Verteidigervergütung. Andreas Mertens
absehen, welche Kosten auf ihn zukommen. Der Verteidiger wiederum kann mit einem festen Honorar rechnen. Problematisch wird es indes, wenn er den im Mandat anstehenden Aufwand falsch einschätzte, dann besteht nicht allein die wirtschaftliche Gefahr einer ungünstigen Bezahlung, es kann sogar unter (extremen) Umständen zu einer berufsrechtlich relevanten Gebührenunterschreitung kommen.[26]
Hinweis
Eine Pauschalvereinbarung sollte daher regelmäßig nur respektive erst dann abgeschlossen werden, wenn der erforderliche Arbeitsaufwand hinreichend überblickt werden kann. Dabei hilft es, die Vergütung der einzelnen Verfahrensabschnitte nacheinander zu vereinbaren. Selten wird es nämlich möglich sein, bei Annahme eines Mandats im Ermittlungsverfahren die Anzahl der erforderlichen Hauptverhandlungstage vorherzusehen. Alternativ kann sich die Aufnahme nachfolgender Klausel anbieten: Für den Fall, dass die Tätigkeit des Anwalts deutlich mehr Aufwand erfordert als im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung abzusehen war, soll eine neue Vergütungsvereinbarung, angepasst an die Mandatsentwicklung, abgeschlossen werden.
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Weitere Differenzierungen können eine wirtschaftlich angemessene Vergütung sicherstellen, etwa wenn der erste Hauptverhandlungstag, bei dem es durch eine Absprache zu einem schnellen Verfahrensabschluss kommen könnte, höher bemessen wird als die weiteren Termine.
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Beachtet werden muss besonders bei der Pauschalvereinbarung, dass es nicht zu einer unangemessen hohen Vergütung i.S.d. § 3a Abs. 2 RVG kommt. Dieses Problem wurde nun durch das Bundesverfassungsgericht entschärft, darf gleichwohl nicht völlig aus dem Blick verloren werden. Insbesondere ist nicht jede Dokumentation der geleisteten Dienste respektive des zeitlichen Aufwandes überflüssig![27]
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In praktischer Hinsicht kann der Verteidiger einerseits zwar auf eine detaillierte Aufzeichnung der billables verzichten und dadurch Zeit sparen, andererseits muss er damit rechnen, vom Mandanten und seiner Verwandtschaft etwas häufiger in Anspruch genommen zu werden, als müsste jede Kontaktaufnahme eigens vergüten werden.
3. Art der Abrechnung
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Die Pauschalvereinbarung kann sinnvoll mit anderen Abrechnungsmodi kombiniert werden. Etwa durch Vereinbarung eines Zusatzhonorars zu den gesetzlichen Gebühren oder als Mindestvergütung im Falle eines Zeithonorars. Der Übergang zu Letzterem wird fließend bei der Vereinbarung von Pauschalzahlungen für bestimmte Zeitabschnitte, etwa monatliche feste Zahlungen bei länger andauernden Verfahren.
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Zu denken ist schließlich zwingend an die Aufnahme einer Sonderregelung für den Fall der vorzeitigen Mandatsbeendigung. Dadurch lässt sich die Gefahr einer unzulässigen Gebührenüberschreitung sowie die dann erforderliche Errechnung eines angemessenen Teils der Vergütung nach § 628 Abs. 1 BGB vermeiden.[28] Jedenfalls muss der Anwalt nach vorzeitiger Kündigung zur Geltendmachung seiner Teilvergütung seine bisher erbrachten Leistungen durch substantiierten Tatsachenvortrag nachvollziehbar darstellen. Eine Schätzung gem. § 287 ZPO kommt nicht in Betracht. Eine Teilvergütung nach § 628 Abs. 1 BGB kann nur zugesprochen werden, wenn der Anwalt genaue zeitliche Angaben zu der erbrachten Leistung im Verhältnis zur eingeplanten Leistungszeit macht sowie im Einzelnen darlegt, welchen Inhalt seine erbrachte geistige Leistung hatte.[29] Pauschale prozentuale Abschläge vom ursprünglichen Pauschalhonorar genügen auf keinen Fall. Vereinbart werden kann entweder eine Quotelung des Pauschalhonorars, eine konkrete Einarbeitungspauschale oder eine Regelung, die sich an den bislang entstandenden gesetzlichen Gebühren orientiert.
Anmerkungen
Vgl. Leipold Rn. 131 f.
Betreffend die Preisfindung vgl. Rn. 129.
Vgl. Rn. 43 ff. und 55 ff.
BGH Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 174/06 – IX ZR 174/06, NJW 2009, 3301 ff.; BGH Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 37/10, NJW 2011, 63 ff.
Vgl. Rn. 111 und Muster 8 (Rn. 92).
Zu bspw. den Niederlanden sowie zum legal fee management in den USA: Hommerich/Kilian/Jackmuth/Wolf AnwBl. 2006, 654, 655.
Hommerich/Kilian/Jackmuth/Wolf AnwBl. 2006, 569 ff.
OLG Düsseldorf AGS 2006, 530, 534; bestätigt durch OLG Düsseldorf Urt. v. 18.2.2010 – I – 24 U 183/05; Burhoff Anm. zu OLG Düsseldorf Urt. v. 7.6.2011 – 1- 24 U 183/05, StRR 2012, 156, 158; kritisch: Hommerich/Kilian S. 84, sie rechnen jedoch auch vor, zu welchen finanziellen Nachteilen für den Mandanten eine solche Taktung tatsächlich führen kann; a.A. OLG Schleswig Urt. v. 19.2.2009 – 11 U 151/07, AnwBl. 2009, 554 f.
BGH Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZR 144/06, AnwBl. 2009, 554.
OLG Karlsruhe Urt. v. 28.8.2014 – 2 U 2/14, AGS 2015, 9 = Beck-Bever BRAK-Mitt. 2015, 116, 119.
Burhoff-Burhoff RVG, Teil A, Vergütungsvereinbarung, Rn. 2229; OLG Düsseldorf AGS 2011, 366, 370.
S. www.anwaltverein.de, Unterpunkt: Praxis, Vergütungsrecht, Mustertexte (letzter Aufruf 26.10.2015); ebenfalls Kotz MAH, § 42 Rn. 326.
OLG Düsseldorf Urt. v. 18.2.2010, I – 24 U 183/05.
OLG Stuttgart Beschl. v. 6.10.2011 – 24 U 47/11.
BGH Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09; OLG Düsseldorf AGS 2006, 530; Hommerich/Kilian/Jackmuth/Wolf AnwBl. 2006, 654 f.