Absprachen im Strafprozess. Dirk Sauer

Absprachen im Strafprozess - Dirk Sauer


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      Zutreffend Braun AnwBl. 2000, 222. Auf den Täter-Opfer-Ausgleich und §§ 155a, 155b wird in Teil 4 (Rn. 456 ff.) nochmals zurückzukommen sein.

       [26]

      Gieg in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl. 2007, 24. Kapitel Rn. 166 spricht davon, der Gesetzgeber habe hier „eine weitere gewaltige Schleuse hin zu Verankerung des Konsensualgedankens im Strafrecht“ geöffnet.

       [27]

      Es spricht manches dafür, die heutige, deutlich weniger auf Vergeltung denn auf Funktionalität bezogene Sicht des Strafrechts in den größeren Zusammenhang einer seit einiger Zeit stattfindenden Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger zu stellen. Stichworte sind dann etwa: Abwendung vom autoritären Staat, Hinwendung zum Staat als Problemlöser und Dienstleister oder Zurückdrängen hierarchischer Entscheidungsstrukturen zugunsten kooperativer Modelle unter Beteiligung aller Betroffenen; vgl. z. B. Herrmann JuS 1999, 1162 ff., 1166 f.; LR-Rieß Einl. Abschn. G Rn. 58 ff. Ein näheres Eingehen hierauf würde indes den Rahmen dieser Darstellung sprengen.

       [28]

      Schmidt Lehrkommentar I, Rn. 325 ff., 327.

       [29]

      Zutreffend zum Zusammenhang zwischen Absprachenpraxis und Inflation der Straftatbestände im Wirtschaftsstrafrecht Wehnert StV 2002, 219 ff., 220. Zu den notorischen Kriminalisierungstendenzen in der neueren Gesetzgebung kritisch und treffend auch Kempf NJW 1997, 1729 ff.

       [30]

      Wer Nachweise für die im Text aufgestellten Behauptungen vermisst, möge beispielsweise nach einer Konkretisierung des „eigenständigen Unrechtsgehalts“ (BGH NJW 1997, 3322) des § 261 StGB Ausschau halten, eine Juris-Recherche nach Gerichtsentscheidungen zu § 201a StGB durchführen, sich die Frage stellen, was unter „Verwenden“ i. S. d. § 38 Abs. 1 WpHG zu verstehen ist oder nachzuzeichnen versuchen, wie es kommt, dass die ursprünglich gefeierte Hereinnahme des Umweltstrafrechts in das StGB in der Praxis in nachgerade verblüffender Weise verpufft ist (vgl. dazu treffend Fischer StGB, Vor § 324 Rn. 5).

       [31]

      Ein typisches Beispiel stellt der Tatbestand der Untreue dar. So hat der BGH vor einigen Jahren mir nichts, dir nichts aus § 12 Abs. 1 SGB V abgeleitet, Kassenärzte befänden sich im Verhältnis zum Vermögen der Kassen in einer im Interesse der Kassen bestehenden, nach Maßgabe des Innenverhältnisses wesentlichen, fremdnützigen Pflichtenstellung, seien also taugliche Täter der Untreue, § 266 StGB (BGHSt 49, 17; NStZ 2004, 568 = wistra 2004, 422). Ein weiteres Beispiel stellt die Rechtsprechung zur so genannten Bankenuntreue dar, bei der in höchst unklarer und unscharfer Weise die Grenze zwischen unternehmerischer Fehlentscheidung und Straftat verwischt wird; kritisch hierzu Keller/Sauer wistra 2002, 365.

       [32]

      Der BGH schreckt dabei auch nicht davor zurück, zur Begründung einer empfundenen Strafbedürftigkeit zugleich tangierte Primärrechtsordnungen „fortzuentwickeln“. Dies war etwa am Beispiel des Umsatzsteuerstrafrechts in den letzten Jahren gut zu sehen, wo der BGH sub specie § 370 AO auf dem Gebiet der (Versagung der) Umsatzsteuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen gleichsam steuerrechtliche „Pionierarbeit“ leistete (vgl. BGH Beschl. v. 20.11.2008 – 1 StR 354/08 = BGHSt 53, 45 und Beschl. v. 19.2.2009 – 1 StR 633/08) und sich erst nach Widerspruch durch die Finanzgerichte (vgl. FG Baden-Württemberg Beschl. v. 11.3.2009 – 1 V 4305/08) zu einer Vorlage der relevanten Fragen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH (Rs. R, Az.: C-285/09 = Slg. 2010, I-12605) genötigt sah (vgl. BGH Beschl. v. 7.7.2009 – 1 StR 41/09).

       [33]

      Ausnahmen gibt es immer.

       [34]

      Zutreffend Wehnert StV 2002, 219.

       [35]

      Insoweit zutreffend Weigend NStZ 1999, 57 ff., 58. Richtig ist auch, dass § 153a nicht am „zwangfreien Zustandekommen des Schuldspruchs“ und auch nicht an Instruktionsmaxime und Unschuldsvermutung rührt. Dass Weigend in diesem Zusammenhang das Strafbefehlsverfahren, das insoweit deutlich problematischer ist, nicht erwähnt und nicht darlegt, warum dieses aus Sicht der absprachenkritischen Literatur anscheinend weit erträglicher ist als die Praxis der Urteilsabsprachen, ist indes nicht recht verständlich.

       [36]

      BVerfG Urt. v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10 = NJW 2013, 1058 ff.

       [37]

      Der Große Senat für Strafsachen setzte sich in der Entscheidung BGHSt 50, 40 zwar ausführlich auch mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinander. Dabei scheinen auch Zweifel durch (kritisch dazu zu Recht Meyer-Goßner NStZ 2007, 425 ff., 427). Indes wird man dem Gericht kaum unterstellen können, dass es seine eigene Rechtsprechung (oder gar die inzwischen erfolgte Umsetzung durch den Gesetzgeber) für verfassungswidrig hält. Ohne weiteres konsistent sind die diesbezüglichen Passagen, wenn man den Hinweis in der Entscheidung ernst nimmt, die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung seien mit dieser Rechtsprechung erreicht (also nicht überschritten). Dass der BGH sich der damals beinahe allgemeinen Meinung anschloss, gesetzliche Regelungen seien aus verfassungsrechtlichen Gründen zwar nicht erforderlich, aber doch wünschenswert, war legitim, stellte aber für sich genommen eine rechtspolitische und keine rechtsdogmatische Aussage dar.

       [38]

      Also beispielsweise das Strafbefehlsverfahren, die Einstellung nach §§ 153, 153a sowie die Diversion im Jugendstrafverfahren.

       [39]

      Der Titel eines Beitrags von Schünemann aus dem Jahre 2004 (StraFo 2004, 293), in dem es u. a. auch um die Urteilsabsprache geht, lautet: „Ein Linsengericht zum Tausch für den Strafprozess von 1877?“.

       [40]

      Hieran haben auch die neu eingeführten §§ 160b, 202a, 212 und 257b nichts geändert; vgl. in Teil 2 Rn. 90 ff.

       [41]

      Harms FS Nehm S. 288 ff., 289.

       [42]

      Dass die Verteidiger von allen Beteiligten in der schwierigsten Lage sind, wird nicht immer erkannt; erfreulich deswegen der Hinweis von Fischer NStZ 2007, 433 in diesem Kontext auf die Notwendigkeit der Wahrung der Mandanteninteressen.

       [43]


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