Handbuch des Strafrechts. Jan C. Joerden

Handbuch des Strafrechts - Jan C. Joerden


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Abs. 1 StGB als Rechtsgeltungsregel verstünde, wären auch die durch Strafnormen in Bezug genommenen Regelungen dem „lex posterior derogat legi priori“-Grundsatz entzogen und würden fortgelten. Entweder kommt man dann zu einer gespaltenen Rechtsgeltung ein und desselben Gesetzes im strafrechtlichen und im außerstrafrechtlichen Bereich, was mit den staatsrechtlichen Grundlagen der Gesetzeslehre nicht vereinbar ist, oder es wird zu einer Frage des Anwendungsbereichs einer Regelung, nämlich ob sie nur in den außerstrafrechtlichen Rechtsgebieten noch zum Tragen kommt. Vergegenwärtigt man sich schließlich, dass das Strafrecht nicht nur durch Blankettverweisungen außerstrafrechtliche Normen in Bezug nimmt, sondern darüber hinaus auch andere Regelungen insbesondere bei rechtsnormativen Tatbestandsmerkmalen die Strafrechtslage bestimmen können, so wird deutlich, dass § 2 Abs. 1 StGB bei der Interpretation als Rechtsgeltungsregelung letztlich zum Grundsatz erhoben und der „lex posterior“-Satz zur Ausnahme würde. Selbst wenn ein Strafgesetz ausdrücklich aufgehoben wird, müsste es aufgrund von § 2 Abs. 1 StGB, sofern man hierin eine strafrechtliche Geltungsregel sieht, fortgelten. Der Gesetzgeber kann sich jedoch durch § 2 Abs. 1 StGB nicht der Kompetenz entledigen, ein Strafgesetz vollständig außer Kraft zu setzen.

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      Vom „zeitlichen Geltungsbereich“ einer Norm ist ihr „zeitlicher Anwendungsbereich“ zu unterscheiden. Beim zeitlichen Geltungsbereich geht es um die Frage, ab wann und wie lange eine Norm gilt. Beim zeitlichen Anwendungsbereich geht es um die Frage, wofür das Gesetz gilt, also in welchem Zeitraum sich die von dem Tatbestand erfassten Sachverhalte und Vorgänge ereignet haben müssen, damit die Regelung anwendbar ist. Wenn ein Gesetz Rechtsfolgen an vergangene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen knüpft, die sich noch während der Geltung des früheren Gesetzes ereignet haben, liegt ein Fall der Rückwirkung vor.

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