Handbuch IT-Outsourcing. Joachim Schrey
hinzu, die zu berücksichtigen sind:[368]
– | Aus wirtschaftlichen Gründen teilen sich in einer Cloud mehrere Nutzer eine gemeinsame Infrastruktur. |
– | Cloud-Services sind dynamisch und dadurch innerhalb viel kürzerer Zeiträume nach oben und unten skalierbar. So können Cloud-basierte Angebote rascher an dem tatsächlichen Bedarf des Kunden angepasst werden. |
– | Die Steuerung der in Anspruch genommenen Cloud-Dienste erfolgt in der Regel mittels einer Webschnittstelle durch den Cloud-Nutzer selbst. So kann der Nutzer automatisiert die genutzten Dienste auf seine Bedürfnisse zuschneiden. |
– | Durch die beim Cloud Computing genutzten Techniken ist es möglich, die IT-Leistung dynamisch über mehrere Standorte zu verteilen, die geographisch weit verstreut sein können (Inland ebenso wie Ausland). |
– | Der Kunde kann die genutzten Dienste und seine Ressourcen einfach über Web-Oberflächen oder passende Schnittstellen administrieren, wobei wenig Interaktion mit dem Provider erforderlich ist. |
399
Der Unterschied zum klassischen Outsourcing liegt insbesondere in der fehlenden festen Zuordnung von physikalischen Ressourcen.[369] Für IT-Outsourcing ist kennzeichnend, einen dezidierten Host zu mieten,[370] was aber beim Cloud Computing nicht der Fall ist, sondern die Daten können verteilt auf der Welt auf verschiedenen Systemen liegen (in der Cloud).
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Eine wichtige technische Notwendigkeit innerhalb der Cloud ist die Virtualisierung von IT-Systemen. Bei der Virtualisierung werden unterschiedliche Server oder IT-Komponenten zu einer (virtuellen) nicht physikalischen Einheit verbunden. Dank der Nutzung von Hochverfügbarkeitsnetzen können die entsprechenden Server oder IT-Komponenten (fast) überall auf der Welt miteinander verbunden werden. So ist es möglich, Ressourcen von Computern (insbesondere im Server-Bereich) transparent zusammenzufassen oder aufzuteilen oder ein Betriebssystem innerhalb eines anderen auszuführen.
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Die häufigste Form der Virtualisierung ist die Zusammenfassung von einzelnen Servern oder Serverfarmen zu einem IT-System/IT-Ressource (Servervirtualisierung). Bei der Servervirtualisierung werden mittels Software- oder Hardwaretechniken mehrere Instanzen eines Betriebssystems betrieben. Alternativ oder zusätzlich lassen sich sogar unterschiedliche Betriebssysteme auf einem Rechner betreiben. Die einzelne Instanz fungiert dabei letztlich wie ein eigenständiger Rechner, also so, als ob direkt auf der Hardware oder dem Betriebssystem aufgesetzt würde. Tatsächlich wird aber eine Zwischenschicht geschaffen. Dabei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz:[371]
– | Es können Systeme (zumeist bei Mainframes) auf der Ebene der Hardware ressourcenmäßig aufgeteilt werden, um so die Hardware für mehrere Betriebssysteme oder Betriebssysteminstanzen zu virtualisieren. Die Ressourcen werden den Betriebssystemen dann durch eine entsprechende hardwarenahe Software zugeteilt. Den Betriebssystemen jeder Instanz werden die Komponenten als eigenständige Hardware vorgespiegelt. |
– | Ein anderes Modell ist es, auf der Softwareebene zu virtualisieren (z.B. VMware Workingstation). Das Betriebssystem wird auf eine durch Software simulierte virtuelle Maschine portiert und dort ausgeführt. Die in dieser virtuellen Umgebung gestarteten Betriebssysteme greifen zwar auf gemeinsame Hardwareressourcen zu. Ihnen wird aber ebenfalls ein kompletter, eigenständiger Rechner vorgespiegelt. So wird eine Abstraktion von der Hardwareschicht erreicht. |
– | Schließlich kann oberhalb des Betriebssystems durch sog. OS-Container, die dann auf eine gemeinsame Betriebssystemschicht zurückgreifen, für eine Virtualisierung des Betriebssystems gesorgt werden (z.B. Sun Solaris Container). Den jeweiligen Applikationen eines Containers wird also ein Betriebssystem vorgespiegelt. Dabei wird nur ein Betriebssystem gestartet. Die parallele Nutzung unterschiedlicher Betriebssysteme ist allein auf Basis dieser Technik nicht möglich. Nachteil dieser Form der Virtualisierung ist weiter, dass für alle Container mit den gleichen Treibern und Ständen des Betriebssystems gearbeitet werden muss, was zu Inkompatibilitäten mit Anwendungen führen kann. Denn möglicherweise verlangen unterschiedliche Applikationen nach einem unterschiedlichen Stand des Betriebssystems bzw. unterschiedlichen Treibern. |
402
Cloud Computing Systeme sind vor allem für Big Data[372] Lösungen interessant, da durch die Virtualisierung scheinbar unbegrenzte IT-Systeme (Server und Platten) genutzt werden können. Bei Big Data handelt es sich um Datenmengen, die mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr effizient zu verwalten sind. Dazu gehören nicht aggregierte, in Echtzeit ermittelte Daten, die beispielsweise aus Transaktionssystemen, wissenschaftlichen Versuchen, Simulationen oder Sensoren stammen.[373]
403
Die (auch rechtliche) Sichtweise auf Cloud Computing kann grundsätzlich in zwei Bereiche aufteilt werden. Der erste Bereich beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen dem Anbieter von Cloud-Leistungen und der zweite Bereich beschäftigt sich mit dem Bereich innerhalb der Cloud (Virtualisierung), also der Vernetzung einzelner Cloud-Anbieter.[374]
b) Verhältnis Kunde/Cloud-Anbieter
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Das Verhältnis zwischen einem Cloud-Kunden und einem Cloud-Anbieter klingt sehr nach bereits bestehenden Businessmodellen wie beim Application Service Providing (Kurzform: ASP) oder Software as a Service (SaaS), bei dem ein Kunde nicht mehr seine Software-Applikationen kauft, sondern nur noch die temporäre Nutzung der Applikationen bezahlt und somit eine Miete i.S.v. §§ 535 ff. BGB darstellt.[375] Aber Cloud Computing geht viel weiter. Im Verhältnis zum Kunden werden vom Cloud-Anbieter nicht nur die Nutzung von Lizenzen zur Verfügung gestellt, sondern auch Filespace und Datenbanken. Teilweise werden dieses Services auch gekoppelt und als ein einziges Produkt den Kunden angeboten, so dass dieser gar nicht eine strenge Abgrenzung zwischen der Nutzung von Applikationen, Filespace oder Datenbank im Ergebnis spürt.[376] Daher gehen Cloud-Services weit über die Leistungen hinaus, die ein ASP-Anbieter zur Verfügung stellt. Dies bezieht sich nicht nur auf das Verhältnis zwischen dem Cloud-Kunden und dem Cloud-Anbieter, sondern auch auf den Bereich zwischen den unterschiedlichen Cloud-Anbietern, der sog. Virtualisierung.[377]
Abb. 26:
Cloud-Services
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Die Cloud Services wie Applikationen, Filespace und Datenbanken kommen von leistungsfähigen, sicheren und hoch verfügbaren Rechenzentren.[378] Im Gegensatz zum „normalen“ Lizenzgeschäft werden keine Lizenzen für Datenbanken und Applikationen verkauft, sondern es wird wie beim ASP nur eine temporäre Nutzung bezahlt (sog. Business- bzw. IT-Services-on-demand-Modelle). Die Anwendungen werden auf einem zentralen Server über das LAN oder WAN zur Verfügung gestellt und von den Unternehmen oder auch von Endanwendern über das Internet oder Virtual Private Networks (VPN) abgerufen. Beim Applikationen- (z.B. SAP) und Datenbank- Hosting (z.B. Oracle) werden die Applikationen/Datenbanken im Rechenzentrum des Cloud-Anbieters gehostet bzw. betrieben (Operating), dies wird häufig auch als RZ-Outsourcing bezeichnet. Neben dem reinen Hosting von Applikationen und Datenbanken werden vom Cloud-Anbieter i.d.R. Services wie Incident-, Problem-, Capacity-, Security-Management erbracht. Darüber hinaus werden vom Cloud-Anbieter sog. Application-Management-Services (AMS) angeboten,