Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer
rel="nofollow" href="#ulink_a65864a1-a54e-5729-b79c-80dd3c2ca6aa">I.Anwendungsbereich1
III.Nachträgliche Veränderung4 – 6
Literatur:
AK Hochschullehrerinnen Kriminologie/Straffälligenhilfe in der Sozialen Arbeit – Ein Lehrbuch (Hrsg.), 2014; Böhm Rückfall und Bewährung nach verbüßter Jugendstrafe, RdJB 1973, 33–41; Hein Verlängerung der Bewährungszeit nach deren Ablauf?, NStZ 1983, 252–253; Ostendorf Die Bewährungszeit im Jugendstrafrecht und ihre Abänderung, StV 1987, 320–321.
I. Anwendungsbereich
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Zum Anwendungsbereich siehe § 21 Rn. 1.
II. Zeitraum
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Die Bewährungszeit beträgt mindestens zwei Jahre, höchstens drei Jahre und ist insoweit im Höchstmaß deutlich kürzer als im allgemeinen Strafrecht (fünf Jahre = § 56a StGB). Verkürzung und Verlängerung sind nach § 22 Abs. 2 möglich. Der nach richterlichem Ermessen festzulegende Zeitraum bestimmt sich nach dem Ziel der Strafaussetzung zur Bewährung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Unter diesem Aspekt ist es unzulässig, grundsätzlich von der Höchstdauer auszugehen, um sie später ggf. herabsetzen zu können. Stattdessen hat eine generelle Orientierung an der Mindestzeit zu erfolgen (so auch Eisenberg § 22 Rn. 3 und Ostendorf § 22 Rn. 2 = „die Bewährungszeit ist ein Übel, eine lange Bewährungszeit ist ein großes Übel, die Verlängerung der Bewährung ein weiteres Übel“). Bewährungshilfe bedeutet immer soziale Kontrolle, so dass ein längerer Bewährungszeitraum belastet. Praxiserfahrungen (Böhm 1973, S. 37) und Erkenntnisse der kriminologischen Sanktionsforschung belegen, dass eine zweijährige Legalbewährung hinreichend aussagekräftig ist. 2011 wurden 11.975 Unterstellungen unter Bewährungsaufsicht nach Jugendstrafrecht beendet, u.z. 9201 = 76,8 % erfolgreich, 5.018 mit Erlass der Jugendstrafe, die Unterstellten waren zur Beendigung ihrer Bewährungsaufsicht in 3.549 Fällen Jugendliche, in 8.613 Heranwachsende und in 10.615 Fällen junge Erwachsene von 21 bis 25 Jahren (Stat. Bundesamt Fachserie 10, Reihe 5, 2011, S. 17, 19f.). Die Bewährungszeit dauerte 1991 in 1726 Fällen = 1-2 Jahre, in 1936 Fällen = 2-3 Jahre und in 947 Fällen = über 3 Jahre (Stat. Bundesamt Bewährungshilfe 1991, 1994, S. 42). Mittelbar lässt sich diesen Zahlen entnehmen, dass sich die Praxis noch stärker in Richtung auf die Mindestdauer entwickeln könnte und sollte.
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Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Das Ende der Bewährungszeit kann durch ein Datum festgelegt werden (Brunner/Dölling § 22 Rn. 2 und Eisenberg § 22 Rn. 4), was aber wenig Sinn macht, wenn die Entscheidung nicht sofort rechtskräftig wird. Ostendorf StV 1987, 321 schlägt deswegen vor, die Bewährungszeit durch Jahre und Monate festzusetzen. Für die Berechnung ist § 188 BGB maßgebend.
III. Nachträgliche Veränderung
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Im Fall des § 21 Abs. 1 kann die Bewährungszeit nachträglich bis auf ein Jahr und im Fall des § 21 Abs. 2 bis auf zwei Jahre verkürzt werden. Die Verkürzung erfolgt aus spezialpräventiven Gesichtspunkten. Sie versteht sich erziehungspsychologisch als positive Verstärkung i.S.v. Belohnung (Eisenberg § 22 Rn. 8).
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Die Verlängerung auf bis zu vier Jahre liegt im richterlichen Ermessen. Wegen des belastenden Charakters für die Betroffenen darf sie nur erfolgen, wenn zu den Erkenntnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung inzwischen neue Umstände hinzugekommen sind. Sie müssen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsaspektes gravierend sein (vgl. auch Hein NStZ 1983, 253). Eine Verlängerung der Bewährungszeit ohne solche Gründe ist rechtsfehlerhaft und auf Rechtsmittel hin aufzuheben (§§ 58 Abs. 1 S. 4, 59 Abs. 2, 5). Bloße Unsicherheiten reichen für eine Verlängerung nicht aus. Allein, um die weiteren Ratenzahlungen für eine auferlegte Schadenswiedergutmachung kontrollieren zu können, darf also die Bewährungszeit nicht verlängert werden (a.A. OLG Hamburg MDR 1980, 246 und Brunner/Dölling § 22 Rn. 4; wie hier Ostendorf § 22 Rn. 5, der zudem auf den fehlenden Tatbezug hinweist). Anders kann sich die Situation bei einem Freiheitsentzug während der Bewährungszeit darstellen. Grundsätzlich ist auch in diesem Fall die Bewährungszeit nicht zu verlängern. Wenn allerdings der Vollzug der freiheitsentziehenden Sanktion den überwiegenden Zeitraum ausfüllt, soll ausnahmsweise eine Verlängerung möglich sein (OLG Braunschweig NJW 1964, 1581 m. abl. Anm. Dreher). Eine solche Ausnahme bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage (Ostendorf StV 1987, 321 und Eisenberg § 22 Rn. 10).
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Eine Veränderung der Bewährungszeit kann nur vor ihrem Ablauf erfolgen. Zur Frage, ob eine Ausnahme zulässig ist, um einen sonst gebotenen Widerruf zu vermeiden, KG Beschl. v. 13.8.2015 – 4 Ws 52/15 –; siehe die Erläuterungen zu § 26 Abs. 2 (dafür Eisenberg § 22 Rn. 9 und Ostendorf § 22 Rn. 4; jetzt auch Brunner/Dölling § 22 Rn. 4).
IV. Prozessuale Fragen
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Die Entscheidung über die Veränderung der Bewährungszeit ergeht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, des Jugendlichen und des Bewährungshelfers durch Beschluss, der zu begründen ist (§ 58 Abs. 1). Den Beschluss erlässt der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Nach § 58 Abs. 3 ist die Übertragung der Entscheidung auf einen anderen Jugendrichter möglich. Gegen die Entscheidung über die Dauer der Bewährungszeit ist Beschwerde nach § 59 Abs. 2, Abs. 5 zulässig.
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Während der tatsächlichen Dauer der Bewährungszeit ruht die Vollstreckungsverjährung (§§ 79a Nr. 2 StGB und 2 JGG).
§ 23 Weisungen und Auflagen
(1) 1Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. 2Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. 3Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. 4Die §§ 10, 11 Abs. 3