Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren. Steffen Stern
teilweise grundverschiedenen Ergebnissen führt der Meinungsstreit hingegen bei den übrigen Beteiligungsformen. Hauptfrage: Ist (etwa mit Blick auf § 28 StGB) der Mordtatbestand auch für den Gehilfen oder Anstifter zugrunde zu legen, der selbst kein Mordmerkmal erfüllt, und was gilt im umgekehrten Fall, wenn sich Mordmerkmale möglicherweise nur beim Gehilfen oder Anstifter vorfinden?
258
Bei den persönlichen Merkmalen im Sinne von § 28 StGB ist stets zwischen tat- und täterbezogenen Merkmalen zu unterscheiden; nur den täterbezogenen Merkmalen kommen die in § 28 StGB genannten Rechtswirkungen zu[11]. Folglich ist auch bei der (disgruenten) Beteiligung an einem Kapitaldelikt zunächst zwischen tatbezogenen oder personenbezogenen Mordmerkmalen zu differenzieren. Jedoch herrscht schon bei der Einordnung nicht immer Einigkeit.
259
Tatbezogen sind nach wohl h.M. die Mordmerkmale „heimtückisch“, „mit gemeingefährlichen Mitteln“, „grausam“. Als täterbezogene (personenbezogene) Mordmerkmale gelten nach wohl überwiegender Ansicht „aus Mordlust“, „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“, um „eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“, „aus Habgier“ oder „sonst aus niedrigen Beweggründen“[12].
260
Wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen z.B. können Gehilfen also nur dann verurteilt werden, wenn der Täter aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe des Täters erbracht haben[13].
261
Anstiftung zum Heimtücke-Mord setzt voraus, dass der Anstifter die Möglichkeit einer heimtückischen Begehungsweise, wenn auch nicht unbedingt gewollt, so doch zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hat[14].
262
Mordmerkmal | täter-/personenbezogen | tatbezogen | |
---|---|---|---|
Begehungsweise | Heimtücke | hM; BGH Urt. v. 24.11.2005 – 4 StR 243/05, NStZ 2006, 288 | |
Grausamkeit | hM; BGHSt 23, 123; 24, 106, | ||
Gemeingefährliche Mittel | hM; BGH Urt. 13.05.1971– 3 StR 337/68, juris | ||
besonderes Tatmotiv | Niedriger Beweggrund | hM; BGH Urt. v. 10.06.09 – 4 StR 645/08, NStZ 2009, 627* | |
Habgier | hM; BGH Urt. v. 16.07.2003 – 2 StR 68/03, StV 2004, 355 | ||
Mordlust | hM | ||
Motiv der Triebbefriedigung | hM | ||
Absicht des Täters | Verdeckung und Straftatermöglichung | hM; BGH NStZ-RR 2002, 139; BGHSt 23, 36 |
* | Ausnahmefälle BGH Urt. v. 19.10.2001 – 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128 [131] mwN. = NStZ 2002, 84 |
263
Täter | Teilnehmer | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
verwirklicht | Wissensstand des Teilnehmers | Teilnehmer erfüllt kein eigenes Mordmerkmal | Teilnehmer erfüllt aber eigenes Mordmerkmal | ||||
↓ | tatbezogenes Mordmerkmal | personenbezogenes Mordmerkmal | |||||
§ 211 StGB | Lit. | Rspr. | Lit. | Rspr. | Lit. | Rspr. | |
durch tatbezogenes Mordmerkmal z.B. (Heimtücke) | hat keine Kenntnis vom Mordmerkmal beim Täter | allg. Ansicht §§ 212, 26/27über§ 16 I | allg. Ansicht §§ 212, 26/27 | §§ 211, 26/27 über § 28 II | §§ 212, 26/27 ggf. § 212 II | ||
kennt Mordmerkmal beim Täter | allg. Ansicht §§ 211, 26/27 | ||||||
durch personenbezogenes Mordmerkmal z.B. (Mordlust) | weiß nichts vom Mordmerkmal beim Täter | allg. Ansicht §§ 212, 26/27 | §§ 212,26/27 über§ 28 II | §§ 212, 26/27 | §§ 211, 26/27 über § 28 II | §§ 212, 26/27 | |
über § 28 II | über § 16 I | ||||||
kennt Mordmerkmal beim Täter | §§ 212, 26/27 | §§ 211, 26/27 | §§ 211, 26/27 jedoch Milderung gem. § 28 I | §§ 211, 26/27 aber keine Milderung gem. § 28 I bei sich überkreuzenden* Merkmalen | |||
über § 28 II | jedoch Milderung gem. § 28 I | ||||||
|