Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer


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      Die Unterstellungen nach Jugendstrafrecht verteilten sich am 31.12.2005 und am 31.12.2011 (letzte erreichbare Daten) auf:

Unterstellungen nach Jugendstrafrecht 31.12.2005 31.12.2011
1. Aussetzung der Jugendstrafe
a) nach § 21 24 119 19 698
b) nach § 30 263 424
c) im Wege der Gnade 56 45
2. Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe 3 989 6 326
3. Aussetzung des Strafrestes
a) nach § 88 6 231 6 297
b) im Wege der Gnade 29 29

      Früheres Bundesgebiet, einschließlich Gesamtberlin, ohne Hamburg; Bundesamt f. Statistik, Bewährungshilfe 2005 u. Stat. Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 5, 2011, S. 13.

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      2020 sind insgesamt (StGB + JGG) rund 2 600 Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer hauptamtlich tätig (zur Hälfte weiblich), und zwar überwiegend nicht auf Jugend spezialisiert (Ausnahmen in Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und in einzelnen Modellprojekten). Die Zahl der Unterstellungen je Bewährungshelfer/in betrug Anfang der 2010er Jahre im Bundesdurchschnitt 64, war aber regional höchst unterschiedlich. In Berlin (= 42), Bremen und Hamburg (je 51) war der Verteilerschlüssel eher günstig, in Rheinland-Pfalz (= 88), Bayern (= 86) und in Baden-Württemberg (= 80) dagegen recht ungünstig (BMI/BMJV (Hrsg.), Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, S. 600). 2008 hat sich die Situation eher noch verschlechtert: Einerseits Hamburg (55), Berlin (62) und Nordrhein-Westfalen (65) und andererseits Thüringen (über 100) und das Saarland (104), vgl. BT-Drucks. 16/13142 v. 26.5.2009, S. 73 f. Nach wie vor ist die Praxis von einer Senkung der Probandenzahl für die einzelnen Bewährungshelfer/innen auf höchstens 30 (Schlussbericht der Jugendstrafvollzugskommission, 1980, 20, 1. Periodischer Sicherheitsbericht, 2001, 400 und Regelung im österreichischen Bewährungshilfegesetz = max. 30) weit entfernt.

      Zu den aktuellen Entwicklungen in den Sozialen Diensten der Justiz vgl. Egg/Jehle/Marks 1996; Block 1997; Kurze 1996; Cornel/Kawamura-Reindl/Sonnen 2018 und das seit 2019 geltende Hamburgische Resozialisierungs und Opferhilfegesetz (HmG GVBl. 2018, 265).

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      Abweichend vom allgemeinen Strafrecht in § 56d Abs. 1 StGB ist die Bewährungshilfe nach Jugendstrafrecht obligatorisch. Der Richter muss einen Bewährungshelfer bestellen und den Jugendlichen oder Heranwachsenden der Aufsicht und Leitung unterstellen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Der Name des Bewährungshelfers wird gem. § 60 Abs. 2 in den Bewährungsplan eingetragen.

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      Die Bestellung von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Bewährungshelfern steht gem. § 24 Abs. 1 in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Wenn es aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint, kann der Jugendliche oder Heranwachsende einem ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterstellt werden, was beispielsweise angesichts der Arbeitsüberlastung Hauptamtlicher angezeigt sein kann. Weitere Ausnahmen können sich aus dem Anforderungsprofil an Bewährungshelfer/innen ergeben. Sie sollen „gut ausgebildete, erfahrene Sozialarbeiter von hoher Intelligenz, großem Idealismus, lebendiger Aktivität, echter Hilfsbereitschaft, besonderer Kontaktfähigkeit und zugleich bestimmtem wie vertrauenserweckendem Auftreten, von Festigkeit und Geduld“ sein (Brunner/Dölling §§ 24, 25 Rn. 11). Dieses Anforderungsprofil gilt für beide Gruppen von Bewährungshelfern. Hauptamtlichkeit ist also nicht mit Qualifikation und Professionalität gleichzusetzen ebenso wenig wie Ehrenamtlichkeit mit Nichtprofessionalität (Schüler-Springorum NK 1990, 29). Vertrauensvorsprung auf Grund von Behördenferne, größere Flexibilität und Offenheit für innovative Ansätze, stärkere Motivation im Einzelfall statt permanenter Überforderung auf Grund zu hoher Fallzahlen sind die Pluspunkte ehrenamtlicher Bewährungshilfe.

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      So wissen ehrenamtliche Bewährungshelfer z.B. für junge Ausländer oft mehr (auch auf Grund eigener Sprachkenntnisse) über soziokulturelle Hintergründe als hauptamtliche, engagierte Mitarbeiterinnen freier Träger im Kiez oft mehr als Bewährungshelfer in fernen öffentlichen Dienstzimmern. Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Grenzen ehrenamtlicher Hilfe (Anzahl und Gewinnung, Durchhaltevermögen, Belastbarkeit, Verbindlichkeit und Einbindung). Aktuelle Vorschläge weisen deswegen in Richtung auf Projektarbeit in der Bewährungshilfe, an der sowohl öffentliche und freie Träger als auch hauptamtliche und ehrenamtliche Bewährungshelfer beteiligt sind (vgl. Kawamura 2018; Maelicke/Ortner 1991; Müller 1990, S. 10; Wegener 1990, S. 33). Allgemein zum Verhältnis von Profis und Ehrenamtlichen = Schwarz 1990, S. 50 ff. und zum Verhältnis von öffentlichen zu freien Trägern = Rensmann 2007, S. 228 f.; Lange 1991, S. 158. Gefragt ist „Teamgeist mit Projektmentalität“ (Schüler-Springorum 1990, S. 30; vgl. auch die Experteninterviews bei „Auslauf- oder Zukunftsmodell? Wie viel und welche Bewährungs- und Straffälligenhilfe brauchen wir heute?“, NK 1997, Heft 3, S. 22 ff.).

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      Die Unterstellungszeit beträgt nach § 24 Abs. 1 höchstens zwei Jahre, sie kann gem. § 24 Abs. 2 über dieses Höchstmaß hinaus verlängert werden, die Bewährungszeit aber nicht überschreiten. Im Normalfall sind also Betreuungs- und Bewährungszeit nicht mehr identisch. Ziel des neuen § 24 Abs. 2 ist es, Mehrbelastungen der Bewährungshilfe durch die erweiterten Aussetzungsmöglichkeiten in § 21 Abs. 2 zumindest teilweise auszugleichen. Praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass die Betreuung in der Anfangsphase am nötigsten ist. Widerrufsentscheidungen ergehen fast immer innerhalb von zwei Jahren. Wenn der Gesetzgeber darüber hinaus


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