Praxishandbuch Open Source. Christian Galetzka
des Zulieferers ausfindig gemacht wurde, der dann idealerweise erklärt, dass die Komponente doch gar nicht eingesetzt werde und nur versehentlich mitgescannt wurde.
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Die Eclipse Foundation macht mehr als die Betreuung eines Entwicklungstools und einer kopfzerbrechenden Lizenz. Man kann der Eclipse Foundation FOSS Projekte anvertrauen, damit diese die Koordination von Software-Entwicklung gegen Beitragsleistung zu übernehmen. Entsprechende Arbeitsgruppen sind mögliche Alternativen zu Joint Ventures, vor allem wenn es nicht darum geht, mit dem gemeinsamen Unternehmen Geld zu verdienen, sondern lediglich die Software Entwicklung in einem gemeinsamen Projekt mehrerer Unternehmen zu bündeln. Solche Betreuungsleistungen werden auch von anderen Organisationen angeboten.
ee) Linux Foundation
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Eine besondere Produktnähe hat natürlich die Linux Foundation40, wobei sie nicht als Herausgeber oder Rechtsinhaber für den Linux kernel angesehen werden kann. Das bereitet manchmal Schwierigkeiten, wenn man eine Lizenzzuordnung einer einzelnen Komponente oder Datei überprüft. Weder die Linux Foundation noch die Linux Community haben formal das Recht, Lizenzen am Kernel zu vergeben oder gar zu verändern. Trotzdem kommt es gelegentlich zu Lizenzanpassungen, wenn beispielsweise Libraries neu unter den Wirkungsbereich der System Call Exception gestellt werden. Hier kann man sich fragen, ob der tatsächlich berechtigte Rechtsinhaber der Veränderung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat; man kann sich die Frage aber auch sparen, um Bösgläubigkeit zu verhindern. Guter Glaube führt zwar noch nicht zu einem Rechtserwerb, kann jedoch beim Verschulden helfen.
ff) Sonstige
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Auf Produktebene lassen sich beliebig viele Organisationen und Micro Communities aufzählen, die in der Regel von dem Motiv geprägt sind, der eigenen Software zu großer Verbreitung und Weiterentwicklung zu verhelfen. Fragt man in den Communities der Content Management Systeme unter GPL-2.0 (z.B. WordPress, Joomla oder Drupal) nach der Geltung der GPL-2.0 für kommerzielle Themes oder Module, erhält man typischerweise strengere Antworten als beim Unternehmensverband.
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Die Open Source Automation Development Lab (OSADL)41 spielt mit praktischen bis mutigen Handlungsempfehlungen für ihre Mitglieder auf, wenn es um die Vermeidung von Copyleft Effekten geht. Vom OSADL stammt beispielsweise die kreative Idee, dass der Erschöpfungsgrundsatz dann für Serverbereitstellung genutzt werden kann, wenn für jede heruntergeladene Kopie eine lokale Kopie gelöscht wird, die idealerweise zuvor auf rechtmäßige Weise verbreitet wurde.
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Communities bilden sich auch rund um webbasierte Plattformen wie GitHub42, SourceForge43 oder Stackoverflow44. Für viele Software-Entwickler besteht das persönliche Bedürfnis, in diesen Communities als Contributor oder Experte anerkannt zu werden. Daher drängen manche Entwickler ihr Management, eigene Software in der Community bereitzustellen. Der persönliche Prestigegewinn lässt sich dabei auch auf das Unternehmen übertragen. Altruistische Aktivität zugunsten der Community mag vor Gericht nicht als Rechtfertigung für Lizenzverletzungen taugen. Eigenes Engagement kann jedoch verhindern, dass ein Unternehmen als notorischer GPL Verletzer wahrgenommen wird, wie dies in der Vergangenheit häufig der Fall war für einige Chiphersteller, die ihre Treiber nicht quelloffen bereitgestellt haben. Auch ein Hersteller von Elektroautos konnte den Ärger der Community zumindest teilweise besänftigen, indem mit der Öffnung eines GitHub Accounts zumindest Teile der Lizenzverpflichtungen erfüllt wurden.45
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Einige Organisationen haben sich darauf spezialisiert, Rechtsverletzungen zu verfolgen. Kernel Entwickler Harald Welte (siehe bereits Rn. 37ff.) betrieb mit gpl-violations.org eine inzwischen eingeschlafene Kampagne zur Rechtsverfolgung gegen GPL Verletzungen. Generierung von Schadensersatzansprüchen war dabei offenbar kein treibendes Motiv für die Vielzahl von Abmahnungen und Klagen. Welte verdanken wir die Klärung einiger GPL Grundsatzfragen in der deutschen Rechtsprechung, aber auch den Irrläufer zur Berliner AVM vs. Cybits Rechtsprechung (siehe ausführlich Rn. 605ff.). Fairerweise sollte man jedoch anmerken, dass die technischen Fehlverständnisse des Gerichts nicht so von Welte vertreten wurden.
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In Amerika hat sich die Software Freedom Conservancy46 auf Rechtsverletzungen im Bedienungsumfeld spezialisiert und die GPL-2.0 lizenzierte Komponente BusyBox war dabei häufiger Streitgegenstand.47 Software Freedom Conservancy stand ebenfalls Pate für das Verfahren Hellwig ./. VMWare vor dem LG Hamburg48 und zweitinstanzlich OLG Hamburg49, das erfolglos blieb und damit einen vorläufigen Schlussstrich unter die organisierte Verfolgung von GPL Verletzungen vor deutschen Gerichten setzte.
5 Zu den wesentlichen Grundprinzipien Freier Software Stallman, https://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html.en. 6 LG Berlin, 8.11.2011 – 16 O 255/10, ZUM-RD 2012, 153. 7 OLG Karlsruhe, 27.1.2021 – 6 U 60/20, K&R 2021, 271ff.; LG Mannheim, 24.1.2020 – 7 O 71/19 (abrufbar unter: https://shop.ruw.de/download-FOSS). Hierzu ausführlich Rn. 612ff. 8 Kurzüberblick bei Van den Brande/Coughlan/Jaeger, S. 137f.; weiterführend Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 209ff. m.w.N. 9 Siehe Nachweise bei Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, § 69c Rn. 116. 10 Weiterführend Teupen, S. 207ff.; Jaeger, in: ifrOSS, Die GPL kommentiert und erklärt, Ziff. 4 Rn. 11ff.; Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 209; Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, § 69c Rn. 116, jeweils mit m.w.N. 11 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 211; Metzger/Jaeger, GRUR Int. 1999, 839 843. 12 Zum Begriff Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 22 sowie Rn. 51; Wiebe, in: Spindler/Schuster, § 69c UrhG Rn. 55. 13 Das OLG Hamburg reißt in dem Rechtsstreit Hellwig ./. VMWare (OLG Hamburg, 28.2.2019 – 5 U 146/16, MMR 2019, 452 Rn. 76 m. Anm. Galetzka/Hackel) die Problematik zumindest an, ohne dass sie sich jedoch entscheidungserheblich auswirkt. Mit der gleichen Feststellung die Vorinstanz (LG Hamburg, MMR 2016, 740, Rn. 95f. m. Anm. Galetzka/Otto). Auch LG Mannheim, 24.1.2020 – 7 O 71/19 (abrufbar unter: https://shop.ruw.de/download-FOSS) und OLG Karlsruhe, 27.1.2021 – 6 U 60/20, K&R 2021, 271ff. mussten die Problematik nicht entscheiden, siehe hierzu. Rn. 612ff. 14 Instruktiver Überblick bei Van den Brande/Coughlan/Jaeger, S. 142ff. 15 https://gpl-violations.org/news/. 16 Instruktiv und kritisch zu den von McHardy angestrengten Verfahren vor den Kölner Gerichten Czychowski, GRUR-RR 2018, 1ff. Siehe auch v. Welser, GRUR-Prax 2018, 164f. Siebers, MMR 2018, 415 mit Hinweis auf weitere angeblich erfolglose Verfahren von McHardy: LG Mannheim, 31.3.2015 – 2 O 216/14, bestätigt durch OLG Karlsruhe, 6.7.2015 – 6 U 91/15 (beide unveröffentlicht). 17 Vertiefend zum weiteren Hintergrund Czychowski, GRUR-RR 2018, 1f.; Siebers, MMR 2018, 415; Baader, https://www.pro-linux.de/news/1/25090/patrick-mchardy-gpl-durchsetzung-zur-persoenlichen-bereicherung.html; Thoma, https://www.golem.de/news/betriebssysteme-linux-4-14-ruestet-sich-gegen-copyright-trolle-1711-131108.html; Steinlechner, https://www.golem.de/news/lizenzbestimmungen-linux-abmahnungen-verunsichern-elektronikbranche-1803-133139.html. 18 Siebers, MMR