Unternehmensnachfolge. Manzur Esskandari
eine Anfechtung oder auch Anpassung, etwa wegen Irrtums oder wegen einer Änderung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, ist daher ausgeschlossen.
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Eine Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage könnte der Verzichtende nur noch dann verlangen, wenn mit dem Pflichtteilsverzicht nicht der verfolgte Zweck erreicht wird, z.B. weil ein Kind einen Pflichtteilsverzicht erklärt, damit sein Geschwisterteil das Unternehmen fortführen kann, dieses aber kurz nach dem Erbfall veräußert wird.[362]
bb) Lebzeitige Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten
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Der Erblasser kann den Pflichtteilsanspruch auch durch lebzeitige Zuwendungen (z.B. von neben dem Unternehmen bestehenden Privatvermögen) an den Pflichtteilsberechtigten unter Anordnung der Anrechnung (§ 2315 BGB) verringern. Die Anrechnungsbestimmung muss vor bzw. spätestens bei der Zuwendung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erklärt werden.[363] Die noch im Regierungsentwurf zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts ursprünglich vorgesehene Möglichkeit der nachträglichen Anrechnungsbestimmung durch Verfügung von Todes ist nicht Gesetz geworden.[364]
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Praxishinweis:
Die nachträglich Anrechnungsbestimmung ist nicht möglich. Zweifelhaft ist auch, inwieweit der Erblasser sich die nachträgliche Anrechnung im Zeitpunkt der Zuwendung vorbehalten kann. Als Ausweichlösung bietet sich insofern an, die Anrechnung immer zunächst anzuordnen, um sie später durch Vermächtnis zugunsten des Zuwendungsempfängers wieder aufzuheben.[365]
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Auch eine ausgleichungspflichtige Zuwendung nach §§ 2050 ff. BGB führt über § 2316 BGB zu einer Pflichtteilsreduzierung des Zuwendungsempfängers. Im Ergebnis werden allerdings die pflichtteilsreduzierenden Wirkungen einer Anrechnung stets höher sein als bei einer bestehenden Ausgleichungspflicht.[366] Möchte der Erblasser bei einer lebzeitigen Zuwendung den Pflichtteil des Beschenkten weitestgehend reduzieren, wird er demnach die Pflichtteilsanrechnung der Ausgleichung vorziehen.
cc) Lebzeitige Verringerung des Nachlasses
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Den maßgeblichen Nachlasswert, § 2311 BGB, bereits zu Lebzeiten zu reduzieren, ist ein zentrales Gestaltungsmittel zur Minimierung von Pflichtteilsansprüchen. Sofern die lebzeitige Vermögensübertragung eine Schenkung i.S.d. § 2325 BGB darstellt, können dem nicht bedachten Pflichtteilsberechtigten jedoch Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen.[367] Sind seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes zehn Jahre vergangen, entfallen etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche, § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB. Diese starre Zehn-Jahres-Frist wurde durch die Erbrechtsreform insoweit gelockert, als der ergänzungspflichtige Wert der Schenkung mit jedem seit der Schenkung verstrichenen Jahr um 1/10 reduziert wird, § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB (sog. Abschmelzungsmodell).[368] Nach Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB gilt dies auch für Schenkungen, die vor dem Inkrafttreten der Erbrechtsreform zum 1.1.2010 vollzogen wurden, solange nur der Erbfall nach dem 1.1.2010 eingetreten ist. Die Ausschlussfrist beginnt mit der „Leistung“ des Zuwendungsgegenstandes (bei Ehegatten sogar erst mit Auflösung der Ehe, § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB). Dies erfordert nach BGH eine „wirtschaftliche Ausgliederung“ des Schenkungsgegenstandes.[369] Eine wirtschaftliche Ausgliederung wird verneint bei Vorbehalt des Nießbrauchs (anders bei einem Quoten- bzw. Bruchteilsnießbrauch),[370] ist umstritten bei Vorbehalt eines dinglichen Wohnungsrechts[371] und wird seit neuestem auch bei Vorbehalt von Rückforderungsrechten angezweifelt.[372]
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Pflichtteilsergänzungsansprüche scheiden von vornherein aus, sofern und soweit keine Schenkung i.S.d. § 2325 Abs. 1 BGB vorliegt. Dies gilt für die Ausstattung nach § 1624 BGB, die allerdings über §§ 2316 i.V.m. 2050 Abs. 1 BGB zu einer pflichtteilsrelevanten Ausgleichung unter Abkömmlingen führt (auch nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB). Im Übrigen kann generell durch die Vereinbarung von Gegenleistungen das Entstehen einer Schenkung i.S.d. § 2325 BGB verhindert werden. Bei einer Abfindung für einen Erbverzicht hat der BGH entschieden, dass den anderen Abkömmlingen insoweit kein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht, als „sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird, der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden hält“.[373] Die anderen Abkömmlinge seien über die Erhöhung ihrer Pflichtteilsquote nach § 2310 S. 2 BGB ausreichend kompensiert. Die zusätzliche Gewährung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs würde sie doppelt begünstigen. Diese Argumentation muss konsequenterweise dazu führen, dass die Abfindung für einen Pflichtteilsverzicht als ausgleichungspflichtige Schenkung betrachtet wird, da der Pflichtteilsverzicht zu keiner Erhöhung der Pflichtteilsquote der anderen Abkömmlinge führt.[374]
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Steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Ergänzungsanspruch zu, kann sich schließlich eine Reduzierung des Anspruchs nach dem Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB ergeben. Danach wird nicht generell auf den Wert des Zuwendungsgegenstandes im Zeitpunkt des Erbfalls abgestellt. Sofern der Wert des Geschenkes (inflationsbereinigt) im Zeitpunkt der Zuwendung geringer war als im Zeitpunkt des Erbfalls, wird der Wert vorbehaltener Nutzungen (z.B. Nießbrauch) abgezogen.[375]
dd) Verlagerung von Vermögen ins Ausland
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Hinzuweisen ist auch auf die Möglichkeit, Vermögen ins Ausland zu verlagern. Kommt es nach IPR zu einer Nachlassspaltung bei Immobilien und kennt das ausländische Recht kein Pflichtteilsrecht, werden die entsprechenden Vermögenswerte nicht zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs herangezogen.[376] Unter Umständen kann ein solches Vorgehen jedoch einen Verstoß gegen den deutschen ordre public darstellen.
ee) Güterrechtliche Vereinbarungen
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Im gesetzlichen Güterstand beträgt der gesetzliche Ehegattenerbteil ½ neben Abkömmlingen. Leben die Ehegatten in Gütertrennung beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten nach § 1931 Abs. 4 BGB bei einem Abkömmling ½, bei zwei Abkömmlingen 1/3 und bei drei und mehr Abkömmlingen 1/4, § 1931 Abs. 1 BGB. Sofern der Erblasser also die Pflichtteilsansprüche von Abkömmlingen reduzieren möchte, ist der gesetzliche Güterstand ab zwei Abkömmlingen gegenüber einer Gütertrennung vorzugswürdig.
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Praxishinweis:
Wünschen die Beteiligten, dass im Scheidungsfall – entsprechend der Gütertrennung – kein Zugewinnausgleich vorgenommen wird, können die Ehegatten die Zugewinngemeinschaft dahingehend modifizieren, dass ein Zugewinn nur im Todesfall, nicht aber im Scheidungsfall gezahlt werden muss.[377] Dies führt neben erbschaftsteuerlichen Vorteilen, § 5 ErbStG, dazu, dass der Erbanteil des Ehegatten neben Abkömmlingen unverändert bei ½ bleibt.
Wechseln Ehegatten in den Güterstand der Gütertrennung, stellt die Erfüllung der dadurch entstehenden Zugewinnausgleichsforderung keine Schenkung i.S.d. § 2325 BGB dar.[378] Mangels Unentgeltlichkeit fällt auch keine Schenkungsteuer an, § 5 Abs. 2 ErbStG. Um die vorgenannten pflichtteils- und schenkungsteuerlichen Vorteile des gesetzlichen Güterstandes wieder zu erlangen, können die Ehegatten wieder in diesen zurückkehren (Güterstandsschaukel).[379] Ob die Güterstandsschaukel allerdings zu einer Reduzierung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen führt, ist noch nicht abschließend geklärt. Bezwecken die Ehegatten mit der Güterstandsschaukel ausschließlich die Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen, behandelt der BGH die Vermögensübertragung in Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung als ergänzungspflichtige Schenkung.[380] Indizien hierfür sind die kurze zeitliche Abfolge von zwei Güterstandswechseln