monistisch-subjektive Lehre hinaus, die sowohl das kompensierte Erfolgs- als auch das objektive Handlungsunrecht nicht berücksichtigt. Zuzugeben ist den Kritikern der Versuchslösung, dass das zugrunde gelegte Schema von unrechtsbegründenden- und unrechtskompensierenden Elementen nicht kaschieren kann, dass die Notwendigkeit eines Verteidigungswillens keine Selbstverständlichkeit ist, mag auch der Wortlaut des § 32 StGB („um“) Gegenteiliges vermuten lassen.[73] Dies wird umso deutlicher, als bei der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ein Intentionsunrecht fehlt und somit kein Bezugspunkt existiert, der durch einen subjektives „Intentionsrecht“ kompensiert werden müsste.[74]
1. Inhalt
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Ein Erfolgsunrecht ist – nach hier vertretener Auffassung – in erster Linie bei Verletzungen oder konkreten Gefährdungen des Handlungsobjekts gegeben, indem der Achtungsanspruch des rechtlich schützenswerten Interesses realen Ausdruck findet,[75] mithin bei schädlichen Folgen für mögliche Gegenstände subjektiver Rechte.[76] Hierzu zählen etwa die Tötung, die Gesundheitsschädigung, die Zerstörung bzw. Beschädigung von Sachen, deren Wegnahme oder Unterdrückung oder der Eintritt eines Vermögensnachteils. Auch bei einer „Beinahe-Verletzung“ bzw. Schädigung als manifestierter bzw. spürbarer Beeinträchtigung des Achtungsanspruchs lässt sich ein Erfolgsunrecht bejahen. Das Erfolgsunrecht kann auch verschiedene „Stufen“ durchlaufen, und ggf. kann ein zusammengesetztes Delikt zwei auseinandergehende Erfolgsunrechtskomponenten aufweisen (so etwa bei der an § 306 StGB knüpfenden Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB[77]). Die Anknüpfung an reale Lebenssachverhalte macht insofern auch eine Quantifizierung des Unrechtsurteils möglich, was v.a. bei der Strafzumessung (vgl. Rn. 45 ff.) eine Rolle spielt (Art und Ausmaß der Verletzungen, Höhe des Schadens etc.). Wie bereits dargelegt, kann man – ohne erhebliche Auswirkungen – auch schlichten Tätigkeitsdelikten bzw. abstrakten Gefährdungsdelikten (die ggf. auch durch Außenwelterfolge begrenzt werden) einen Erfolgsunrechtsbestandteil zuschreiben, doch macht dies nur Sinn, wenn und soweit dieser bzw. die erfolgreiche Vornahme einer schlichten Tätigkeit eine unterschiedliche Behandlung zum objektiven Handlungsunrecht (in Form der objektiven Manifestation des Intentionsunwerts) rechtfertigt.
2. Erfolgsunrecht und Verbrechenslehre
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Es wird sich v.a. im Rahmen des objektiven Handlungsunrechts noch zeigen, dass viele „außertatbestandliche“ Fragen bzw. Ausprägungen der modernen Zurechnungslehre mit der Unrechtslehre eng zusammenhängen. Beim Erfolgsunrecht tritt dies v.a. zum Vorschein, wenn ein Verletzungserfolg eintritt, aber nicht als das Werk des Täters angesehen werden kann, weil er auf einem atypischen Kausalverlauf beruht. Auch entfällt das Erfolgsunrecht, wenn die Verletzung nicht vom Täter ausgeht, mithin nicht in dessen Verantwortungsbereich liegt. Angesprochen ist damit nicht nur die Straflosigkeit der Beteiligung an einem Suizid,[78] sondern auch die Lehre von der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung (wobei es in diesen Fällen bereits am Handlungsunrecht fehlen kann[79]). Der terminologischen Abgrenzung zwischen rechtfertigender Einwilligung und einverständlicher Fremdgefährdung, die nach dem Handlungsvollzug und dem Grad der in Kauf genommenen Rechtsgutsbeeinträchtigung