Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1. Reinhart Maurach
ohne Beratung (und ohne das – selbstverständliche – Verlangen der Schwangeren).
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§ 218a Abs. 1 spricht im Anschluss an BVerfGE 88, 273 von einer „Nichtverwirklichung des Tatbestandes des § 218“. Mit diesem gesetzgeberischen Novum soll entgegen dem Stufenaufbau der Straftat nicht ein Mehr als die Rechtmäßigkeit, sondern ein Weniger, nämlich eine fortbestehende Unerlaubtheit ausgedrückt werden. Andererseits soll aber Nothilfe zugunsten des Ungeborenen ausgeschlossen sein[1]. Der Unterbrechungsvertrag zwischen dem Arzt und der Schwangeren ist gültig, Lohnfortzahlung erfolgt. Auch können Unterbrechungen, die nach § 218 Abs. 2 und 3 gerechtfertigt sind, bei einer Beratung nicht unwertiger behandelt werden als solche nach Abs. 1 (Eser S/S § 218a 17). Die dogmatische Einordnung des „Nichtverwirklichtseins des Tatbestandes“ nach § 218a Abs. 1 ist daher lebhaft umstritten. Eser bezeichnet es als „Tatbestandsausschluss sui generis“ (S/S § 218a 17; zust. Rudolphi/Rogall § 218a 4), Hermes/Walther als „Rechtswidrigkeitsausschluss sui generis“ (NJW 93, 2341). Andere sprechen von einem „prozeduralen Rechtfertigungsgrund“[2], einem „Rechtfertigungsgrund de facto“ (Jakobs aaO 37; Fi § 218a 5) oder einem Strafunrechtsausschließungsgrund (Günther ZStW 103, 874). Nach v. Hippel ist eine dogmatische Integration gar nicht möglich[3]. Nach unserer Auffassung schränkt § 218a Abs. 1 § 218 auf drei spezielle Verhaltensweisen ein.
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Auch die Überschrift des § 218 ist dadurch unrichtig geworden; sie müsste – wie bei anderen vergleichbar eingeschränkten Tatbeständen (§§ 142, 284, 326, 327) – richtig lauten: „Unerlaubter Schwangerschaftsabbruch“, wenn nicht BVerfGE 88, 273 f. den Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 1 gleichzeitig für nicht tatbestandsmäßig, aber unerlaubt erklärt hätte.
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§ 218a Abs. 2, 3 enthalten zwei Rechtfertigungsgründe, von denen der zweite wiederum befristet ist, und zwar auf 12 Wochen. § 218b dient der Absicherung des gerechtfertigten Abbruchs: der abtreibende Arzt muss sich die Stellungnahme eines anderen Arztes vorlegen lassen (Abs. 1 S. 1), und dessen unrichtige Feststellung ist ebenfalls mit Strafe bedroht (Abs. 1 S. 2).
§ 218c bedroht gemäß den Forderungen von BVerfGE 86, 390 die Verletzung von Nebenpflichten durch den zulässig abbrechenden Arzt mit Strafe.
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Die Schwangere wird bei Selbstabbruch oder wegen ihrer Mitwirkung bei einem Abbruch erheblich günstiger gestellt, wozu es eines ganzen Bündels von Vorschriften bedarf (§§ 218 Abs. 3, Abs. 4 S. 2, 218a Abs. 4, 218b Abs. 1 S. 3, 218c Abs. 2).
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Ein erratisches Relikt der früheren Regelung enthält § 219a: Strafbarkeit des Angebots des Schwangerschaftsabbruchs, obwohl dieser selbst nur noch in Ausnahmefällen strafbar ist (vgl. Schroeder ZRP 92, 410). § 219a Abs. 2-4 sieht denn auch umfangreiche Ausnahmeregelungen vor, allerdings nur für Angebote gegenüber Ärzten und Beratungsstellen. § 219b (Inverkehrbringen von Mitteln zum Schwangerschaftsabbruch) beschränkt sich von vornherein auf die Absicht der Förderung rechtswidriger Schwangerschaftsabbrüche nach § 218.
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Das BVerfG hat darüber hinaus Strafvorschriften zur Sicherung des Beistandes und zur Abwehr des Drucks vonseiten von „Personen des familiären Umfeldes der schwangeren Frau“ verlangt (BVerfGE 88, 293, 298, 308 f.). Diese Forderung erfüllen unvollständig die Strafschärfungsgründe der §§ 170 Abs. 2, § 240 Abs. 4 Nr. 2 (näher Tröndle NJW 95, 3017) und § 218 Abs. 2 Nr. 1.
Die §§ 218-219b bieten eine Fülle von interessanten dogmatischen Problemen; ihre praktische Bedeutung ist jedoch minimal (s.u. Rn. 30).
Anmerkungen
BT-Dr 13/1850 S. 25. Kritisch Satzger JuS 97, 800 ff.; Lesch, Notwehrrecht und Beratungsschutz, 2000.
Hassemer FS Mahrenholz 731; Wolter GA 96, 222; Knierim, Das Tatbestandsmerkmal „Verlangen“ im Strafrecht, 2018,269.
FS Geerds 147. Für eine Umkehrung der Regelung in Richtung auf ein Verbot der Hinderung am Abbruch der Schwangerschaft nach dem Verfahren des § 218a Berghäuser aaO 856 ff.
II. Rechtsgut der Vorschriften
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1. Die Vorschriften gegen den Schwangerschaftsabbruch stehen im 16. Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“. Diese Einordnung hat das BVerfG wieder hervorgehoben: „Der Abbruch einer Schwangerschaft zerstört unwiderruflich menschliches Leben. Der Schwangerschaftsabbruch ist eine Tötungshandlung; das wird aufs deutlichste dadurch bezeugt, dass die ihn betreffende Strafdrohung – auch noch im 5. StrRG – im Abschnitt ,Verbrechen und Vergehen wider das Leben‘ enthalten ist und im bisherigen Strafrecht als ,Abtötung der Leibesfrucht‘ bezeichnet war – die jetzt übliche Bezeichnung als ,Schwangerschaftsabbruch‘ kann diesen Sachverhalt nicht verschleiern“ (BVerfGE 39, 46).
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Indessen ist seit Langem anerkannt, dass zwischen fertigem und sich entwickelndem Leben ein bedeutsamer Wertunterschied besteht, der sich u.a. in dem radikalen Unterschied der Strafdrohungen der §§ 211 ff. einerseits, 218 ff. andererseits und in der Zulässigkeit der Aufopferung der Leibesfrucht bei einer Gefahr für das Leben der Mutter (s.o. § 5 Rn. 13) niederschlägt. Wenn daher schon für das frühere Recht die Behandlung der Abtreibungsdelikte als selbstständige Gruppe anerkannt war (s. 5. Aufl. S. 54 ff.), so muss dies umso mehr für das neue Recht gelten.
Der Versuch, den Unterschied der Strafdrohungen auf die subjektive Konfliktlage der Mutter zurückzuführen (Eser/Weißer S/S Vor § 218 9 m. weit. Nachw.), scheitert an der Milderbestrafung auch des Fremdabbruchs; die Heranziehung einer objektiven Interessenkollision unterscheidet sich – per saldo – nicht von der hier vertretenen Auffassung.
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Aus dieser Selbstständigkeit des Rechtsguts „werdendes Leben“ gegenüber dem fertigen Leben folgt, dass hinsichtlich des Embryos bzw. Fötus die Tötungstatbestände i.e.S. (und ebenso die Körperverletzungstatbestände) nicht eingreifen und auf sie auch bei Lücken der Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch nicht zurückgegriffen werden darf. Daher lässt sich der fahrlässige Schwangerschaftsabbruch ebensowenig als fahrlässige Tötung der abgegangenen Leibesfrucht erfassen wie die Verletzung der Leibesfrucht als Körperverletzung des späteren Menschen (Contergan-Fall, s.o. § 1 Rn. 9 und u. § 8 Rn. 6).
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2. Im Übrigen ergeben sich aus der o. I dargestellten Systematik des geltenden Rechts folgende Unterscheidungen:
a) Durch das in den §§ 218, 218a Abs. 1, 3 enthaltene Verbot des Schwangerschaftsabbruchs nach Ablauf von zwölf Wochen seit der Empfängnis wird nicht nur das werdende Leben ab einer bestimmten Entwicklungsstufe,