Umwandlungsgesetz. Oliver Schmidt
(Suchanek/Hesse Der Konzern 2015, 245). Ungeachtet dessen und trotz des am Verschmelzungsstichtag erfolgenden Wechsels der Rechnungslegung bleibt der übertragende Rechtsträger bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung buchführungspflichtig (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 153). Liegt im Zeitraum zwischen Verschmelzungsstichtag und Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers ein Jahresabschlussstichtag, hat der übertragende Rechtsträger auf diesen Stichtag einen Jahresabschluss zu erstellen (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 153). Dies wird insbes dann praktisch, wenn wegen laufender Anfechtungsverfahren die Verschmelzung nicht zeitnah eingetragen werden kann. Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses entfällt (erst) dann, wenn im Aufstellungs- und Prüfungszeitraum die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen wird, die Aufstellung des Jahresabschlusses also vom Verschmelzungsverfahren „überholt“ wird.
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Umsatzsteuerlich ist der übertragende Rechtsträger bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung verpflichtet (vgl auch Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 5 Rn 77).
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Trotz der Rechnungslegungspflicht des übernehmenden Rechtsträgers auch für den übertragenden Rechtsträger vom Verschmelzungsstichtag an, kann der übernehmende Rechtsträger lediglich die Salden der beim übertragenden Rechtsträger weitergeführten Buchhaltung in sein Rechnungswesen übernehmen. Es ist nicht erforderlich, dass er alle Geschäftsvorfälle einzeln in sein Rechnungswesen übernimmt (Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 5 Rn 76). Da im Wege der Gesamtrechtsnachfolge der übertragende Rechtsträger auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht, wird auch dessen Buchhaltung Bestandteil der Buchhaltung des übernehmenden Rechtsträgers.
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Sind an der Verschmelzung mehrere übertragende Rechtsträger beteiligt, kann für jeden übertragenden Rechtsträger ein gesonderter Verschmelzungsstichtag bestimmt werden (Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 166; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 61; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 5 Rn 80).
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Ebenso wie bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Gewinnberechtigung kann es auch für den Verschmelzungsstichtag und die zu erstellende Schlussbilanz bei drohenden Anfechtungsverfahren sinnvoll sein, variable Stichtage im Verschmelzungsvertrag vorzusehen (BGH DB 2013, 334; Drygala in Lutter, § 5 Rn 75; Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 164; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 62; eine Koppelung aller im Verschmelzungsvertrag geregelten variablen Stichtage ist sinnvoll). Dies hat neben der Schaffung von Rechtssicherheit für die noch beim übertragenden Rechtsträger zu führende Buchhaltung und die von diesem ggf zu erstellenden Jahresabschlüsse den Vorteil, dass auf vertraglicher Grundlage stets eine aktuelle Schlussbilanz beim Register eingereicht werden kann, der Einhaltung der Acht-Monats-Frist nach § 17 Abs 2 S 4 also keine Hindernisse entgegenstehen. Eine vertragliche Regelung für einen variablen Stichtag kann wie folgt lauten (bei Stichtag für die Schlussbilanz 31.12.2016 und Verschmelzungsstichtag 1.1.2017 – vgl zu einer vertraglichen Stichtagsregelung auch § 7 Rn 26):
Falls die Verschmelzung nicht bis zum Ablauf des 28.2.2018 in das für die X AG zuständige Handelsregister eingetragen ist, gilt abweichend von § (regelt die Stichtage der Schlussbilanz und den Verschmelzungsstichtag) der 31.12.2017 als Stichtag der Schlussbilanz sowie der Ablauf des 31.12.2017 und der Beginn des 1.1.2018 als Stichtag für die Übertragung des Vermögens und den Wechsel der Rechnungslegung. Bei einer weiteren Verzögerung der Eintragung über den 28. Februar des Folgejahres hinaus verschieben sich die Stichtage jeweils entspr der vorstehenden Regelung um ein Jahr.
7. Sonderrechte, Abs 1 Nr 7
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Im Verschmelzungsvertrag sind alle Rechte anzugeben, die der übernehmende Rechtsträger einzelnen Anteilsinhabern sowie den Inhabern bes Rechte wie Anteile ohne Stimmrecht, Vorzugsaktien, Mehrstimmrechtsaktien, Schuldverschreibungen und Genussrechte gewährt. Weiter sind die für diesen Personenkreis vorgesehenen Maßnahmen im Verschmelzungsvertrag zu nennen. Aufgrund dieser vorgeschriebenen Angaben im Verschmelzungsvertrag sollen alle Anteilsinhaber die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes überprüfen können (Drygala in Lutter, § 5 Rn 76; Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 167). Von Abs 1 Nr 7 nicht erfasst sind Sonderrechte oder Maßnahmen, die (noch) vom übertragenden Rechtsträger gewährt werden; sie müssen deshalb nicht im Verschmelzungsvertrag genannt werden (OLG Hamburg DB 2004, 1143, 1145). Dies gilt auch dann, wenn sie aufgrund der Verschmelzung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. Anders wäre es nur, wenn im Einvernehmen mit dem übernehmenden Rechtsträger in Umgehungsabsicht gehandelt würde.
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Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Bestimmung, nämlich eine Überprüfungsmöglichkeit für die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu schaffen, sind in den Verschmelzungsvertrag nicht nur Rechte und Maßnahmen aufzunehmen, die anlässlich der Verschmelzung gewährt werden. Vielmehr sind generell sämtliche gewährten Sonderrechte zu nennen (Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 65; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 5 Rn 40; Drygala in Lutter, § 5 Rn 76).
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Die Sonderrechte müssen vom übernehmenden Rechtsträger gewährt werden. Vereinbarungen unter den Anteilsinhabern selbst, durch die bspw auf konsortialvertraglicher Basis Rechte eingeräumt werden, fallen nicht unter die Vorschrift und brauchen deshalb nicht angegeben zu werden (Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 65). Von der Bestimmung erfasst sind zum einen Sonderrechte, die Anteilsinhabern der übertragenden Rechtsträger gewährt werden. Im Verschmelzungsvertrag sind jedoch auch Sonderrechte aufzuführen, die einzelnen Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers eingeräumt werden, also zB Vorteile irgendwelcher Art, die einzelne Anteilsinhaber zB zur Zustimmung zu einer Verschmelzung bewegen sollen (Drygala in Lutter, § 5 Rn 78; Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 168).
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Ein Gleichbehandlungsverstoß kommt nur in Betracht, wenn Sonderrechte einzelnen Anteilsinhabern eingeräumt werden. Demzufolge müssen Rechte oder Maßnahmen aller Anteilsinhaber nicht im Verschmelzungsvertrag aufgeführt werden, da insoweit ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vorliegt (Marsch-Barner in Kallmeyer, § 5 Rn 41; Drygala in Lutter, § 5 Rn 76; Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn 168; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 66).
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Sonderrecht kann jedes Recht sein, das auf gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Grundlage gegenüber dem übernehmenden Rechtsträger eingeräumt wird (Drygala in Lutter, § 5 Rn 77; Schröer in Semler/Stengel, § 5 Rn 65). Es kann sich sowohl auf Vermögensrechte beziehen, also zB beinhalten Optionen auf Anteile, einmalige oder mehrfache Geldzahlungen, das Recht auf Vorzugsgewinnanteile, Vorzugsrechte in Bezug auf den Liquidationserlös, Zahlungen für entfallende Aktienoptionsrechte des Vorstands einer AG (dazu OLG Hamburg ZIP 2004, 906). Sonderrechte können jedoch auch als bes Mitverwaltungsrechte eingeräumt werden, so zB Ankaufsrechte für Anteile, Vorkaufsrechte, Bestellungs- bzw Entsendungsrechte in Geschäftsführungs- oder Aufsichtsgremien, Vorzugsstimmrechte. Auch der Wegfall der Börsenzulassung (Delisting) kann für den Großaktionär ein Sondervorteil sein und für die Minderheitsaktionäre einen Schaden darstellen (vgl hierzu LG Hanau Der Betrieb 2002, 2261).
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Zu dem nach Abs 1 Nr 7 begünstigten Personenkreis zählen nicht nur die einzelnen Anteilsinhaber, sondern auch die Inhaber besonderer Rechte, wie Anteile ohne Stimmrecht, Vorzugsaktien, Mehrstimmrechtsaktien, Schuldverschreibungen und Genussrechte