Absprachen im Strafprozess. Dirk Sauer
des BGH gefunden. In dessen Grundsatzentscheidung, die zentral die Problematik des abgesprochenen Rechtsmittelverzichts zum Gegenstand hatte,[36] hieß es hierzu, ein Schuldspruch könne normalerweise nicht Gegenstand einer verfahrensbeendenden Absprache sein, anders sei dies aber in den Fällen der §§ 154, 154a. Der Große Senat gab sodann den Strafverfolgungsbehörden den Ratschlag, von diesen Bestimmungen nicht zu zurückhaltend Gebrauch zu machen. Diese Sorge war unbegründet. Die genannten Vorschriften fanden rege Anwendung und werden auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren in Verständigungen vielfach einbezogen,[37] insbesondere auch dann, wenn im Übrigen Strafbefehlsantrag ergeht oder nach § 153a verfahren wird.
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Für den speziellen Fall der Zusage eines Vorgehens nach § 154 Abs. 2 im Rahmen einer Urteilsabsprache durch die Staatsanwaltschaft nahm der 3. Strafsenat des BGH im Jahr 2008 eine Bindungswirkung an,[38] die sich nunmehr in § 257c Abs. 4 findet. Konkret sprach der Senat aus, ein Verfahrenshindernis für die entsprechende Tat komme zwar nur ausnahmsweise (und in dem hier entschiedenen Fall nicht) in Betracht. Das Gericht sei aber gehalten, die Zusage der Staatsanwaltschaft „im Rahmen der Gestaltungsspielräume“ so weit zu berücksichtigen wie möglich. Das läuft am Ende (erneut) auf eine Art Strafzumessungslösung hinaus. Hieran hat sich (was rechtspolitisch fragwürdig ist) auch nach Einführung des § 257c nichts geändert.
Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache › B › IV. Exkurs: Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen nach den Bestimmungen des StrEG bei Einstellung des Verfahrens nach § 153 ff
IV. Exkurs: Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen nach den Bestimmungen des StrEG bei Einstellung des Verfahrens nach § 153 ff
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Im Zusammenhang mit den §§ 153, 153a, 154, 154a sei eigens auf das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) hingewiesen.
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Hiernach ist auch dann, wenn ein Strafverfahren eingestellt wird, für bestimmte Strafverfolgungsmaßnahmen grundsätzlich Entschädigung zu leisten, § 2 StrEG. Welche Eingriffe neben der Anordnung von Untersuchungshaft gemeint sind, ist § 2 Abs. 2 StrEG zu entnehmen, der neben anderem die praktisch sehr bedeutsamen Maßnahmen der Sicherstellung, der Beschlagnahme, des Arrestes nach den §§ 111d und 111o sowie der Durchsuchung nennt.
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Bei Einstellungsentscheidungen nach §§ 153 ff. wird die grundsätzliche Entschädigungspflicht allerdings durch § 3 StrEG ganz erheblich eingeschränkt. Hier heißt es zum einen nur noch, dass die Entschädigung gewährt werden „kann“, zum anderen hängt auch dies vom Vorliegen von Billigkeitsgründen ab. Letztere sollen nach h.M. nur ausnahmsweise dann zu bejahen sein, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen der erlittenen Maßnahme und dem bei Einstellung des Verfahrens angenommenen Tatverdacht besteht.[39]
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Zuständig für die Entscheidung darüber, ob Entschädigung gewährt wird, ist nach §§ 8 f. StrEG das jeweilige Strafgericht. Insbesondere dann, wenn die Entschädigung ganz oder teilweise versagt wird, ist § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG, wonach unabhängig von der Anfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung insoweit stets das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig ist, von Interesse. Über die Höhe der Entschädigung – so genanntes Betragsverfahren[40] – entscheiden im Streitfall die Zivilgerichte, § 13 Abs. 1 Satz 3 StrEG.
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Gerichte sind bei Einstellungsentscheidungen nach §§ 153 ff. gelegentlich daran interessiert, dass der Betroffene von vornherein auf die Entschädigung nach dem StrEG verzichtet. Angesichts der Tatsache, dass diese nach § 3 StrEG in Fällen der Einstellung des Verfahrens in Anwendung des Opportunitätsprinzips ohnehin nur in Ausnahmefällen gewährt wird, ist damit normalerweise auch nicht der Verlust einer sonderlich relevanten Rechtsposition verbunden.[41] Deswegen kann ein kurzer Gedanke an das StrEG im Zusammenhang mit Überlegungen zur Zustimmung einer Verfahrenseinstellung oder -beschränkung, etwa nach § 153a, flankierend sinnvoll sein.
Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache › B › V. Fristsetzung nach § 154d
V. Fristsetzung nach § 154d
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Ebenfalls nur bedingt in den Zusammenhang einvernehmlicher Verfahrensweisen gehört die „Entscheidung einer Vorfrage“ nach § 154d. Sie spielt insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht eine gewisse Rolle und soll deswegen zumindest kurz erwähnt werden.
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Die Vorschrift gibt der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, einem Anzeigeerstatter zur Klärung einer zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfrage eine Frist zu setzen und nach fruchtlosem Verstreichen das Verfahren einzustellen. Voraussetzung ist, dass das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand hat, und dass eine zivil- oder verwaltungsrechtliche Frage für die Entscheidung über das Strafverfahren notwendig wird. Tatsächliche Aufklärungserfordernisse reichen dabei nicht aus, wie schon der Gesetzeswortlaut zeigt.
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In geeigneten Fällen kann es sinnvoll sein, die Staatsanwaltschaft, sobald der Verteidiger von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erfahren hat, auf diese Möglichkeit anzusprechen. Das ist insbesondere zu erwägen, wenn, wie dies häufig der Fall ist, von Anzeigeerstattern parallel Zivilverfahren angestrengt werden und das Strafverfahren zur Erhöhung des Drucks auf den Mandanten und vor allem auch der Beweisgewinnung dienen soll. Sinn und Zweck des § 154d ist es gerade, die Staatsanwaltschaft von solchen Instrumentalisierungen zu entlasten.[42]
Anmerkungen
Zur umfassenden Informationserlangung ist die Heranziehung der einschlägigen (Kommentar-) Literatur und Rechtsprechung unerlässlich. Im folgenden Text wird durchweg nur auf einige ausgewählte Aspekte hingewiesen, die erfahrungsgemäß im Zusammenhang mit Verständigungen im Strafprozess besonders häufig auftreten und/oder besonders häufig übersehen werden und/oder mit besonders schwer wiegenden Folgen verbunden sein können.
Unten Teil 4 (Rn. 456 ff.).
Meyer-Goßner/Schmitt § 153 Rn. 1; BGHSt 47, 270.
KK-Diemer § 153 Rn. 31.
Nur das Revisionsgericht darf nicht nach § 153a verfahren; vgl. LR-Beulke § 153a Rn. 121; KK-Diemer § 153a Rn. 53.
LR-Beulke § 153 Rn. 35 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt § 153 Rn. 3.